Zwischen Natur und Kultur

Kloaken, Seuchen, Ungeziefer

Die Lebensbedingungen in den Großstädten des Spätmittelalters waren geprägt durch die Versuche die Natur zu beherrschen und geregelte Abläufe im Leben zu schaffen. Die Versorgung der Einwohner und die Entsorgung der Stadt mussten gesichert werden.

Die Lebens- und Umweltbedingungen im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit seien so, der Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Wien, Karl Brunner in allen vergleichbaren europäischen Großstädten durch die Versuche geprägt gewesen, die Natur zu beherrschen, geregelte und gesicherte Abläufe im städtischen Leben zu schaffen.

Einerseits musste die Versorgung der Einwohner gesichert werden, andererseits war gerade die Entsorgung der Stadt ein Problem, das über Jahrhunderte auf Lösungen wartete. Denn je dichter die Bevölkerung zusammen lebte, desto mehr Probleme traten auf: hygienische Probleme, Umweltprobleme, soziale Probleme.

Pest, Typhus und Pocken

Städte galten nicht nur als Orte der Freiheit, sondern auch als Orte des Todes. Seuchen wie Pest, Typhus und Pocken rafften in regelmäßigen Abständen große Teile der Bevölkerung dahin.

Die Stadtverwaltung stand den Seuchen Jahrhunderte lang hilflos gegenüber. Die Ursachen kannte man nicht, und so wurden die Massenseuchen als Strafe Gottes interpretiert.

Allgegenwärtig war der Gestank in der Stadt, und so wurde der als pestialisch bezeichnete Gestank als Ursache der Pest gesehen.

Gerüche der Stadt

Der Historiker und Stadtforscher Peter Payer hat sich mit den Gerüchen der Stadt beschäftigt. Ein typischer Begleiter in der Versorgung Wiens mit Nahrungsmittel war der Gestank, und das bis ins 20. Jahrhundert. Denn bis dahin seien Viehherden die durch die Stadt getrieben worden. In Stadteilen wie Favoriten, Simmering oder Landstraße hätten diese Tierherden einen eigenen, sehr intensiven Geruch verbreitet.

Was heute in den Großstädten die Abgase von Autos sind, war in früheren Zeiten der Gestank von Pferdemist. Denn um 1900 gab es an die 40.000 Pferde in Wien und die Straßenreinigung war noch nicht sehr effektiv.

Schlussendlich mussten auch die Fäkalien der Bewohner der Stadt entsorgt werden. In den Hinterhöfen der Häuser gab es üblicherweise Senkgruben oder Latrinen. Das so genannte wilde Urinieren auf den Strassen wurde immer wieder als Plage angesehen.

1846 schließlich ließ die Landesregierung so genannte Straßen-Retiraden, also öffentliche Abortanlagen, errichten. Nach und nach wurden die so genannten wilden Urinierwinkel beseitigt, Wien sollte jedenfalls sauberer werden.

Das Jahrhundert des Aufbruchs

Das 19. Jahrhundert gilt in der Stadtgeschichte als das Jahrhundert der Auf- und Umbrüche. Die Stadt Wien wuchs von rund 300 000 Einwohnern um 1800 auf fast 2 Millionen um 1900. Die Stadt explodierte förmlich.

Damit mussten all die Probleme der Ver- und der Entsorgung in völlig neuen Konzepten strukturiert werden. Die Stadtplanung war gefragt. Etwa im Bereich der Müllentsorgung.

Jahrhunderte lang wurde der Müll von so genannten Müllbauern gesammelt und auf Deponien außerhalb der Stadt abgelagert. Oder einfach in den Bächen und Flüssen entsorgt. Erst im 20. Jahrhundert kam ein revolutionäres Entsorgungssystem auf, das im Prinzip heute noch angewandt wird: Die Kolonialkübeln.

Die Donauregulierung

Ein ganz massiver Einschnitt in der baulichen Entwicklung Wiens war die Donauregulierung ab dem Jahr 1870. Jahrhunderte lang war die Stadt immer wieder von Hochwasserkatastrophen betroffen.

Durch die Donauregulierung wurde aber nicht nur die Stadt geschützt, es entstand auch ein neues Industriegebiet. Im späten 19. Jahrhundert wurde Wien zur wichtigsten Industriestadt der Monarchie.

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