Am Schreibtisch, Hotel Mordschein, Der Hirt auf dem Felsen

Triptychon

Werner Kofler, einer der schärfsten Satiriker Österreichs, stürzt sich auf das, was ihm widerstrebt, kurz, die Welt. Koflers Prosastücke aus "Am Schreibtisch", "Hotel Mordschein" und "Der Hirt auf dem Felsen" sind jetzt in einem Band versammelt.

Gewiss, es gibt leichter zugängliche Bücher als diese drei, die vor gut 15 Jahren in knappen Zeitabständen einzeln erschienen und jetzt zum Triptychon zusammengefasst neu aufgelegt worden sind. "Irrsinnskunststücke" hat sie Werner Kofler selbst einmal genannt, geschrieben in einer nicht näher erläuterten Technik des "assoziativen Deliriums".

Sprachliche Brillanz, gepaart mit authentischer Radikalität, kennzeichnen dieses Prosawerk eines poetischen Scharf- und Heckenschützen, der letztlich nur auf eines aus ist: auf die ultimative Abrechnung mit der Wirklichkeit.

Kunst muss die Wirklichkeit zerstören

Kunst, lässt Werner Kofler sein Erzähler-Ich im ersten Band des Triptychons, in "Am Schreibtisch" räsonieren, Kunst müsse die Wirklichkeit zerstören. Nur das Entsetzliche, lässt er seinen Leser wissen, das Entsetzliche sei, dass sich die Wirklichkeit keinen Deut um die Zerstörung schere, die ihr in der Kunst zugefügt werde, ungeniert und unverfroren mache sie weiter, schamlos und unverbesserlich, wie sie nun einmal sei, die Wirklichkeit.

Je ungenierter die Realität, desto ungeheuerlicher die Literatur mit all ihren Anwürfen, Verdächtigungen und Bloßstellungen; das scheint Koflers Rezept zu sein. Unter dem sich selbst erteilten Schreibbefehl "Literatur ist Verbrechensbekämpfung" führt er ein ganzes "pandaemonium austriacum" - wie es einmal über das Personal seiner Prosa geheißen hat - vor: sozialdemokratische Bundeskanzler, die aussehen würden "wie eine Piz-Buin-Reklame" und den "Nationalpark mit der Nationalbank" verwechselten; Landeshauptleute als Pfeife rauchende "Rotzbuben" in Trachtenanzügen, denen "ein paar Backpfeifen wohl zu Gesicht stünden". Und auch an der Kulturfront sieht es nicht viel besser aus: Der "Simmelkitsch" und der "Friedensfried" marschierten Arm in Arm mit dem "proletarischen Schwulstmeißler" Alfred Hrdlicka, während ein so titulierter "Schwanzerlöser" namens Ottokar Kernstock Mühl sein Volk aus dem Burgenland herausführte auf ein "Eiland mit Namen Gomera".

Postmodernes Vexierspiel

Vielleicht sollte man sich einmal das jetzt schon historische gesellschaftlich-kulturelle Umfeld ansehen, in dem die drei Prosastücke - von "am Schreibtisch" über "Hotel Mordschein" bis zu "Der Hirt auf dem Felsen" - entstanden sind: der Wechsel zwischen den 1980er und 90er Jahren. Eine regelrechte Zäsur in der Innen- und Außenwelt der Zweiten Republik: die so genannte "Waldheim-Affäre", das anschließende "Ge- und Bedenkjahr" 1988, der rasante Aufstieg des Rechtspopulisten Jörg Haider und seiner FPÖ, der Kulturkampf um Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" am Wiener Burgtheater, und der mühsame Abschied vom "Opfermythos" Österreichs während des Nationalsozialismus. Es ist gerade Werner Koflers Verdienst, diese Zäsur auf nahezu unmittelbare vor allem aber kunstvolle Weise literarisch dokumentiert zu haben.

"Sagt der Leser: Literatur, sagt der Autor: Wirklichkeit. Sagt der Leser: Wirklichkeit, sagt der Autor: Literatur.", hieß es schon 1980 im Prosaband "Aus der Wildnis". Dass es dabei aber um alles andere als ein - Werner Kofler ebenfalls schon unterstelltes - "postmodernes Vexierspiel" geht, das macht gerade dieses Triptychon deutlich, denn just vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des Ge- und Bedenkjahres 1988 und dessen oft unappetitlicher Begleitmusik wird hier nichts Geringeres verhandelt als die österreichische nationalsozialistische Geschichte und deren so genannte "Bewältigung".

Bitte um Fortsetzung!

Im "Hotel Mordschein", dem - wenn man schon so eine Wertung vornehmen will - aus heutiger Sicht vermutlich beeindruckendsten Band des Koflerschen Prosatriptychons, wächst sich etwa ein lokaler Kriminalfall zum beinahe kabarettistischen Selbstverhör über "Pflichterfüllung" und Kriegsvergangenheit auf präsidialer Ebene aus. Weder davor noch danach - das kann man heute getrost sagen - ist die so genannte "Waldheim-Affäre" dermaßen knapp und treffend in der österreichischen Literatur festgehalten worden wie in dieser Passage.

Hier kann man sie nachlesen, die exemplarischen Antworten auf die schon zu Beginn des Triptychons, in "Am Schreibtisch" gestellte Frage: "Hat die Kunst der Wirklichkeit standgehalten oder die Wirklichkeit der Kunst, das ist die Frage." Keine Frage ist es hingegen, dass der Deuticke Verlag mit der Neuauflage der Prosabände Werner Koflers ein verdienstvolles Unternehmen begonnen hat. Fortsetzung ist dringend geboten, denn mit "Herbst. Freiheit - Ein Nachtstück" und mit "Üble Nachrede - Furcht und Unruhe", beide aus den 1990er Jahren, warten noch zwei erlesene Gustostückerln auf ihre Wiederentdeckung.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Werner Kofler, "Triptychon. Am Schreibtisch, Hotel Mordschein, Der Hirt auf dem Felsen", Deuticke Verlag, ISBN 3552060197