Österreich-Start von "Stillleben" am 18. Mai

Gerald Kerkletz, Kamera

Der Film fasziniert ihn seit Kindheitstagen: Gerald Kerkletz, Jahrgang 1975, der an der Filmakademie Wien nun sein Studium beendet hat. Der mehrfach ausgezeichnete Händl-Debüt-Film "März", bei dem er Kamera führte, ist auf DVD erhältlich. Am 18. Mai 2012 hatte nun Sebastian Meises preisgekrönter Film "Stillleben", der Diplomfilm von Kerkletz, seinen Österreich-Start.

"Von der Herangehensweise hätte es auch die Fotografie sein können, aber es kam die Liebe zum Kino dazu. Das Bild an sich war mir immer zuwenig - das, was hinter den Bildern steckt, fasziniert mich.

Ich habe keinerlei Regieambitionen, trotzdem oder gerade deshalb will ich mich nicht nur als Kameramann begreifen. Der Wert eines Bildes liegt für mich nicht immer in seiner möglichen Schönheit, seiner oberflächlichen oder technischen Qualität, sondern in dem, wofür es steht.

Ich finde nicht, dass wir in einer Welt mit zu vielen Bildern leben, aber ich vermisse, dass die wenigsten Bilder wirklich etwas erzählen wollen. Gleichzeitig bin ich mir aber bewusst, dass es manchmal zu meinem Job gehört, auch Bilder zu machen, die einfach nur funktionieren müssen, weil sie etwas verkaufen. Vielleicht ist das die Grenze, an der ich in meiner Arbeit zwischen Handwerk und Kunst unterscheiden muss", erzählt Gerald Kerkletz.

Der gebürtige Grazer, Jahrgang 1975, war zunächst außerordentlicher Hörer an der Wiener Filmakademie und studierte seit 1997 regulär Bildtechnik und Kamera bei Walter Kindler und Christian Berger.

Seine theoretische Diplomarbeit "Das Kino von Michael Mann, seine Bildsprache und den Einfluss Digitaler Aufnahmesysteme" hat er bereits 2007 abgeschlossen.

Mit seinem Diplomfilm "Stillleben", der zugleich der erste Langspielfilm des Regisseurs und Autors Sebastian Meise ist, hat Gerald Kerkletz sein Studium nun abgeschlossen.

Mehr zu Thomas Reider in Ö1 Talentebörse

Bereits während seiner Ausbildung an der HTL für Bildnerisches Gestalten, wo Kerkletz das Fach Grafik-Design belegt hatte, interessierte er sich vor allem für Fotografie und hier entstanden auch seine ersten Kurzfilme auf Super-8 und Video.

Nach der Matura entschied er sich schließlich ganz für den Film. "Das Kino war für mich schon immer eine Möglichkeit zu träumen - aber nicht im Sinn von Flucht, sondern von Abenteuer", so der ambitionierte Kameramann.

Kino-Start von "Stillleben" am 18. Mai

Nach "Michael" von Markus Schleinzer hatte nun am 18. Mai 2012 Sebastian Meises preisgekrönter Film "Stillleben", der Diplomfilm von Gerald Kerkletz, seinen Start in den österreichischen Kinos.

Meises "Stillleben" hat bei der diesjährigen "Diagonale" in Graz unter anderem den Hauptpreis als "Bester Spielfilm" erhalten. Gerald Kerkletz erhielt den Preis für die "Beste Bildgestaltung" sowohl für Meises "Stillleben" wie für Schleinzers "Michael".

In der Jury-Begründung hieß es unter anderem: "Anhand zweier Filme, deren Temperatur unterschiedlicher nicht sein könnte, wird Gerald Kerkletz’ große Kunst sicht- und spürbar, den Menschen und ihrem Handeln Raum zu geben, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, sie nie zu verraten. Sein Blick ist darin immer Komplize von Regie und Dramaturgie, gleichwohl eigenständig im besten Sinn ... "

"Stillleben" hatte bei der Uraufführung beim Filmfestival in San Sebastian 2011 eine lobende Erwähnung erhalten.

Und an dem erfolgreichen Meise-Film waren noch weitere Ö1 Talente maßgeblich beteiligt: das Drehbuch schrieb Thomas Reider, für den Schnitt war Julia Drack verantwortlich.

