Schreiben und lesen in Finnland

Land der Märchen und Krimis

Dass die Finnen gerne lesen, weiß man seit den diversen PISA-Studien. Dass sie auch sehr gut schreiben, entdeckt man bei uns nach und nach. Kinder wissen es schon lange: die Mumins, nilpferdähnliche Trolle, hat eine Finnin erfunden.

Zeig mir, wie Du wohnst, und ich sage Dir, wer Du bist - ein Satz, mit dessen Hilfe eine Legion von Psychologen und diverse Life-Style-Zeitungen sehr gut leben können. Finnische Wohnungen sind hingegen auch schon von Hobby-Psychologen deutbar: Dort sind alle Möbel, auch der Fernseher, um das Bücherregal platziert.

Die Übersetzung: Lesen hat in Finnland einen hohen Stellenwert. Weshalb der typische finnische Morgen denn auch ohne Morgenzeitung samt obligatem Kaffee verpatzt ist. Außerdem gelten Bibliotheken in Finnland als Kulturzentren, und angeblich gibt es die Eheerlaubnis nur für Lesekundige.

Heimat der Mumins

Die finnischen Frauen lesen mehr als die Männer. Und: Auch bei den beruflich Schreibenden ist ein sehr großer Frauenanteil festzustellen. Die bekannteste schreibende Frau ist die Erfinderin der Mumins Tove Jansson. Sie gehörte zur schwedischsprachigen Minderheit, den Finnlandschweden, und war eigentlich Zeichnerin und Illustratorin. 1945 schrieb sie ihr erstes Mumin-Buch, und 1953 veröffentlichte sie ihren ersten Mumin-Comic.

Gegen die Kommerzialisierung ihrer Trolle hat sie sich lange gesträubt, aber sie konnte sie nicht aufhalten; mittlerweile gibt es nicht nur Mumin-Kinderbücher, Mumin-Hörbücher und Mumin-Kinderfilme, sondern auch die Mumin-World, einen Freizeitpark im finnischen Naantali. Und ein Mumintal gibt es auch: ein Museum in Tampere, das ganz den Mumins und ihrer Schöpferin gewidmet ist.

Suche nach dem Autor

Wunderbare Kinderbücher schreibt auch Marialeena Lembcke. Eine ganz leise und berührende Geschichte ist "Mein finnischer Großvater", in der sie von Juho und seiner vierjährigen Enkelin erzählt. Ganz anders, witzig und fröhlich, ist "Ein Märchen ist ein Märchen ist ein Märchen": Was ist geschehen, wenn im Märchenschloss plötzlich nichts mehr geht und sich niemand mehr bewegen kann? Klar: Der Schriftsteller hat aufgehört zu schreiben. Und was ist dagegen zu tun? Die Märchenfiguren machen sich auf die Suche nach ihrem Autor, der sich irgendwo verkrümelt hat.

Schreibhemmung ist auch der Ausgangspunkt des Romans "Die Geschichte meiner Familie" von Jari Tervo, der in Finnland vor allem als Quizmaster und bissiger Fernsehkommentator bekannt war. Als sich der Ich-Erzähler auf den Wunsch seines Verlegers einlässt, und die Biografie eines Massenmörders niederschreibt, gerät alles durcheinander, die Familiengeschichte verknüpft sich unauflösbar mit dem Mörderleben und die leichtfüßig geplante Erinnerung wird zu einem handfesten Kriminalroman.

Finnische Kommissare

Überhaupt: finnische Krimis sind "in". Die beliebteste finnische Kommissarin heißt Maria Kallio, ist rothaarig, klein und tough und wurde von Leena Lehtolainen erfunden. 1993 erschien ihr erster Fall "Alle singen im Chor", 1997 erhielt sie für die Maria-Kallio-Romane den finnischen Krimipreis, und mittlerweile gibt es sie auf Deutsch und Spanisch und auch auf Mandarin-Chinesisch.

Großen Lesegenuss bieten auch die fein gesponnenen Geschichten der Leena Lander, die eigentlich ganz normale Romane sind, aber durch die kriminelle Energie ihrer Figuren die Genregrenzen sprengen.

Humor in allen Varianten

Eine wichtige Zutat unterscheidet finnische Literatur von anderer: der Humor in allen Varianten. Ein wahrer Meister der genauen Beobachtung und des bissigen, schwarzen Humors ist Arto Paasilinna, der in Finnland erst über seine Veröffentlichungen in Frankreich (!) berühmt geworden ist. Heute sagt man: ein Herbst ohne ein neues Buch von Paasilinna? Da fehlt etwas!

Oder M. A. Numminen, das Multitalent, das bei uns durch seine obskuren finnischen Tangos bekannt wurde. Numminen hat aber viel mehr drauf als Tangos, wie ein Blick auf seine Website zeigt.

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipps
Marialeena Lembcke, "Ein Märchen ist ein Märchen ist ein Märchen", NP Verlag, ISBN 38523262856

Jari Tervo, "Die Geschichte meiner Familie", aus dem Finnischen übersetzt von Stefan Moser, List Verlag, ISBN 3548680437

Leena Lehtolainen, "Wie man sie zum Schweigen bringt. Maria Kallios sechster Fall", aus dem Finnischen übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara, Rowohlt Verlag, ISBN: 3499238292

Leena Lander, "Die Insel der schwarzen Schmetterlinge", aus dem Finnischen übersetzt von Angela Plöger, btb Verlag, ISBN 3442750199

Arto Paasilinna, "Das Jahr des Hasen", aus dem Finnischen übersetzt von Regine Pirschel, Lübbe Taschenbücher, ISBN 3404920309

Links
Die Mumins
Das Mumintal
M. A. Numminen