Wie sich Kellner zur Wehr setzen

Kellner und Gast

"Der Gast ist König" heißt ein altes Sprichwort. Was aber erwartet das Servierpersonal vom Gast? Während sich der Gast durch Trinkgeldentzug gegen unbotmäßige Kellner zur Wehr setzen kann, bleibt denen nur das Prinzip der verschärften Höflichkeit.

Robert Böck über lästige Gäste

Die letzten Jahre war der "Herr Robert", wie ihn seine Gäste nannten, Oberkellner in einem renommierten Wiener Kaffeehaus. Jetzt, als Pensionist, ist Robert Böck kritischer als viele Gäste: "Das meiste Servierpersonal heutzutage ist angelernt. Die können nicht einmal zwei Tassen auf einmal tragen, kein Format, nichts".

An Format fehle es aber auch manchen Gästen, meint Böck: "Es gibt Gäste, die muss man richtiggehend zügeln - die kommen rein, schreien einem im Befehlston zu, was sie haben wollen, und dann muss alles zack-zack gehen!"

Verschärfte Höflichkeit

Manche Unsitten halten sich besonders hartnäckig, etwa das Schnipsen mit den Fingern, wenn man das Servierpersonal auf sich aufmerksam machen möchte. "Das ist doch eine Frechheit", sagt Böck, "aber die Leute gibt's, die glauben, mit einem so umspringen zu können."

Gerade Stammgäste meinen, sich mehr herausnehmen zu dürfen als die Laufkundschaft. Aber, meint Robert Böck, jeder Gast sei lernfähig: "Wer mit den Fingern schnipst und dann bewusst übersehen wird, lernt schnell, dass er damit nicht weit kommt." Bei kleineren Konflikten helfe es, nach dem Prinzip der verschärften Höflichkeit zu verfahren. Zu den härteren Maßnahmen zählt, das Trinkgeld zu verweigern.

Gast-Kritik statt Gastro-Kritik

"Jede lesenswerte Zeitung druckt heute eine Gastro-Kritik, aber wo bleibt die Gast-Kritik?" fragte die Schweizer Weltwoche und bat Kellner, ein Sündenregister ihrer Gäste zu erstellen. An erster Stelle rangierte die Unsitte, Kaugummi oder Eiswürfel im Aschenbecher zu deponieren.

Unbeliebt sind auch buchhalterisch interessierte Gruppen, in denen jeder Gast auf separates Zahlen besteht. Weiters unter den Fettnäpfchen: mageres Trinkgeld, vom Stuhl baumelnde Taschen, die den Weg versperren, und Gäste, die sich ausgerechnet an den einzigen noch nicht abgeräumten Tisch setzen.

Selbsthilfe auf amerikanisch

In den USA behelfen sich Kellnerinnen und Kellner mit eigenen Websites, in denen die Servicemitarbeiter über ihre einschlägigen Erfahrungen mit Gästen berichten. So veröffentlicht die Website http://www.stainedapron.com (The Stained Apron, zu Deutsch: die schmutzige Schürze) regelmäßig eine Liste mit Persönlichkeiten, die durch Großzügigkeit oder Kleinlichkeit beim Trinkgeldgeben auffallen.

Ein "Tip" von 15 bis 20 Prozent gilt in den Vereinigten Staaten als Minimum, weil es Bestandteil des Kellner-Lohns ist. Auf der Seite der knausrigen Trinkgeldgeber finden sich die Schauspieler Ethan Hawke und Dan Quayle, während die Berufskollegen Johnny Depp und Robert De Niro zu den großzügigen "Tippern" zählen.

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Moment, Freitag, 21. Juli 2006, 17:09 Uhr

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The Stained Apron