Die surreale Suche nach Liebe
Hinter dem Schlaf
Die Liebe ist das zentrale Motiv von Antje Wagners Romans, die Liebe, die man sucht und findet, wieder verliert oder vergisst und doch immer wieder aufs Neue ersehnt. Die Autorin lässt eine verzauberte Welt entstehen, zwischen Realität und Surrealität.
8. April 2017, 21:58
Protagonist Patrick wird von seiner Frau Marit vor die Tür gesetzt und bricht Hals über Kopf nach Hamburg auf - wo er freilich niemals ankommt. Denn plötzlich findet er sich in einer seltsamen Gegend wieder. Die Orte tragen Namen wie "Mit Ruhe in Gräsern" oder "Unter den Wassern und entgegen", und als er bei einem Haus anhält, um Zuflucht vor der Kälte zu finden, scheint ihn die Bewohnerin Anne schon lang zu kennen. Merkwürdig nur, dass sie ihn immer Pierre nennt und von ihm erwartet, sich an eine gemeinsame Vergangenheit zu erinnern, dass sie tagsüber verschwindet und den Schneekönig sucht, einen Vogel, der unter dem Eis schläft, und dass es Patrick allein unmöglich ist, das Haus zu verlassen. Es ist ein surreales Umfeld, das Antje Wagner kreiert hat.
Durch die Landkarte
So rätselhaft wie es begonnen hat, geht es weiter: Als Patrick nach einigen Wochen beschließt, mit Anne in seine vertraute Umgebung zurückzukehren, findet er sich plötzlich an einer Tankstelle wieder - allein. Auf der Suche nach Anne stößt er auf die Forscherin Lena, von der er in Annes Haus bereits gelesen hat und die Anne zu sein scheint, aber die sich nun ihrerseits nicht an ihre Begegnung erinnern kann.
Antje Wagner erschafft eine märchenhafte und geheimnisvolle Atmosphäre - eine Doppelwelt, in der scheinbar alles möglich ist, ein Land irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Man müsse durch die Landkarte hindurch, um es zu finden, erklärt Anne dem verblüfften Patrick, wobei die Vorstellungskraft eine entscheidende Rolle spiele.
Sie sagte: "Durch die Karte fahren ist schwierig. Dabei dauert es nur einen einzigen Moment. Aber Sie können sich dagegen sträuben. Sie können aus Leibeskräften zweifeln. Nur einen Moment lang. Aber dann..." Ihre Stimme wurde porös. "...würden wir sterben." Sie fuhr so schnell, dass sein Kopf dröhnte. "Das ist der Unterschied zwischen der Landkarte und der realen Landschaft. Es gibt keinen. Beide kann man falten. Doch man kann sich das nur einen winzigen Moment lang vorstellen. - Auf den müssen wir warten.
Sanfte Phantasie
Phantasie ist der Stoff, aus dem Antje Wagners Roman gemacht ist, eine sanfte und zauberhafte Phantasie, die aber nie den Bezug zur Realität verliert - denn für die Autorin ist ihr Land hinter der Karte alles andere als reine Fiktion:
"Das Buch ist für mich gar nicht reine Phantasie, was bei mir immer ist, die Handlungen und Figuren sind meinetwegen erfunden, aber die Ideen und die - ja, auch Visionen, die da vielleicht drinnen sind, das ist für mich ganz real und das lebe ich auch."
Scheinbare Surrealität
Die Liebe ist das zentrale Motiv des Romans, die Liebe, die man sucht und findet, wieder verliert oder vergisst und doch immer wieder aufs Neue ersehnt. Antje Wagners Liebesgeschichte ist nicht traurig oder düster, und gerade ihre scheinbare Surrealität macht den eigentlichen Zauber des Buches aus. Antje Wagner bleibt ihrem eigenen Anspruch treu: Mit "Hinter dem Schlaf" hat sie eine verzauberte Welt erschaffen, in die einzutauchen in jeder Hinsicht ein Genuss ist, und in der jeder Leser seine eigene Phantasie spielen lassen kann.
Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Download-Tipp
Ö1 Club-DownloadabonenntInnen können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Buch-Tipp
Antje Wagner, "Hinter dem Schlaf", Kiepenheuer & Witsch Verlag, ISBN 3462036130