Öffentlicher Raum, frei zugänglich?

Vom Freiraum zur Shoppingkulisse?

"Sicherheit, Sauberkeit, Service" lautet die Devise, unter der gegenwärtig die Neuordnung des öffentlichen Raums der Stadt betrieben wird. Wer nicht ins Bild der schönen neuen Konsum- und Freizeitzonen passt, bleibt zunehmend außen vor.

"Der öffentliche Raum stirbt ab", schrieb der amerikanische Soziologe Richard Sennett in den 70er Jahren. Seither hat sich die Wahrnehmung einer Krise des öffentlichen Raumes noch verschärft: Zentrale Plätze in der Stadt werden zunehmend privatisiert und kommerzialisiert, die Nutzung der verbliebenen freien Flächen durch neue Überwachungstechnologien kontrolliert.

Ist die Utopie des öffentlichen Raumes als Ort gelebter Demokratie und gesellschaftlicher Integration in Gefahr?

Kommerzielle Begehrlichkeiten

Mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Unterhaltungsstadt erfährt auch der öffentliche Raum der Stadt einen Funktionswandel. Ein Ort der Repräsentativität und des Ausverhandelns gesellschaftlicher Machtverhältnisse war er zwar schon immer. Ein relativ junges Phänomen ist jedoch, so der Stadt- und Regionalsoziologe Jens Dangschat von der TU Wien, dass der städtische Platz auch zunehmend mit kommerziellen Begehrlichkeiten konfrontiert wird.

Das spiegelt sich auch in der Gestaltung öffentlicher Plätze wieder. Sie werden zunehmend zu Imageträgern, die kaufkräftige Touristen und eine ganz bestimmte Gruppe von neuen Dienstleistern anziehen sollen: "Die Kreativen, die Jungen, die Dynamischen, die gar nicht mehr Produkte, sondern Images herstellen - auf die ist das alles ganz stark gerichtet. Da stehen die Städte in Konkurrenz zu einander, und dazu wird der öffentliche Raum hergegeben", sagt Jens Dangschat. "Das ist die Bühne, die für diese neue Form von Stadtbewohneren hergestellt wird. Und das heißt natürlich, dass bestimmte Dinge dort nicht mehr sein sollen."

"Fremd" aussehende Menschen, die Gefühle der Unsicherheit auslösen könnten, sind hier ebenso wenig willkommen wie ökonomisch benachteiligte Menschen oder gar Obdachlose. Ausgrenzungsmechanismen ortet der Wiener Kulturwissenschaftler Ernst Strouhal aber auch im Hinblick auf das Alter: "Sie werden in diesen schönen Konsumzonen mit ihren eleganten Cafés und Geschäften wenige alte Menschen finden - was natürlich auch mit Einkommen interagiert."

Schauplatz Bahnhof

Ein Ort, an dem diese Veränderung des öffentlichen Raums besonders sichtbar wird, ist der Bahnhof. Seit den Anfängen der Eisenbahn ist der Bahnhof einer der zentralen sozialen Räume in der Stadt: Hier treffen unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft aufeinander, hier finden auch so genannte Randgruppen Verweil- und Kommunikationsmöglichkeiten. Mit der Modernisierung und dem Umbau zahlreicher Bahnhöfe im Zuge der Bahnhofsoffensive in Deutschland und Österreich wird der Raum jedoch gerade für diese Gruppen enger, befürchtet Jens Dangschat.

"Es heißt immer nur 'Sicherheit, Sauberkeit, Service', und das heißt immer: bestimmte Leute aus dem öffentlichen Raum zu entfernen". Die Methoden, die dabei zum Einsatz kommen, beschränken sich nicht nur auf stärkere Überwachung und Kontrolle. "Da wird dann Klassikmusik gespielt, weil das eine Folter für Leute ist, die nicht so drauf sind; es gibt keine Bänke, keine Wasserentnahmestellen; die Betreuungsstellen werden ganz bewusst wo anders hin verlegt oder werden nicht mehr flächendeckend eingerichtet. All diese Dinge tragen dazu bei, dass diese Menschen möglichst aus der Öffentlichkeit verschwinden."

Krise des öffentlichen Raumes?

Von einer "Krise des öffentlichen Raumes" mag der Soziologe Dangschat dennoch nicht sprechen. Denn das würde voraussetzen, dass es den öffentlichen Raum als für jeden Menschen jederzeit frei zugänglichen öffentlichen Raum je gegeben hat - was noch nie in einer Stadt der Fall war.

Und: "Ich kann das Verschwinden des idealen europäischen Stadtraumes bedauern - und da spricht auch vieles aus meinem Bauch dafür. Aber andererseits: Das ist Ausdruck von aktueller Gesellschaft. Wir sind nun mal in einer sich steigernden Wettbewerbssituation und Marktorientierung, und damit bringt der öffentliche Raum genau das zum Ausdruck, was die wichtigsten Kräfte innerhalb der Gesellschaft offensichtlich wollen."

Service

Anette Baldauf, "Entertainment City", Wien- New York: Springer Verlag 2007 (im Erscheinen).

Richard Sennett, "Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität", Frankfurt a. M.: Fischer 141998 (Erstauflage: 1977), ISBN 3596273536

Walter Siebel, Jan Wehrheim, "Öffentlichkeit und Privatheit in der überwachten Stadt", in: DISP 53 (2003).

Michael Zinganel, "Real Crime. Architektur, Stadt und Verbrechen. Zur Produktivkraft des Verbrechens für die Entwicklung von Sicherheitstechnik, Architektur und Stadtplanung", edition selene 2003, ISBN 3852661223.