Sprachenpolitik in der Zweiten Republik

Ist Österreich ein deutsches Land?

Die Sprachwissenschaftler Ruth Wodak und Rudolf de Cilia beschäftigen sich immer wieder mit der gesellschaftlichen Funktion, die die Sprache einnimmt. In ihrem neuen Buch geht es um Sprachenpolitik und Identität in der Zweiten Republik.

Sprachenpolitik, meinen Ruth Wodak und Rudolf de Cilia, ist - wie die Politik - konfliktanfällig und muss in ständiger Diskussion und Auseinandersetzung immer wieder neu geregelt werden. Sprachpolitik kann immerhin reglementieren, wenn man etwa an die derzeitige Diskussion über zweisprachige Ortstafeln in Kärnten denkt oder die inzwischen gängige geschlechterneutrale Schreibung vor Augen hat.

Bedenkliche Wortschöpfungen

Sprachenpolitik betrifft uns jederzeit und überall: Man denke nur an die Synchronisation eines Filmes in bundesdeutschem Deutsch, die Österreichern sauer aufstoßen kann, oder an Anglizismen, mit der die ältere Generation ihre Schwierigkeiten hat. Zudem werden bestimmte Sichtweisen mit ideologisch gefärbten Redewendungen oder Ausdrücken transportiert: Arbeitskräfte werden im 21. Jahrhundert nicht mehr entlassen, sondern freigesetzt, Menschen im Krieg können "Kollateralschäden" erleiden - ein Euphemismus, der verschleiert, dass es bei Kriegsschäden auch Verletzte oder Tote geben kann. Dieser Ausdruck wurde übrigens zum "Unwort des Jahres 1999" gewählt. Und nicht zuletzt hängt Politik dann eng mit der Sprache zusammen, wenn sie diese instrumentalisiert.

Die Sprachpolitik in Bezug auf Minderheiten ist eines der zentralen Themen des schmalen Bändchens. Einige Linguisten haben sich mit der Situation von autochthonen Minderheiten in der österreichisch-ungarischen Monarchie und der heutigen Republik beschäftigt. Das Ergebnis klingt wohl für viele überraschend, meint der Wiener Sprachwissenschaftler Rudolf de Cilia, denn unsere heutigen Gesetze zum Minderheitenschutz gehen auf die Zeit der Monarchie zurück.

Österreichisches Deutsch erhalten

Sprache macht Politik. Sie kann es zumindest versuchen. Im Lauf der letzten 60 Jahre - so beobachten Wissenschaftler - wurde die deutsche Sprache immer wichtiger für den Erhalt der Identität vieler Österreicher. Einen Grund dafür sieht Rudolf de Cilia in der zunehmenden Globalisierung und der europäischen Integration. So wird dem Englischen als einer immer dominanter werdenden Sprache in einer Art Gegenreaktion das Deutsche entgegengehalten. Außerdem, so der Sprachwissenschaftler, würde eine gezielte Sprachenpolitik für Minderheitensprachen in Österreich nicht existieren. In diesem Bereich orten die Linguisten ein bloßes Reagieren auf Konflikte anstatt eine offensive Sprachpolitik zu betreiben.

Bereiche wie der Fremdsprachenunterricht oder das Problemfeld Analphabetismus blieben aus Platzgründen ausgespart, dafür hielten sich Ruth Wodak und Rudolf de Cilia an zwei Vorgaben des Herausgebers: nämlich nicht mehr als 100 Seiten zu schreiben, die auch für Nicht-Linguisten gut lesbar sind. Ein sprach- und gesellschaftspolitisches Thema bietet sich da besonders an: die Sprachplanung des Österreichischen Deutsch, das inzwischen auch "EU-geregelt" existiert.

Breite Diskussion erwünscht

Der Band "Ist Österreich ein deutsches Land?" gehört zur Buchreihe "Österreich - Zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive" und stellt sich die Aufgabe, die Nachdenkarbeit anlässlich des Jubiläumsjahres 2005 zu reflektieren bzw. kritisch zu hinterfragen. Die Autorinnen und Autoren versuchen darin, diesem Anspruch jenseits bloßer Beschreibung gerecht zu werden. Sie möchten vielmehr das aufzeigen, was positiv hervorzuheben oder - im Gegenteil - nach wie vor nicht umgesetzt ist.

Ob ein Buch heute überhaupt zu breiten Diskussionen anzuregen vermag, bleibt dahingestellt. Dass es möglichst viele Leser findet, die einen solchen Prozess anregen können, das wäre wünschenswert.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Rudolf de Cilia, Ruth Wodak, "Ist Österreich ein deutsches Land? Sprachenpolitik und Identität in der Zweiten Republik", Studien Verlag 2006, ISBN 3706541807