Mit Konzerten, Vorträgen und Musiktheater

Bernhard Lang bei Wien Modern

Nach internationalen Erfolgen widmet ihm das Wien-Modern-Festival heuer einen Schwerpunkt: der Oberösterreicher Bernhard Lang. In diesem Rahmen wird auch "I hate Mozart" uraufgeführt. Ö1 "Zeit-Ton" berichtet über den Komponisten und das Festival.

Beinahe zehn Jahre arbeitete Bernhard Lang mit seinem Werkzyklus "Differenz und Wiederholung" an dem Erstellen einer umfassenden "Loop-Grammatik". Nach internationalen Erfolgen mit orchestralen Großwerken widmete das Wien-Modern-Festival dem Komponisten und Musiker 2006 einen Schwerpunkt.

Unter anderem wurde auch Langs drittes Musiktheater "I hate Mozart", in Auftrag gegeben vom Wiener Mozartjahr 2006, am Mittwoch, 8. November 2006, im Theater an der Wien uraufgeführt.

Differenz/Wiederholung

Lange Zeit schien es, als sei das Arbeiten mit der Wiederholung in der Neuen Musik den Minimalisten vorbehalten. Außerhalb des Minimalismus galt eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Wiederholung, insbesondere im Kontext Adorno'scher Ästhetik, als verpönt. Bernhard Lang hat sie ins Zentrum seiner Arbeit gestellt - inspiriert durch die Filme von Martin Arnold und durch die Lektüre von Gilles Deleuzes.

Nahezu zehn Jahre arbeitete der Komponist und Musiker mit seinem Werkzyklus "Differenz/Wiederholung", kurz "DW", an dem Erstellen einer umfassenden "Loop-Grammatik" und verweist damit nicht nur direkt auf Deleuzes' gleichnamiges zentrales Werk, sondern auch auf den Umstand, dass sich diese beiden Begriffe letztendlich in ihrer sich wechselseitig bedingenden Verschränkung auflösen. Genau dieses Moment der Verschränkung ist es, aus dem heraus die Musik Langs entsteht, die dadurch zu einem Angelpunkt sowohl für ästhetische, als auch für gesellschaftspolitische Fragen wird.

Der Reiz des Asymmetrischen

Am Beginn stand ein phänomenologisches Forschen. Bernhard Lang entwickelte eine Methode, mit deren Hilfe er die Filme von Martin Arnold transkribierte, um die darin vorkommenden Loop-Sequenzen anschließend studieren, beschreiben und typologisieren zu können.

In einem zweiten Schritt versuchte er im Kompositionsvorgang Musik-Samples, dieser Typologie folgend, zu prozessieren. Dabei entdeckte Lang den "ästhetischen Reiz des Asymmetrischen", nicht zuletzt auch angeregt durch die Arbeit von DJs und Turntablisten, die im Scratch-Vorgang bewusst mit dem linearen, narrativen Prinzip brechen, das dem Medium Schallplatte zu Grunde liegt.

Klangalchemie

Ganz besonders beeindruckte den Komponisten diesbezüglich die Arbeit von Philip Jeck, dessen Musik er ebenfalls transkribierte, was schließlich 1997 zur Komposition von "DW 1", dem ersten Stück der bereits über 20 Kompositionen umfassenden Serie "Differenz/Wiederholung", führen sollte.

Mittlerweile taucht Jeck in Langs Werkzyklus auch aktiv als Musiker auf. Etwa um eine extra für ihn auf Schallplatten gepresste Aufnahme von "DW 1.2" in einem Live-Konzert erneut zu mischen, welches dann von Lang wieder transkribiert und in der nächsten Komposition fortgesponnen wird. Eigentlich sei es wie in der Alchemie, meint Lang, in der man ebenfalls laufend Dinge trennt, zusammenfügt und wieder trennt, um so Schritt für Schritt die Substanz immer mehr zu verfeinern.

