"A Swarm of Angels"

Filmemachen im Internet

Matt Hanson hat sich als Mitbegründer des auf digital produzierte Kurzfilme und Animationen spezialisierten Filmfestivals "Onedotzero" einen Namen gemacht und auch als Autor einer Reihe von visionären Büchern zur Zukunft des Films

Seit Anfang 2006 arbeitet Matt Hanson an der Umsetzung einer visionären Idee: ein Spielfilm, der nach dem Open-Source-Prinzip entstehen soll:

"Es kamen da einige Ideen zusammen. Zum einen waren es Ideen, die ich bereits in meinem manifestartigen Buch "The End of Celluloid" entwickelt hatte. In diesem Buch habe ich ja einige Spekulationen angestellt, wie man Film und Kino im digitalen Zeitalter weiterentwickeln und dabei die neuen Möglichkeiten digitaler Medien nützen könnte. Zum anderen kam mein Interesse an sozialen Netzwerken im Internet dazu - Stichwort Web 2.0, aber auch die ganze Open-Source-Bewegung und Ideen wie 'Free Culture', 'Creative Commons' und ein flexibles Copyright für das digitale Zeitalter. Und vor dem Hintergrund dieser Ideen dachte ich mir: Lasst uns etwas Radikales tun! Etwas, das alle diese Ideen praktisch und radikal zur Anwendung bringt und das für Aufsehen sorgt."

Der Schwarmgeist

Der Name ist dabei schon Programm: "Schwarm" steht für den viel zitierten "Schwarmgeist" von Online-Gemeinschaften und Open-Source-Projekten. Wie in einem Bienenstock bündelt das Kollektiv dabei seine Kreativität und Intelligenz und lässt etwas Großes und Großartiges entstehen - etwas, das ein Einzelner niemals hätte erschaffen können.

Im Projekttitel "A Swarm of Angels" stecken zugleich aber auch die "Business Angels" drinnen, auch bekannt als: Investoren, wie sie jedes große Projekt zwangsläufig braucht. Im konkreten Fall sind es nicht einige wenige Großinvestoren aus dem Silicon Valley, sondern ist es eine große Masse kleiner Investoren. Konkret: 50.000 User, die jeweils 25 britische Pfund berappen und so gemeinsam ein Budget von über eine Million Pfund zusammentragen sollen.

Als Mitglied des Schwarms hat man - sobald man die Eintrittsgebühr von 25 Pfund bezahlt hat - automatisch Stimm- und Autorenrechte. Man kann in den Diskussionsforen aktiv an Drehbuchentwürfen mitarbeiten und über nahezu jeden Aspekt des Films mitbestimmen und zwar in Form von online durchgeführten Abstimmungen.

Nur im Internet verfügbar

Insgesamt hat Hanson bei "A Swarm of Angels" fünf Projektphasen geplant. Im Moment steht man am Beginn der dritten Phase, bei der die Community auch selbst gedrehtes Filmmaterial beisteuern wird können, das zumindest teilweise dann auch Verwendung im Film finden soll. Im Sommer sollen dann die konkreten Vorarbeiten und im Spätsommer auch die eigentlichen Dreharbeiten beginnen. Zuvor muss - im Rahmen einer kollektiven Abstimmung - noch eine wichtige Entscheidung fallen, nämlich welche der beiden online entwickelten Drehbuchentwürfe dann konkret verfilmt werden wird.

Am Ende wird der Film auch auf DVD erscheinen - in einer Auflage von 50.000 Stück, die den Mitglieder von "A Swarm of Angels" vorbehalten bleiben. Der Film wird nicht in die Kinos kommen und auch nicht offiziell als DVD in den Handel kommen, sondern ausschließlich - und gratis - im Internet downloadbar sein.

Mehr Raum abseits des Mainstreams

Ziel von "A Swarm of Angels" sei es allerdings nicht, so Hanson, Hollywood zu Fall zu bringen, sondern "eine Art Testversion für eine neue Entertainment-Ökologie von partizipativen Medien" zu sein, die sich neben Hollywood entwickeln und mehr Raum für Filme jenseits des Mainstreams lassen soll. Kollektiv produzierte und finanzierte Filme könnten sich so aus den Zwängen lösen, die mit Filmemachen bis heute verbunden sind und die vor allem die gestalterische Freiheit einengen. Die Gefahr, dass zuviele Köche dabei den Brei verderben könnten, sieht Matt Hanson dabei nicht:

"Paradoxerweise ermöglicht es diese große Zahl an Menschen, die sich für so ein Projekt zusammenfinden, eine individuellere und einzigartige Vision zu verfolgen. Es kommt zu einer Renaissance des Autorenfilms, der nicht darauf Rücksicht nehmen muss, dass möglichst viele Teenager auf möglichst vielen Kontinenten ihn gut finden. Es genügt vollauf, wenn 50.000 ihn gut finden, was global gesehen eine geringe Zahl ist. Wahrscheinlich wird der Film aber dann nicht nur den 50.000 gefallen, die ihn gemacht haben, sondern auch anderen darüberhinaus. Und wenn "A Swarm of Angels" einmal Gestalt angenommen hat und die Menschen sehen, dass solche Projekte funktionieren und erfolgreich sein können, dann glaube ich, dass diese Form von Entertainment-Communities weltweit aus dem Boden sprießen und die bestehende Medienlandschaft ergänzen werden."

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 25. März 2007, 22:30 Uhr

Links
A Swarm of Angels - Remixing Cinema
onedotzero

Übersicht