Nachzügler auf dem Weg nach Europa

Albanien vor dem Aufschwung

Albanien steht am Beginn eines Aufschwungs, den viele ehemals kommunistische Länder vor mehr als 10 Jahren begonnen haben. Noch fließt wenig ausländisches Geld ins Land, das noch immer unter einem schlechten Image leidet. Zu unrecht, wie viele meinen.

Der Aufschwung in Albanien zeigt sich am deutlichsten an den unzähligen Baustellen, die die Straßen in Tirana säumen. Am Bauboom lässt sich gut verdienen, das hat die Vorarlberger Baustoffirma Röfix früh erkannt. Geschäftsführer Franz Rozmann: "In den letzten Jahren ist Albanien kaum gewachsen, jetzt sieht man eine richtige Explosion in diese Richtung."

Die Folgen der Isolation

Die rund drei Millionen Albaner zählen immer noch zu den ärmsten in Europa. Der Durchschnittslohn in Albanien beträgt rund 220 Euro im Monat. Das pro Kopf-Einkommen liegt etwa ein Drittel unter dem vom ärmsten EU-Neuling Bulgarien.

Die Armut hat ihren Ursprung im kommunistischen Regime unter dem Dikator Enver Hodscha, der das Land Jahrzehnte lang völlig isolierte. Nach dem Ende des Kommunismus, Anfang der 1990er Jahre, verdiente ein Albaner im Schnitt 500 Euro im Jahr. Außer Landwirtschaft und einer desolaten Industrie gab es nichts.

Während andere ehemals kommunistische Länder durch Reformen aufholten, wurde Albanien 1997 vom Skandal um das so genannte Pyramidenspiel in seiner Entwicklung wieder zurück geworfen. Es war ein betrügerisches Finanzanlagesystem, in dem viele Albaner ihre gesamten Ersparnisse verloren.

Chronischer Kapitalmangel

Albanien braucht auch heute noch dringend Geld. Aber ausländische Investoren gibt es noch wenige. 2006 beliefen sich die Direktinvestitionen aus dem Ausland auf 82 Euro pro Kopf. Kroatien, zum Vergleich, hat 2006 639 Euro pro Kopf an Investitionen bekommen, und damit in nur einem Jahr so viel, wie Albanien insgesamt seit der Wende.

Die meisten ausländischen Investoren kommen aus Italien und Griechenland. Die albanische Regierung will hier eine zu große Abhängigkeit vermeiden und buhlt deshalb um Investoren aus Österreich.

Einer der ersten Österreicher die in Albanien investiert haben, war der Kärntner Hotelier Robert Rogner, der das erste Hotel in Tirana baute. Raiffeisen International übernahm 2004 eine albanische Bank, auch vertreten sind etwa Strabag und Uniqa.

Seit Raiffeisen International in Albanien ist, hat sich der Finanzmarkt verdreifacht, sagt Steven Grunerud, Raiffeisen-Chef in Tirana. Viele Albaner bekommen erst seit kurzem ihr Gehalt nicht mehr in Cash ausgehändigt und haben erstmals Bankkonten, viele nehmen zum ersten Mal Kredite und Hypotheken auf und können ihr Eigentum belehnen um Investitionen zu finanzieren.

Prekäre Wirtschaftsdaten

Die Albanische Wirtschaft wächst fünf bis sechs Prozent pro Jahr; dahinter steht vor allem die Bauwirtschaft, das Finanzwesen und der Konsum. Die Inflation ist kein Thema, sie liegt bei zweieinhalb Prozent.

Ein großes Problem ist die Arbeitslosigkeit, die inoffizielle Rate liegt bei 30 Prozent. Die Schattenwirtschaft wird auf 50 Prozent geschätzt, dem Staat fehlen die Steuereinnahmen. Auch das Handelsbilanzdefizit ist ein Problem, Albanien importiert vier Mal so viel wie es exportiert. Für Wachstum und Stabilität im Land sorgen in großem Maße die Überweisungen der 1 Million Albaner, die im Ausland leben. Mit dem Geld das sie nach Hause schicken, kurbeln sie den Konsum an und halten die Währung namens Lek stabil.