Looping-Tom

Um auch Echtzeit-Sampling in die Aufführungssituation integrieren zu können, hat sich Bernhard Lang "Looping Tom" geschaffen, ein in Zusammenarbeit mit Thomas Musil entwickeltes Computerprogramm, das die Aufnahme und unmittelbare Wiedergabe einer Klangsequenz ermöglicht, die dabei auch verändert werden kann.

Wiederholungsmaschine Orchester

In den letzten Stücken hat die Rolle des Computerprogramms "Looping Tom" aber immer mehr das reale, live spielende Sinfonieorchester übernommen, das Lang in vielerlei Hinsicht für ein spannendes Instrument hält.

Mit ihm ließen sich etwa hervorragend Massenprozesse inszenieren, die ebenfalls einen wichtigen Aspekt des Themas Wiederholung darstellen, insbesondere wenn man an die manipulative Funktion der Wiederholung in Gesellschaft und Politik denkt, an die grausame Macht der Wiederholung, wie es Deleuze formulierte. Bernhard Lang möchte seine Arbeit mit der Wiederholung auch als eine Kritik an der Wiederholung, allem voran an der affirmativen Wirkung, die Wiederholung zu entfalten vermag, verstanden wissen.

Wiederholungsmaschine Musiktheater

Ein unmissverständliches Statement setzte der Komponist in dieser Hinsicht mit seinem ersten Musiktheater "Theater der Wiederholungen", mit dem sich Lang vom klassischen Repräsentationstheater bestimmt abwandte, um stattdessen die inhärente Logik der Wiederholungsmaschinerie hör- und sichtbar zu machen.

Das "Theater der Wiederholungen" ist ein eindringliches Schauspiel von in ihren sich noch und nochmals wiederholenden Gesten gefangenen Musikerinnen und Musiker, basierend auf Texten von u. a. De Sade und Huysmans zur Verherrlichung des Naturrechts, und aus den Protokollen der Nürnberger Prozesse, die ihrerseits den eben oftmals grausamen Kreislauf der Geschichte exemplarisch skizzieren. Seine "Loop-Grammatik" hat Lang hier bereits mehr wie eine Maschine verwendet, ähnlich jener, mit Hilfe derer die Entwicklerinnen und Entwickler von Computerspielen ihre virtuellen Welten entwerfen.

I hate Mozart

Die "Loop-Grammatik" als Maschine gelang auch wieder bei "I hate Mozart" zum Einsatz. Die damit generierte Welt entlarvt hier schonungslos und mit viel Humor den Betrieb hinter der Repräsentation. Gemeinsam mit Michael Sturminger, der neben der Idee auch für Regie und Text verantwortlich zeichnete, hatte Bernhard Lang die Bühnensituation im Theater an der Wien invertiert. Das Publikum wurde zum Voyeur eines imaginierten Probenalltags, im Vorfeld zur Aufführung einer neuen Mozart-Oper.

Im Tanz der Schleifen hin- und hergebeutelt werden dabei ein ehrgeiziger Dirigent, seine Frau, sein Agent, die Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musik, Kritikerinnen und Kritiker, Intendantinnen und Intendanten sowie Politikerinnen und Politiker, mit denen der Dirigent arbeitet. Zusehends verstricken sie sich in einen Reigen der Macht, der Eifersucht und des Scheiterns, der nicht und nicht zum dicken Ende führen will.

Wiederholungsmaschine Mozart

Auf die Wiederholungsmaschinerie angesprochen, die hinter dem Betrieb Mozartjahr steckt, meinte Bernhard Lang im vergangenen Jahr:

"Der eigentliche Hänger in der Platte läuft jetzt auch schon seit mehr oder weniger 60 Jahren. Im 18. Jahrhundert sind in Deutschland an die 1.000 Opern im Jahr geschrieben worden. Das passiert ja nicht mehr. Man wiederholt ein Repertoire, das jetzt wirklich 100, 200, 300 Jahre alt ist - und das immer in der Schleife. Interessant ist zu beobachten, was mit der Musik dabei passiert und mit den Menschen, die diese Musik reproduzieren."

Links
Bernhard Lang
mica - Interview Bernhard Lang
Theater an der Wien - I hate Mozart
Wien Modern