Die russische Journalistin im Gespräch

Anna Politkowskaja

Tausende Menschen haben in Moskau der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja die letzte Ehre erwiesen. Bekannt wurde sie unter anderem durch die gegen das Putin-Regime gerichtete schonungslose Kritik am Tschetschenienkrieg.

Die Ausnahme-Reporterin über den Tschetschenien-Krieg

"Ich bin eine Persona non grata" - so definierte sich die russische Journalistin Anna Politkowskaja in einem ihrer letzten Interviews, bevor sie voriges Jahr vor ihrer Moskauer Wohnung ermordet wurde. Politkowskaja war eine Journalistin, die bis zuletzt aufrecht für Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Wahrheit eintrat.

Kernthema Tschetschenien

Unermüdlich schrieb die Journalistin gegen menschenverachtende Politik, gegen Politjustiz, gegen Korruption und Unterdrückung der Meinungsfreiheit an. Im Westen wurde sie dafür mit Ehrungen überhäuft. In Russland - ihrer Heimat - war sie jedoch massiven Drohungen ausgesetzt. Über ihr Arbeitsleid oder auch ihre Angst sprach sie nur ungern. Das sei eben Teil ihrer Arbeit, meinte sie.

Ihr Kernthema der letzten Jahre war der Tschetschenien-Krieg, ein Krieg, der von offizieller Seite in Moskau schon für beendet erklärt ist; ein Krieg, der aber noch immer täglich unschuldige Menschen tötet: "Ich bin davon überzeugt, dass der Tschetschenien-Krieg eine der größten Tragödien unseres Landes ist und alle Bereiche beeinflusst. Deshalb ist er auch noch immer aktuell", sagte Politkovskaja.

Kritik an Grosny und Moskau

Für die Opfer des Tschetschenien-Kriegs und deren Angehörigen war Politkovskaja meist die letzte Hoffnung, noch irgendwie Aufklärung zu erhalten. Den politisch Verantwortlichen ist solche Aufklärung bis heute ein Dorn im Auge.

Politkovskajas Kritik richtete sich zum einen gegen die von Moskau unterstützte Führung in Tschetschenien, konkret gegen Premier Ramsam Kadyrov, der - so die Journalistin - mit seinen Leuten das ganze Land terrorisiere. Auf der anderen Seite kritisierte sie Präsident Putin, der - wie sie sagte - das nicht nur geschehen lasse, sondern bewusst steuere.

Ramsam Kadyrow wird übrigens im Zusammenhang mit dem Mord an Anna Politkovskaja immer wieder als einer der möglichen Hintermänner genannt. Der tschetschenische Ministerpräsident bekräftigte inzwischen mehrmals, dass er nichts mit dem Mordanschlag zu tun habe. "Eine Frau ist heilig", sagte Kadyrow kürzlich im russischen Fernsehsender NTV: "Ich denke, dass die Verantwortlichen für den Mord an Anna Politkowskaja mich in ein dunkles Licht setzen wollten."

Der Westen als kugelsichere Weste

In ihren Artikeln und Vorträgen prangerte sie vor allem auch konsequent die Politjustiz in ihrem Land an. Putin und die Präsidentenadministration mache aus Russland ein zaristisches Land, betonte Politkovskaja. Der Westen würde sich nicht um Russland und die Menschen dort kümmern, zu sehr seien die westlichen Regierungen an Öl und Gas aus Russland interessiert. "Der Westen hat uns für das Öl verkauft", unterstrich sie auch im ORF-Interview.

So sehr sie auch von den westlichen Regierungen enttäuscht war, so sehr glaubte sie bis zuletzt, dass ihre Bekanntheit im Westen ihr Sicherheit in Russland biete: "Dass der Westen so hinter mir steht, das ist wie eine kugelsichere Weste."

Diese Weste war aber nicht sicher genug: Am 7. Oktober 1006 wurde Anna Politkovskaja vor ihrer Wohnung erschossen. Die weltweite Aufregung über ihre Ermordung ist enorm. Westliche Politiker haben denn auch eine rasche Aufklärung von Präsident Putin gefordert. Der russische Staatschef hat diese auch versprochen, dieses Versprechen aber nicht gehalten.

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Diagonal, Samstag, 23. Juni 2007, 17:05 Uhr

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