Albanien hat letztes Jahr auch ein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet. Die Regierung unter Premier Minister Berisha will außerdem die Rechtssicherheit verbessern, die Korruption eindämmen, die staatliche Administration verlässlicher machen, Privatisierungen vorantreiben und einen niedrigen, einheitlichen Steuersatz, eine so genannte Flat-Tax einführen.

Reibungslos funktioniert die Umsetzung der Reformvorhaben allerdings nicht.

Ungeklärte Eigentumsverhältnisse

Das zeigt sich besonders deutlich an den noch immer ungeklärten Eigentumsverhältnissen, ein großer Stolperstein für Investoren. Manche Grundstücke können nur gepachtet werden, bei anderen sind die Eigentümer nicht klar, oder die Einheiten sind zu klein. Das betrifft etwa den Hotelier Rogner. Er will eine Hotelanlage an der Südküste Albaniens bauen, gegenüber von der griechischen Insel Korfu.

Das 300-Millionen-Euro-Projekt samt Flughafen liegt aber seit Monaten auf Eis, weil die Eigentumsfrage noch nicht geklärt ist. Das ist eines der größten Handicaps für den Ausbau des Tourismus, einem der Hoffnungsträger der albanischen Wirtschaft, sagt Salim Belortaja, Ökonom beim Wirtschafts-forschungsinstitut ACIT in Tirana.

Veraltete Energiewirtschaft

Das allergrößte Handicap für die wirtschaftliche Entwicklung in Albanien ist aber die Energieknappheit. Letztes Jahr hat sich die Krise dermaßen zugespitzt, dass es bis zu 20 Stunden am Tag gab es keinen Strom gab. Albaniens Energie kommt zu 90 Prozent aus Wasserkraft.

Das Problem: Die Kraftwerke sind alt, ebenso wie die Stromverteilernetze, gleichzeitig steigt mit dem Aufschwung der Energiebedarf rasant. Energieerzeugung und Verteilung sind fest in staatlicher Hand und werden schlecht gemanaged, sagt der Ökonom Belortaja. Wenn es dann auch noch trocken ist und es nur wenig Wasser gibt, ist die Krise perfekt.

Ein Großteil des Problems sei hausgemacht, sagt Belortaja, denn etwa die Hälfte der erzeugten Energie gehe verloren - und das nicht nur weil die Leitungen schlecht sind. Viele Albaner würden die Energie einfach stehlen. Regierung und lokale Behörden drücken ein Auge zu, um sich Zustimmung bei der nächsten Wahl zu sichern, sagt Belortaja. Jedenfalls fehlt jetzt das Geld für den Ausbau und die Renovierung der Kraftwerke und Stromnetze.

Krisenindikator: Transfairleistungen

Ein großes Risiko für die albanische Wirtschaft sei auch die hohe Abhängigkeit der Albaner von den Auslandsüberweisungen die den Konsum finanzieren, sagt Belortaja, sie machen immerhin rund 13 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Was wenn sie eines Tages weniger werden?

Außerdem: Dass so viele Albaner im Ausland leben, schade der albanischen Wirtschaft, denn es sind oft gut ausgebildete Menschen die gehen, weil sie sich zum Beispiel in Italien, Griechenland oder der Türkei ein besseres Leben versprechen, es kommt zum so genannten Brain Drain.

Aufschwung auf wackligen Beinen

Der albanische Wirtschaftsaufschwung steht also auf wackligen Beinen. Deshalb hoffen viele Albaner auf einen raschen EU-Beitritt, er soll Stabilität und Fortschritt bringen. Beitrittverhandlungen gibt es noch keine.

Dennoch glauben viele, dass Albanien noch vor der Türkei der EU beitreten könnte, wie etwa Grunderud von Raiffeisen International: "Ich glaube, Albanien hat ein total falsches Image, das Image ist 20, sogar 30 Jahre alt. Man denkt immer an ein verstecktes Land irgendwo in den Bergen, aber Albanien ist viel offener als ich je erwartet hätte. Ich glaube, dass Albanien denselben Weg gehen wird, wie alle anderen Länder in Südosteuropa. Als ich zum Beispiel im Jahr 1996 Jahren nach Rumänien gekommen bin, dachte ich, ich sei am Ende der Welt und heute ist Rumänien in der EU. Deshalb ist es auch nicht auszuschließen, dass Albanien in zehn Jahren zur EU gehören wird."