Ein skurriler Außenseiter

Fritz von Herzmanovsky-Orlando

Skurril lautet das Schlagwort, unter dem Herzmanovsky in den Literaturlexika zu finden ist. Skurril kommt von "scurra", das so viel wie Hanswurst, Gaukler, Harlekin bedeutet. Diese Figuren spielen auch im Werk Herzmanovsky-Orlandos eine zentrale Rolle.

Um Fritz von Herzmanovsky-Orlando ranken sich zahlreiche Anekdoten, und er selbst machte sich zum Mythos. Bei genauerer Betrachtung nimmt sich sein Lebenslauf doch recht bescheiden aus. Er wird Ende April 1877 in Wien geboren, besucht die Theresianische Akademie, studiert Architektur, übt diesen Beruf später, wenn auch nicht besonders intensiv, aus.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs begann er zu schreiben und bemühte sich, dass seine Texte erschienen. Erfolgreich war er dabei aber nicht, im Gegensatz zu seinem Freund Alfred Kubin, in dessen Roman "Die andere Seite" der Held die Traumstadt Perle bereist. Dieses Werk phantastischer Literatur ist Herzmanovsky-Orlando gewidmet.

Das Leben des Beamten Jaromir

Herzmanovsky-Orlandos Hauptwerk besteht aus drei Romanen, der "Österreich-Trilogie": "Der Gaulschreck im Rosennetz", "Rout am fliegenden Holländer" und "Das Maskenspiel der Genien". Sie sind beste Zeugnisse der Existenz des Habsburger-Mythos in der österreichischen Literatur. Herzmanovsky-Orlando ist zwar kein Anhänger der Monarchie, liebt sie aber auch andererseits und stellt sie satirisch dar.

"Der Gaulschreck" ist der am besten und schlüssigsten gebaute Roman. Er berichtet von dem Beamten Jaromir von Einhuf und seinem phantastischen Lebensziel, Kaiser Franz I. zu seinem 25-jährigen Regierungsjubiläum die Zahl 25 aus Milchzähnen geformt zu überreichen. Auf der Suche nach dem Milchzahn der Sängerin Höllenteufel verliebt er sich in sie. Verkleidet als Falter in den Apollosälen, treibt ihn ein Windstoß auf die Gumpendorfer Straße, wo er als Beamter mit Schmetterlingsflügeln, die Pferde aufschreckt im Netz der Liebe, daher auch der Titel. Herzmanovsky-Orlando verstört und verunsichert seine Leser mit dieser komischen Handlung.

Die Engländer sind schuld

Im zweiten Roman, dem "Holländer", geht es um kulturhistorische Details, um ein Inselriff in der Adria. Ging es zuvor um den österreichischen Biedermeier, wird hier die österreichisch-ungarische Monarchie parodiert. Die Handlung dreht sich um den Untergang der Monarchie durch einen historischen Irrtum. In Herzmanovsky-Orlandos Geschichtsdarstellung findet immer eine Korrektur der offiziellen Geschichtsschreibung statt. Die Engländer suchen den fliegenden Holländer und halten ein Schiff für ihn. Aus diesem Irrtum heraus beginnt dann der Krieg.

Auf in die Tarockei!

Der dritte Teil, "Das Maskenspiel der Genien", ist eigentlich ein utopischer Roman, der 1966 spielt, in dem noch zu erfindenden Königreich "Tarockei". Die Könige werden auf Grund von Ähnlichkeiten der Könige im Tarockspiel gewählt.

Herzmanovsky-Orlando stattet seine Texte immer mit antiken Grundmustern aus. Der Protagonist, der in Sticksenstein - erinnert an den antiken Unterweltfluss Styx - geboren wurde, verlässt seine Heimat, fährt in die Tarockei und erlebt skurrile Abenteuer. Hier spielt auch das Androgyne eine Rolle, die Zweideutigkeit der Geschlechter, das noch ein weites Feld für die Genderforschung bereithält. Diese Bilder riefen eine sittliche Entrüstung hervor.

Der Protagonist ist eine moderne Figuration des Akteon, dem Held aus den Metamorphosen Ovids, der unschuldig von der Göttin Artemis in einen Hirschen verwandelt wird und von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird. Herzmanovsky-Orlando greift immer wieder die Thematik von der Präsenz der Antike in der Gegenwart auf und treibt somit sein mythologisches Spiel mit der Realität.

Die Kunst des Fragments

Herzmanovsky-Orlando war auch Dramatiker, zum Beispiel mit dem Stück "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter", das 1957 von Friedrich Torberg auf die Bühne gebracht wurde und mit Josef Meinrad als Kaiser äußerst erfolgreich lief.

Herzmanovsky-Orlandos Metier ist es nicht, die Stringenz einer dramatischen Handlung durchzuziehen, vielmehr arbeitet er mit Elementen der Commedia dell'Arte und autonomen Szenen. Er hat keinen Roman zu Ende geschrieben, auch seine Stücke nicht, sie sind sketchartig. Das Fragment ist Herzmanovsky-Orlandos Äußerungsform, die heute anerkannt ist, und erinnert an die Absurde Prosa eines H. C. Artmanns. So lautet ein Ballett-Schlussbild:

Ein papierener Blitz kommt und sucht herum, den nicht zu vertreibenden Tenor am Schluss zu erschlagen.

Ein anderes Dramenende:

Der Bösewicht bleibt über, sonst Leichen. Ein Schuss fällt zur allgemeinen Befriedigung aus dem Souffleurkasten.

Der Sinn im Unsinn

Herzmanovsky-Orlando nimmt Elemente des Absurden Theaters erfolgreich vorweg, doch sind diese Perlen in Herzmanovsky-Orlandos Werk verstreut. Er setzte gegen einen allzu überstrapazierten Sinn seinen Unsinn. Unsinn bestimme die Welt in viel größerem Ausmaß als der Sinn. Der Spaßvogel Herzmanovsky-Orlando sagte aber auch: "Betrachtet den Unsinn, damit ihr auch den Sinn erkennen könnt."

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