Alternativer Energielieferant

Benzin aus Stroh

Seit es seine Funktion als Einstreu in den Ställen weitgehend verloren hat, ist Stroh zu einem ungeliebten weil voluminösen Abfall geworden. Jetzt machen Karlsruher Chemiker, aus dem im Überfluss vorhandenem Rohmaterial, Benzin und Diesel.

Im Forschungszentrum Karlsruhe entsteht derzeit eine 25 Millionen teure Pilotanlage, die aus Stroh hochwertige Kraftstoffe herstellen wird.

Das Rohmaterial Stroh ist im Gegensatz zum Erdöl im Überfluss vorhanden, und es wächst ständig nach. Ein weiterer Vorteil: es ist klimaneutral, weil es nur jenes Kohlendioxid an die Atmosphäre abgibt, das es beim Wachsen aufgenommen hat.

Rascher Erhitzen und rasches Abkühlen

Ein Kilo Stroh enthält etwa zwanzigmal weniger Energie als ein Liter Erdöl. Deshalb muss es in einer ersten Stufe verdichtet werden. Durch sehr rasches Erhitzen auf etwa 500 Grad (Pyrolyse) und ebenso rasches Abkühlen entstehen Pyrolyseöl und Pyrolysekoks.

Diese konzentrierte Mischung aus festen und flüssigen Anteilen enthält so soviel Energie wie Kohle. Eckard Dinjus, der Leiter des Projektes namens BIOLIQ am Forschungszentrum Karlsruhe, kann sich vorstellen, dass diese erste Energieverdichtung in der Region passiert, bevor das Gemisch zu zentralen Raffinerien geschickt wird.

Der zweite Schritt: Synthesegas

Im zweiten Schritt entsteht in einer Anlage, wie sie jetzt im Forschungszentrum Karlsruhe gebaut wird, ein hochwertiges Synthesegas.

Aus diesem Gas lassen sich mit bekannten Methoden Chemikalien oder hochwertige Kraftstoffe herstellen, Benzin genauso wie Diesel - mit dem großen Vorteil: es sind grüne Kraftstoffe. Sie emittieren keinen Schwefel und wenig Russ.

Erste Interessenten

Die Auto-Industrie interessiert sich bereits für die synthetischen Bio-Treibstoffe; schließlich machen sie es möglich, ständig steigende Umweltauflagen einzuhalten.

Darüber hinaus lässt sich das Stroh-Öl auch in bestehenden Blockheizkraftwerken verbrennen und daraus Strom bzw. Wärme gewinnen.

Nicht nur auf Stroh beschränkt

Das Bioliq-Verfahren ist nicht auf Stroh beschränkt. Man kann damit so gut wie alle biogenen Abfälle verwerten und vergasen - vom Holz über Pflanzen bis hin zu Getreide - alles, was relativ trocken und zerkleinerbar ist. In Deutschland fallen zum Beispiel 80 Millionen Tonnen organische Trockenmasse an - damit ließen sich 450 Liter Heizöl pro Person und Jahr ersetzen.

Erst im Mai hat die Bundesrepublik mit China ein Lizenz-Abkommen geschlossen. Es erlaubt der Volksrepublik, eine eigene Anlage für die Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen aus Biomasse aufzubauen.

Das Verfahren würde sich auch für andere Regionen eignen. Vor allem Entwicklungsländer könnten ihren gesamten Treibstoffbedarf mit dem Bioliq-Verfahren decken, westliche Länder immerhin zu 20 Prozent.

Alternative zur Erdöl-Chemie

Angesichts steigender Erdöl- und Erdgaspreise ist das Synthesegas, wie es von Bioliq erzeugt wird, auf den ersten Blick vor allem für die Treibstoff-Hersteller interessant.

Eckard Dinjus sieht das Verfahren aber als Zukunftsprojekt für die gesamte chemische Industrie, um sich langsam von der dominierenden Erdöl-Chemie zu verabschieden und einen neuen hochwertigen Rohstoff anzubieten. Denn das Synthesegas kann nicht nur zu Treibstoffen, sondern auch zu klassischen Erdöl-Chemieprodukten umgebaut werden, etwa zu Kunststoffen.

Ob sich der Biomasse-Treibstoff auf den Straßen durchsetzt, wird natürlich auch vom Preis entschieden. Derzeit kostet ein Liter synthetischer Bio-Treibstoff in der Herstellung um die 80 Cent - nicht viel, wenn man bedenkt, dass er bei der großtechnischen Herstellung noch deutlich billiger werden dürfte.

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Dimensionen, Freitag, 14. Juli 2006, 19:05 Uhr

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Forschungszentrum Karlsruhe