Professioneller Beruf oder nur Hilfe zur Selbsthilfe?

Coaching im Betrieb

Ob Fachberatung, Lebenshilfe oder Management-Beratung: Momentan herrscht der Eindruck, als würde alles gecoacht. Vom Ex-Manager über Uni-Abgänger bis zum Pädagogen: Jeder darf als Coach arbeiten. Aber was versteht man eigentlich unter Coaching?

Andreas Berlinger (Telekom Austria) über Coaching

Coaching scheint derzeit allgegenwärtig zu sein. In Österreich herrscht ein regelrechter Beratungsboom. Ob in Lebenskrisen, in der Fachberatung oder im Management: Momentan herrscht der Eindruck, als würde alles gecoacht. Seien es Ex-Manager, Uni-Abgänger oder Pädagogen - jeder darf als Coach arbeiten.

Aber was ist Coaching eigentlich?

Keine eigene Profession

Coaching sei kein Sammelbegriff für Beratung, warnt Johann Tomaschek, Leiter des österreichischen Coaching Dachverbands, dem Austrian Coaching Council. Durch die inflationäre Verwendung des Begriffs würden Kunden verwirrt.

Coaching sei grundsätzlich keine eigene Profession, sondern eine Ergänzung anderer beratender Berufe, etwa Supervision, Unternehmensberatung, Training, Mediation, von Therapeuten oder Mentoren.

Die Ziele des Coaching

Wichtigstes Ziel des Coaching sei Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, sagt Doris Weyer, Leiterin des Trainingsbereichs bei der Personalberaterfirma ISG. Coaching vermittle keine Inhalte und gehe auch nicht in die Persönlichkeitsanalyse, sondern ...

"Coaching ist zur Erreichung konkreter, akuter Probleme geeignet, wie etwa Mitarbeiter- oder Vorstellungsgespräche, Jobwechsel oder Zeitmanagement. Durch unterschiedliche Fragestellungen und anderen Methoden, sich seiner selbst bewusst zu werden, gelangen Kunden mit Hilfe des Coach zu Einsichten, die sie durch eigenes Nachdenken nicht erreichen. Dadurch werden sie die Antworten auf ihre Fragen selbst finden und in der Lage sein, künftig ähnliche Probleme alleine zu lösen", so die Personalberaterin.

Der Coaching-Boom

In Österreich gebe es momentan einen Beratungsboom, sagt Johann Tomaschek. In den letzten Jahren sei die Branche der beratenden Berufe jährlich um 20 bis 30 Prozent gewachsen. Kaum überraschend also, dass die beratenden Berufe laut Creditreform auch die Spitzenreiter bei den heimischen Insolvenzen darstellen.

Wie viele dieser Berater als Coach arbeiten, lasse sich nicht festlegen, weil Coaching kein Gewerbe ist. Viele Coaches fallen unter gewerblich geregelte Berufe, wie Unternehmensberater oder Lebensberater, oder sie sind freie Selbstständige.

Um Coaching professioneller zu machen, müssten Mindeststandards eingeführt werden, sagt Tomaschek, wie etwa eine Ausbildung, die mindestens ein bis zwei Jahre dauert, Berufspraxis, Methodenqualifikationen und Selbsterfahrung mit Coaching und Supervision. Auch die unzähligen Ausbildungen müssten inhaltlich vereinheitlicht werden.

Die Gründe für den Berateranstieg

Der Bedarf nach Coaching steige trotz aller Ambivalenzen rasant weiter, sagt Günther Lueger, Leiter des Studiengangs "Master in Coaching“ an der der Wiener Privatuniversität PEF. Die Gründe: Aufgrund der steigenden Arbeitsbelastung würden Stress und Burn Out immer häufiger; außerdem müssten viele Menschen immer öfter den Job wechseln oder kommen in Positionen, für die sie nicht ausgebildet sind.

Für Coaching geben Unternehmen viel Geld aus. Bis zu 250 Euro kostet ein Coach pro Stunde. Aber lässt sich der Nutzen überhaupt wissenschaftlich nachweisen? "Ja", sagt Lueger. Eine seiner Studien belegt, dass sich vor allem die interne Kommunikation in den Unternehmen verbessere. Außerdem werde mehr delegiert; sogar in der Produktivität gebe es Verbesserungen.

Wie funktioniert Hilfe zur Selbsthilfe?

"Mit dem Kunden wird eine Verhaltensweise für sein Problem erarbeitet. Er erstellt etwa eine Liste, auf der mehrere Punkte stehen, mit welchen Gedanken oder Übungen er sich in einer Drucksituation selbst helfen kann", sagt Personalberaterin Doris Weyer.

Aber es gibt auch Scharlatane, die u. a. bedrohliche Lebenssituationen ausnützen. Der Dachverband warnt daher Kunden vor allem vor selbst ernannten Coaching-Gurus: Viele Berater bieten ihren Kunden an, mit Hilfe von Coaching-Methoden zu mehr Spiritualität, Heilung oder Lebensfreude zu gelangen. Das habe mit Coaching nichts zu tun, sagt Tomaschek. Denn Coaching sei eine kurzfristige, lösungsorientierte Methode, mit der tiefer gehende langfristige Lebensthemen nicht seriös zu lösen seien.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 3. März 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.

Links
Dachverband für Coaching
Dachverband für Supervision
Privatuniversität PEF
ISG-Personalberater