Selbst kreieren und veröffentlichen

Wir sind das Netz

Sammelplätze im Netz, wie Myspace, Flickr oder Youtube werden täglich von Millionen Menschen besucht. Die Nutzer legen Profile an, vernetzen sich, kommunizieren und hinterlassen Datenspuren, tauschen Musik, Fotos und Videoschnipsel aus.

Die so genannten "Web 2.0"-Plattformen schaffen jene Infrastruktur, die es unkompliziert und kostenlos ermöglicht, Texte, Bilder oder Sounds ins Internet hoch zu laden. Damit sinken die Hürden, eigene Artikel, Fotos oder Videos zu veröffentlichen. Eine Entwicklung, die unseren Umgang mit Medien nachhaltig verändern wird, so der Netztheoretiker Felix Stalder. Denn immer mehr Menschen wollen nicht nur Konsumenten sein, sondern mit den neuen digitalen Tools, wie Wikis, Weblogs oder Podcasts selbst Medien kreieren und veröffentlichen.

"Do it yourself"-Medien

Mercedes Bunz ist Mitbegründerin von DEBUG, einer Monatszeitschrift für elektronische Lebensaspekte, seit einigen Jahren Bloggerin und seit kurzem Chefredakteurin des "Tagesspiegel Online". Der Begriff Web 2.0 fasst für sie einen Trend zusammen, dem sie ambivalent gegenübersteht. "Man kann immer leicht biografisch losquatschen, das ist das einfachste". Viel schwieriger sei es einen Text zu schreiben, der sich um eine ausgewogene Meinung bemüht und sich aus verschiedenen Quellen speist. Deshalb sieht die Bloggerin und Journalistin die beiden Bereiche nicht in Konkurrenz. "Es kostet Zeit und das Geld, verschiedene Quellen heranzuholen, das ist Arbeit. Blogs lassen sich schneller und einfacher machen."

Podcast Yourself

Für ihn sei es schon lange eine Selbstverständlichkeit als Informationsfilter zu dienen, sagt Markus Beckedahl. Der 30-Jährige hat bereits vor zehn Jahren begonnen, sein Wissen über das Internet via Mailinglisten weiterzugeben. Seit mehr als zwei Jahren betreibt der junge Berliner ein Weblog, das täglich von mehr als 10.000 Menschen genutzt wird. netzpolitik.org lautet die Internetadresse dieses Portals, das neben Infos, Kommentaren und Links zu den Themen der Wissensgesellschaft nun auch Audio und Video-Clips podcastet. "Ich hab’ die Digitaltechnologie herumfliegen, es gibt freie Software, damit kann ich alles machen. Mit einem herkömmlichen PC kann ich heute das produzieren, was man früher in großen Studios gemacht hat", sagt Beckedahl.

Markus Beckedahl ist stolz auf seinen eigenen Radio- und Fernsehsender, für den er nicht mehr Infrastruktur als eine Internetadresse und Serverplatz benötigt. Seine Aufnahmen bietet er als MP3-Files zum Download an. Geld verdient Markus Beckedahl damit nicht. Dafür steigert das bloggen und podcasten seine Reputation, die wiederum seiner Agentur New Thinking zugute kommt.

User Generated Content - Vom Portal zur Plattform

Web 2.0 ist nicht nur eine technische Entwicklung, sondern auch eine Frage des Stils, etwa wie man mit Daten und Kunden umgeht. Wenn das "Portal" das Schlagwort des frühen Internets gewesen ist, so ist es heute die "Plattform", schreibt Mercedes Bunz in ihrem Weblog zum Thema Web 2.0. "Da gibt es eine Umstellung im Format, die Plattform ist gegenüber dem Portal etwas sehr offenes, wo Leute sich einbringen können".

Eine Plattform, die ganz auf das Prinzip der "Peer Production" setzt, ist YouTube. Die Inhalte kommen nicht von einem Autor oder einer Redaktion, sondern von den Internetnutzern aus aller Welt. Medienfachleute und Journalisten sprechen in diesem Zusammenhang vom "User-Generated Content". Frei übersetzt: Die Benutzer und Kunden machen sich ihre Inhalte einfach selbst. In diesem Fall: ihr eigenes Fernsehen. "Broadcast yourself" lautet die passende Devise. Diese Plattform hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von "Stars" hervorgebracht - alles Durchschnittsbürger, die sich vor eine Kamera setzen und monologisieren.

Die Web-2.0-Saga

Google hat für YouTube mehr als eineinhalb Milliarden Dollar bezahlt und damit eines der zahlreichen Web-2.0-Märchen generiert. Die Geschichte der YouTube-Gründer erinnert an die Startup Legenden der New Economy Ära. Ist der gegenwärtige Web-2.0-Hype eine Neuauflage der dotcom-Blase Ende der 90er Jahre?

Felix Stalder, Dozent für Medienökonomie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich, sieht es pragmatisch. So wurde mit dem dotcom-Boom einer breiten Bevölkerung klar, dass man sich einen Computer, einen Internetanschluss und eine E-Mail-Adresse besorgen müsse und dass diese Entwicklung gesellschaftlich relevant sei.

Der Hype rund um Web 2.0. könnte bewirken, dass mehr Menschen begreifen, dass Wissen im Netz kollaborativ entsteht. "Dass Wissen in Communities generiert wird, dass neues Wissen immer eine Transformation bestehenden Wissens ist, dass niemand mehr die absolute Kontrolle hat und dass kreative Ressourcen verteilt sind", beschreibt der Netztheoretiker den neuen Modus der kollektiven Wissensproduktion in einer vernetzten Gesellschaft.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 2. April bis Donnerstag, 5. April 2007, 9:05 Uhr

Links
Flickr
Youtube
Felix Stalder
Mercedes Bunz
Netzpolitik.org
Myspace.com
CreativeCommons.org
CreativeCommons.at

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