ORF-TV-Serie "Tschuschen:Power"

Für Folge 3 bis 5 der ORF-TV-Serie "Tschuschen:Power" von Jakob M. Erwa übernahm Gerald Kerkletz die Kameraarbeit. Und er ist besonders stolz auf dieses Projekt, das im Frühjahr 2009 gesendet wurde:

"Ich finde 'Tschuschen:Power' ist ein wirklich besonderes Projekt. Diese Serie ist für mich ein Beweis dafür, dass man die jungen Filmemacher in diesem Land einfach nur lassen muss, das Potenzial ist auf so vielen Ebenen da - nur das Vertrauen von Oben fehlt leider zu oft.

Dass bei diesem Projekt auf unterhaltsame Weise auch noch ein wichtiges Thema behandelt wurde, macht mich besonders stolz. Rund 1,4 Millionen Österreicher haben einen Migrationshintergrund - und nach wie vor werden sie als eine Minderheit gesehen", so Kerkletz.

Erfolgreiche "Gangster Girls" in DVD-Edition

Der Dokumentarfilm, den der junge Kameramann gemeinsam mit der Theater-Regisseurin Tina Leisch realisiert hat, handelt von einer Theatergruppe in der Frauenstrafvollzugs-Anstalt Schwarzau, wo das Theaterstück "Medea bloß zum Trotz" aufgeführt wurde.

Der Film war auch beim “Dokfest München“ zu sehen und ist danach erfolgreich im Stadtkinoverleih Österreichweit in den Kinos gelaufen.
Uraufgeführt wurde der Dok-Film bei der "Viennale 2008" und von der Jury des Wiener Filmpreises mit einer lobenden Erwähnung bedacht. Darin hieß es unter anderem:

" ... Gangster Girls von Tina Leisch bezeugt den unschätzbaren Wert des Einsatzes von Theaterarbeit in einer österreichischen Haftanstalt, dem Frauengefängnis in Schwarzau. Über den formalen Kunstgriff der Maskierung der Protagonist/innen gelingt dem Film die Demaskierung eines Rechtssystems und seines Vollzugs."

"Tina Leisch und ich waren uns von Beginn an einig, das Wesen der Gefangenschaft lässt sich nicht durch Gefängnisklischees wie lange dunkle Gänge, vergitterte Fenster oder schlüsselrasselnde Beamtinnen abbilden. Auch dass heute viele Gefängnisse mittlerweile 'modern 'und 'schön' sind, ist nicht der Punkt. Daher haben wir uns auf ein recht gewagtes visuelles Konzept eingelassen. Ich finde es großartig, Filme machen zu dürfen, die auch wichtig sind, bei denen es wirklich um etwas geht", erzählt Kerkletz.

Zurzeit arbeitet Tina Leisch an der Fertigstellung ihres filmischen Porträts des salvadorianischen Revolutionsdichters Roque Dalton.

Gemeinsam mit Tina Leisch hat Kerkletz für dieses Projekt neben Wien, auch in Prag, Kuba und vor allem in El Salvador gedreht.

Preisgekrönte Trauerstudie "März" in DVD-Edition

Der Debüt Film "März" von Händl Klaus, bei dem Kerkletz noch während seines Studiums an der Wiener Filmakademie Kameramann war, erlebte einen wahren Preisregen: "Best First Feature" beim 61. Filmfestival von Locarno, "Special Jury Award" beim Internationalen Filmfestival von Sarajevo, Berner Filmpreis, erhielt eine lobende Erwähnung beim internationalen Filmfestival Triest und war Gewinner des Fünf-Seen-Filmfestivals 2009.

Mittlerweile ist "März" als Teil der Edition "Der Österreichische Film - Edition Der Standard" auch als DVD erhältlich.

In dieser Trauerstudie geht es um den gemeinsamen Selbstmord von drei Studenten, die aus unerklärlichen Gründen den Freitod wählen. Im Zentrum steht dabei die Situation in den Familien nach der schrecklichen Tat.

Der Autor und Regisseur Händl Klaus schreibt bereits an seinem nächsten Drehbuch: "In gewisser Weise wird es ein 'Psycho-Thriller', Klaus spricht von einem 'Tierfilm', aber 'Musikfilm' stimmt irgendwie auch - man darf gespannt sein. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf eine neuerliche Zusammenarbeit“, erzählt Kerkletz voller Vorfreude.

"Ich kannte Händl Klaus, der ja auch Schauspieler war, durch den Diplomfilm von Jessica Hausner. Bei ’März’ haben wir mit kleinem Team und technisch sehr einfach gearbeitet, weil es die Geschichte so verlangt hat. Und da es sich um einen Low-Budget-Film handelt, kam es auch den Produktionsbedingungen entgegen, erinnert sich Gerald Kerkletz.

