Eine erste Analyse nach der Hinrichtung des Ex-Diktators

Saddam Hussein ist tot

Iraks Ex-Diktator Saddam Hussein ist tot. Für die einen ein Meilenstein auf dem Weg des Iraks zur Demokratie, für andere der Startschuss für weitere Gewaltakte, für dritte wiederum, trotz unzweifelhafter Schuld Saddams die Abschaffung der Todesstrafe zu fordern.

Saddam Hussein ist tot. Seine Hinrichtung unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Todesart, die er vielen seiner
Gegner zugefügt hat, als er das Land als Diktator beherrschte. Jetzt gibt es im Irak - glaubt man den amerikanischen Besatzern - demokratische Zustände. Aber sind die mit einem Todesurteil zu vereinbaren?

Noch weiß man nicht, was Saddam Hussein vor der Hinrichtung gesagt hat: mit einiger Sicherheit ist auszuschließen, dass er für seine Untaten um Verzeihung gebeten hat. Schon bei seinem Prozess, der fast ein Jahr lang gedauert hat, war von Reue nichts zu merken.

Selbst wenn Zeugen noch so glaubwürdig davon berichteten, mit welcher Grausamkeit der damalige Diktator seine Feinde hat umkommen lassen, Saddam tat stets so, als hätte er damit nichts zu tun gehabt. Dabei wurde sein größtes Verbrechen noch gar nicht aufgerollt: der Giftgasangriff gegen die Kurden in der Stadt Halabadscha im Jahr 1988; es hätte erst bei einem zweiten Prozess behandelt werden sollen.

Aber genau das wirft zumindest ein schwerwiegendes Problem der irakischen Rechtssprechung auf: Der Angeklagte wird hingerichtet, bevor das ganze Unheil, das er angerichtet hat (oder haben soll), juridisch abgehandelt worden ist. Wie überhaupt der Prozess - von Beginn bis zu seinem dramatischen Ende - mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.

Vor allem die grundsätzliche Frage nach seiner Legitimität wird sich noch lange stellen: Wäre die Verhandlung nicht vor einem internationalen Gericht, wie etwa jenem, vor dem die ehemaligen jugoslawischen Kriegsverbrechen abgehandelt werden, um Vieles glaubwürdiger gewesen? Wo anerkannte Richter über Schuld und Unschuld entscheiden, und nicht ein anonymes Richterkollegium wie im Irak, das sich aus welchen Gründen auch immer (vorwiegend wird von Angst vor Racheakten gesprochen, die diese Herren in der Anonymität verharren ließ) bis heute nicht der Öffentlichkeit gezeigt hat.

Und schließlich geht es auch um die Todesstrafe selbst: Es überrascht nicht, dass George Bush und seine Mitstreiter den staatlich vollstreckten Tod begrüßten. Nicht einmal die Tatsache darf verwundern, dass der Präsident aus gegebenem Anlass sogar seine Schlafgewohnheiten änderte, nur um zum Zeitpunkt der Vollstreckung des Urteils noch hellwach zu erscheinen und sein Urteil über das Urteil abzugeben.

Schließlich ist mit der Hinrichtung Saddam Husseins in den Augen von Bush Junior nun auch das missglückte Attentat gerächt, dass der irakische Diktator angeblich gegen Bush Senior im Anschluss an den ersten Golfkrieg zu Beginn der 1990er Jahre geplant hatte. Für den Rest der zivilisierten Welt bleibt die Todesstrafe zumindest fragwürdig - selbst dann, wenn die Verbrechen des zu Verurteilenden ein Ausmaß angenommen haben, das sich nicht mehr mit normalen Maßstäben messen lässt. So wie eben auch die Zustände im Irak, nach der Invasion, nach der Gefangennahme des Diktators, nach seinem Prozess und nun wohl auch nach seinem Ende.

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