Immanuel Kant

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Ö1 Schwerpunkt

Kant zum 300. Geburtstag

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" - Am 22. April jährt sich der Geburtstag des deutschen Philosophen und Aufklärers Immanuel Kant zum 300. Mal. Anlass für einen Ö1 Schwerpunkt.

Nein, er war kein pedantischer Zwängler. In der anekdotischen Überlieferung wird Immanuel Kant gern als vertrockneter Stubengelehrter dargestellt, als überkorrekter Schrull, der seine täglichen Nachmittagsspaziergänge durch die Gassen Königsbergs mit akribischer Pünktlichkeit in Angriff nahm, sodass die Bürgerinnen und Bürger der Stadt ihre Uhren nach ihm stellen konnten.

"Kant war alles andere als ein weltfremder Sonderling", Marcus Willaschek

Dieses karikaturhafte Bild verfehlt die historische Wirklichkeit: "Immanuel Kant war alles andere als ein weltfremder Sonderling", stellt der Frankfurter Philosoph Marcus Willaschek fest, der im Verlag C. H. Beck eine lesenswerte Einführung in das Kant’sche Denken vorgelegt hat: "Der Philosoph hatte einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. In jüngeren Jahren spielte er Billard um Geld, wobei er öfter auch gewann, und bis ins vorgerückte Alter galt er als glänzender Gesellschafter."

Dreigestirn Platon, Aristoteles, Kant

Zu Weltruhm hätte es der Riemenmachersohn aus Ostpreußen mit diesen Qualitäten nicht gebracht. Dazu bedurfte es verschiedener Großtaten auf dem Feld des Philosophischen - die sich in bahnbrechenden Werken wie der "Kritik der reinen Vernunft" manifestierten.

"Immanuel Kant ist unter den Denkern der Neuzeit der meiststudierte - und zwar in allen Sprachräumen und Kulturen", erläutert der Tübinger Philosoph Otfried Höffe: "Platon, Aristoteles und Kant - das ist das Dreigestirn der westlichen Philosophiegeschichte."

Die eigene Fehlbarkeit bedenken

"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" - mit dieser berühmten Losung hat Immanuel Kant das Programm der europäischen Aufklärung auf den Punkt gebracht. Dass sich heute auch Verschwörungsideologen und "Querdenker" auf diese Forderung berufen, hält Marcus Willaschek für ein Missverständnis.

"Diese Menschen haben den Anspruch, gegen den ‚Mainstream‘ zu denken und sich ihr eigenes Bild von der Welt zu machen - diese Bemühungen hätte Kant bestimmt gebilligt. Zugleich hätte er aber darauf beharrt, dass man die eigene Fehlbarkeit stets mit einkalkulieren muss. Kritisch denken heißt für Kant immer auch, kritisch gegen sich selbst zu denken. Und das ist ein Aspekt, der mir bei manchen der sogenannten Querdenker deutlich zu kurz zu kommen scheint."

Frauenfeind und Rassist?

Auf der anderen Seite steht Immanuel Kant heute auch in woken Kreisen in der Kritik. Der Grund dafür: Da und dort hat sich der Philosoph in abschätziger Weise über Frauen, Juden und Menschen anderer Hautfarbe geäußert. Das hat dem Königsberger den Ruf eingebracht, ein Frauenfeind und übler Rassist zu sein. Die Zürcher Philosophin Ursula Pia Jauch widerspricht: "Ich halte diese Vorwürfe für inquisitorische Stimmungsmache."

An peripheren Stellen des Kant’schen Werks gebe es zwar problematische Aspekte, aber zugleich habe der leidenschaftliche Universalist ein philosophisches Instrumentarium entwickelt, das emanzipatorischen Bewegungen der vergangenen zweieinhalb Jahrhunderte überhaupt erst jene Argumente in die Hand gegeben hat, mit denen sie ihre Befreiungskämpfe führen konnten - und können.

"Natürlich auch Dreck am Stecken"

Der Kulturhistoriker Philipp Blom bringt es kurz und bündig auf den Punkt: "Natürlich haben Aufklärer wie Kant auch Dreck am Stecken. Aber deshalb muss man doch nicht gleich den ganzen Stecken wegwerfen."

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