Die Kunst des Widersprüchlichen

"Der Beruf des Kameramannes bringt unterschiedliche Aufgabenstellungen mit sich: Die Arbeit ist oft sehr dominant, man muss die Technik im Griff haben, Dinge kontrollieren, Stimmungen konstant halten und sich durchsetzen, um bestimmte Positionen zu erhalten. Aber es funktioniert nur dann gut, wenn man sich auch zurücknimmt. Sich einlässt, sich dem Lauf der Dinge hingibt, vertraut. Vieles baut hier auf einem Widerspruch auf", erläutert Kerkletz.

Erfahrungen als Assistent und Beleuchter

Sein Grundwissen erarbeitete sich Kerkletz zunächst bei Studentenfilmen als Kamera-Assistent und als Beleuchter. Später finanzierte er sein Studium als Oberbeleuchter:



"Neben der Filmakademie gibt es zwei Möglichkeiten Kameramann zu werden: entweder über die Assistenz oder über das Licht. Im deutschsprachigen Raum geht es eher über die Kamera-Assistenz.

Mein Weg führte über die Lichtgestaltung, weil es meiner Ansicht nach näher liegend ist. Denn das Licht ist vielleicht das wichtigste Werkzeug eines Kameramannes. Alles, was ich als Oberbeleuchter gelernt habe, kann ich nun als Kameramann verwerten."

"Mentoren" Gschlacht und Benesch

Von großer Bedeutung für die Entwicklung des Nachwuchsfilmers waren die Kameramänner Martin Gschlacht und Thomas Benesch, ältere Kollegen an der Filmakademie, für die Gerald Kerkletz später als Oberbeleuchter in der Branche gearbeitet hat:

"Sie waren beide sehr wichtig für mich, weil sie so unterschiedliche Herangehensweisen haben und daher auch ganz unterschiedliche Filme machen. Benesch, der viel Werbung dreht und enormes technisches Wissen besitzt, und Gschlacht, der sich sehr vom Gefühl her auf Sachen einlässt und eher im Autorenfilm zuhause ist.

Vielleicht ist es für mich aufgrund dieser beiden Vorbilder so wichtig, ganz verschiedene Bildsprachen zu beherrschen. Ich will nicht in eine Schublade gesteckt werden und mich auf einen Stil festlegen müssen, sondern bei ganz unterschiedlichen Projekten mitwirken."

Bisher knapp 30 Filme

Seit 1999 hat der junge Kameramann in unterschiedlichen Aufgaben bei insgesamt rund 30 Filmen mitgewirkt: so unter anderem bei Jessica Hausners "Lovely Rita" (2001), Barbara Alberts "Böse Zellen" (2003), Antonin Svobodas "Spiele Leben" (2005), Ulrich Seidls neuem Film "Import/Export", sowie bei Götz Spielmanns Film "Revanche".

Als Kameramann war er auch für Anja Salomoniwitzs "Projektionen eines Filmvorführers in einem Pornokino" (2002), in Marco Kalantaris Kurzspielfilm "Dreynschlag" (2003), in Thomas Schwendemanns "Felix Ende" (2004), sowie in Sebastian Meises Kurzspielfilm "Daemonen" (beide 2006) tätig. Diese Filme sind alle im Rahmen der Ausbildung an der Wiener Filmakademie entstanden.

Bei seiner Tätigkeit als Oberbeleuchter und als Assistent an der Seite von Ed Lachmann bei "Import/Export" hat Kerkletz Daniel Hösl kennengelernt, den späteren Regieassistenten bei Ulrich Seidl’s "Paradies Trilogie".

2011 ist ein gemeinsamer Film mit dem Titel "Soldate Jeannette" entstanden. Es ist der erste Langspielfilm der von Daniel Hösl gegründeten "European Film Conspiracy", der noch im Sommer 2012 fertig gestellt werden soll.

Weiters waren 2011 zwei Filme in den österreichischen Kinos zu sehen, die ebenfalls bereits außerhalb der Filmakademie entstanden sind und für die Kerkletz als Kameramann gearbeitet hat:

"Empire Me - Der Staat bin ich", ein Dokumentarfilm von Paul Poet, im Kamerapool gemeinsam mit Enzo Brandner und Jerzy Palacz, sowie "Michael" von Markus Schleinzer, der seine Uraufführung 2011 im Wettbewerb von Cannes hatte.

