Über unmenschliche Arbeitsbedingungen in Bangladesch
Tödliche Billigtextilien
Vor allem in der Textilbranche wird der Wettbeweb über den Preis auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter geführt: Allein in Bangladesch arbeiten zwei Millionen Menschen in 5.000 Kleiderfabriken unter unmenschlichen Bedingungen.
8. April 2017, 21:58
Statement der Aktivistin und Ex-Näherin Nazma Akhter
Bangladesch ist eine der größten Schneiderwerkstätten der Welt. In 5.000 Kleiderfabriken arbeiten mehr als zwei Millionen Menschen. 85 Prozent davon sind Frauen. Sie produzieren T-Shirts, Hemden, Hosen und Pullover für zahlreiche Marken in den USA und Europa - unter anderem für Zara, H&M, Tchibo, New Yorker, Karstadt-Quelle, Vögele, für diverse Sport-Labels und auch für Textildiskonter wie KiK.
Die Arbeitsbedingungen der größtenteils als Näherinnen beschäftigten Fabrikarbeiterinnen sind unmenschlich, die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen lebensgefährlich. Dies bestätigen auch die beiden Clean-Clothes-Koordinatorinnen Christina Schröder und Michaela Königshofer von der Südwind-Agentur in Wien, die einige Fabriken in Bangladesch besuchten.
30 Euro monatlich für 80-Stunden-Woche
"Ein Fabrikeigentümer hat uns erzählt, dass die Händler aus Europa sich nur für Preis und Qualität der Waren interessieren. Nach den Arbeitsbedingungen fragen sie nicht, erzählen die beiden Koordinatorinnen unisono. In einer Näherei trafen sie die 22-jährige Näherin Azma. Sie arbeitet wie die meisten in dieser Firma jeden Tag etwa 12 Stunden, manchmal länger - von 8:00 Uhr morgens bis 1:00 Uhr nachts.
"Wenn ein Auftrag fertig werden muss, arbeiten wir mehrere Nächte nacheinander durch. Wenn man früher geht, weil man erschöpft ist und sich ausruhen möchte, wird einem zur Strafe etwas vom Lohn abgezogen, sagte Azma verzweifelt. Ihr Verdienst hiefür beträgt 2.600 Taka im Monat, also etwas mehr als 30 Euro.
Tödliche Arbeit für billige Preise
Aber nicht nur die Arbeitszeiten und Löhne der Beschäftigten in Bangladesch sind unmenschlich. Wegen der unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen sind viele Textilfabriken auch wahre Todesfallen. Seit 1990 sind mehrere Hundert Arbeiter bei Firmenunfällen ums Leben gekommen, Tausende wurden verletzt.
Im Februar 2006 verbrannten mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder in der Fabrik KTS in Chittagong. Aus Angst vor Diebstahl hatten die Manager die Tore verschließen lassen. Nur wenige konnten sich durch ein einziges Fenster retten, das nicht vergittert war.
Nur wenige Wochen später, im März 2006, kam es etwa 35 Kilometer außerhalb von Dhaka in der Firma Sayem Fashions zum nächsten Unfall. Nach einem Brand durch einen Kurzschluss entstand eine Massenpanik. Etwa 50 Menschen wurden verletzt und drei Menschen zu Tode getrampelt, weil die Stiegenhäuser mit Kartons verstellt waren und wegen Einsparungen keine Lagerhalle existierte.
Textildiskonter KiK verneint Kontakte
Die Angehörigen der Todesopfer bei Sayem Fashions bekamen 250 Euro Entschädigung. Gegen die Manager wurde keine Anklage erhoben. Die Aktivistin Nazma Akhter hat nach dem Unfall Labels in dieser Fabrik gesammelt. Denn es hat sich gezeigt, dass man in vielen Fällen den Opfern nur dann zu Schadenersatzzahlungen verhelfen kann, wenn man herausfindet, für welche Marken produziert wird. Es waren Labels von X-mail - einer Eigenmarke des Textildiskonters KiK. Auch in Österreich wird Kleidung der Marke X-mail verkauft.
Auf Nachfrage des ORF teilte KiK schriftlich mit, man könne keine direkten Kontakte zu Sayem Fashions feststellen. Lediglich im Jahr 2004 habe ein Lieferant Sayem Fashions als Sub-Unternehmer engagiert, um einen Auftrag von KiK erfüllen zu können.
Keine Kontrollen feststellbar
KiK schickte dem ORF auch einen Verhaltenskodex, zu dessen Einhaltung die Lieferanten sich verpflichten müssen. Ein Unternehmen sei beauftragt worden, die Einhaltung zu überprüfen. Die Frage an KiK, ob in Bangladesch schon Kontrollen durchgeführt worden seien, blieb jedoch bis dato unbeantwortet.
Auskunftsfreudiger gab man sich hingegen, was das Handelskonzept und die Expansion des Unternehmens anbelangt: Die KiK-Textilien und Non-Food GmbH mit Sitz in Deutschland wurde 1994 gegründet und verfügt bereits über 2.200 Filialen. Fast jeden Tag wird eine weitere Filiale eröffnet.
Arbeiter zerstörten 400 Fabriken
In der Textilindustrie wird in Bangladesch sehr viel Geld verdient, etwa acht Milliarden Dollar im Jahr; das sind drei Viertel der gesamten Exporterlöse des Landes. Am wenigsten davon spüren jedoch nach wie vor die arbeitenden Näherinnen und Näher, die nicht nur unter Lebensgefahr ihre Arbeit verrichten müssen, sondern auch finanziell ums nackte Überleben kämpfen.
Letztes Jahr kochte daher in Bangladesch die Wut der Arbeiterinnen und Arbeiter über. Sie wollten nicht mehr für Hungerlöhne ihr Leben riskieren. Wochenlang kam es zu Ausschreitungen gegen die immer reicher werdenden Fabrikeigentümer. Dabei wurden insgesamt etwa 400 Fabriken zerstört.
Die Folgen des Arbeitsaufstandes
Als Folge der Ausschreitungen wurde nach den Unruhen der Mindestlohn von zwölf Euro auf 20 Euro im Monat erhöht. Zwölf Jahre lang war der Lohn nicht erhöht worden. Nun hat man ihn nicht einmal verdoppelt. Dabei haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel verfünffacht.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesch wollen einen fairen Lohn. Ihre Forderung lautet bescheidene 3.000 Taka oder 37 Euro Mindestlohn pro Monat. Für die Konsumenten in Europa würden sich dadurch Hemden oder T-Shirts nur um wenige Cent verteuern, denn die Lohnkosten haben am Preis der Kleidung nur einen sehr kleinen Anteil.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 12. Februar 2007, 18:25 Uhr
Links
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