Dokumentarfilm "Empire Me"

Paul Poets Dok-Film "Empire Me – Der Staat bin ich" handelt von Mikronationen, Öko-Villages und Sezessionisten, die sich am Rande der Globalisierung ihre eigenen kleinen Welten bauen und alternative Wege des Zusammenlebens suchen.

Für diesen Film hat Kerkletz in der dänischen Freistadt Christiania und auf Sealand, einer Seefestung knapp zehn Kilometer vor der Küste von Suffolk in England, gedreht.

Kommerzielle Projekte mit "Superplus"

Mit "Superplus", einem Regie-Duo, das als Creative Crew neben der Filmregie auch den Bereich Konzeption, Grafik Design und Postproduktion abdeckt, setzt Kerkletz vor allem kommerzielle Projekte als Kameramann um. Durch diese Zusammenarbeit konnte er auch Erfahrungen im Bereich des Werbefilms sammeln.

"Mich reizen die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen. Ich will mit feinen Menschen, spannende Geschichten umsetzen. Wenn das möglich ist, fühle ich mich beim Dokumentarfilm genauso zuhause wie im Spielfilm oder eben in der Werbung. Natürlich unterscheidet sich die Arbeitsweise in so unterschiedlichen Formaten sehr. Aber gerade das finde ich spannend", so Kerkletz.

Technische Grenzen ausgelotet

"Die für mich wichtigsten Arbeiten waren die frühen Kurzfilme an der Filmakademie, weil ich hier technische Grenzen der Kameraarbeit ausloten konnte wie zum Beispiel bei 'Dreynschlag' und 'Felix Ende'.

Mit Meises 'Daemonen', mit dem ich auch meinen Diplomfilm 'Stillleben' gemacht habe, komme ich wieder zu jenen Filmen aus meiner Filmakademiezeit, die mir so wichtig sind, weil es hier um das Verhältnis meiner Arbeit zum Ganzen geht. Und gerade die visuelle Zurückhaltung und Bescheidenheit der Kameraarbeit, zugunsten einer Projektbezogenen Arbeitsweise, haben sich als Gewinn für die Gesamtqualität erwiesen", so der junge Kameramann.

Kunstfilm – Filmkunst

Abseits des klassischen Kinos hat Gerald Kerkletz auch mit bildenden Künstlern zusammengearbeitet. Entstanden sind dabei Arbeiten mit der Künstlerin Magda Tothova und dem Fotografen Daniel Sannwald.

In Magda Tothovas Videoarbeit "ELE" wird von der Begegnung zweier Figuren in einem undefinierten Raum erzählt. Zwei ineinander geflochtene Monologe untermalen die Gegenüberstellung von einem konkreten und einem abstrakten sozialen und architektonischen Raum. Dabei werden Vergleiche zwischen einem herrschenden, hierarchischen Gesellschaftssystem und einem post-apokalyptischen Szenario gezogen.

"The Absence of Anything" von Daniel Sannwald erzählt in mehreren Kapiteln in einer abstrakten, kaleidoskopischen Form die Geschichte von zwei jungen Männern. Sie begeben sich auf eine Reise weit außerhalb der Grenzen von Zeit und Raum um die Unvergänglichkeit zu finden.

Sannwalds "Absence of Anything", entstanden im Rahmen des Artist-in-Residence-Programms, wird am 10. August 2012 im MQ Premiere haben.

Projekte, an denen man wächst

Wie lauten die Zukunftswünsche des erfolgreichen Nachwuchs-Filmers?

"Mein größter Wunsch ist es, weiterhin Filme machen zu dürfen. Es geht darum, Geschichten zu erzählen, gleichgültig, ob es nun kleine oder große sind, und die richtigen Bilder für die jeweilige Geschichte zu finden. Vor allem aber möchte ich Projekte realisieren dürfen, an denen ich wachsen kann", so Gerald Kerkletz.

Service

E-Mail - Gerald Kerkletz

Wiener Filmakademie
Gerald Kerkletz
Austrian Film Commission - "März": Interview mit Händl Klaus & Gerald Kerkletz
Hoanzl - Der Österreichische Film / Edition Der Standard: "März"
Literaturverlag Droschl - Händl Klaus, Stücke
tv.ORF.at – Gangster Girls
tv.ORF.at - Tschuschen:Power
Wikipedia - Freistadt Christiania
Wikipedia - Sealand
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Diagonale
Die Presse - "Max Ophüls Preis" für Markus Schleinzer mit "Michael"
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