Ein Freiheitskämpfer wird 80

8. April 2017, 21:58

Michael Kerbler: Gab es Niederlagen, die Gerd Bacher lieber verschweigen würde? Stichwort Südtirol. Sie haben zu jenen gezählt, die mit dieser Gruppierung, die am 12. Juni 1961 mit 40 Bombenanschlägen Strommasten in Südtirol flach gelegt hat, deutlich sympathisiert haben. Dass aus dem Ziel, Südtirol selbstbestimmt zu machen, nichts geworden ist? Ist das für Sie eine Niederlage gewesen? Oder bedauern Sie Ihr Engagement damals, denn es ist ja aus dem Ruder gelaufen. Bis 1968 ist auch ein gutes Dutzend Menschen bei Anschlägen in Südtirol ums Leben gekommen.
Gerd Bacher: Bei Freiheitskämpfen ist das immer die Norm, dass einige Leute ums Leben kommen.

Waren das keine Terroristen?
Das waren keine Terroristen, das waren ganz echte Freiheitskämpfer. Der Chef von denen, der Kerschbaumer - dessen Bekanntschaft könnte ich nur jedem Menschen wünschen -, das ist buchstäblich ein Heiliger gewesen. Und so lange er nicht eingesperrt war, ist auch mit Ausnahme eines Unglücksfalls, wo der Straßenarbeiter ein Packl, das ihm verdächtig erscheinen hätte müssen, wegräumt. Und dass ich mit dieser Meinung, dass nur mehr mit den Freiheitskämpfern etwas geht, nicht allein dastand, ist mein Kronzeuge der Kreisky. Ich war mit den radikalsten, zum Beispiel mit Klotz und mit Amplatz bei Kreisky, und er hat g'sagt: "Also wegen a paar Masten und a paar Brücken wer'ma net wehleidig sein", wörtlich. Ich hätte das nie gesagt. Aber es steht mittlerweile so oft in den Zeitungen, dass ich mich ruhig dazu bekennen kann. Er hat gesagt: "Nur bitte keine Menschenopfer. Und passt's auf, dass sich keine Nazi bei euch hinein ..." was am Anfang der Fall war. Das waren so lupenreine Christlichsoziale, die Herrschaften, die die großen Sachen am Anfang gemacht haben, da bestand keine Gefahr.

Aber die tauchten ja dann auf?
Die tauchten auf, aber da gab's die anderen nimmer. Die saßen ja mittlerweile schon alle im Gefängnis. War natürlich eine Rache-Gesetzgebung, als ob die als Mörder angetreten wären. Man muss sich das einmal vor Augen halten: Südtirol, das war für uns so, als wenn die Tschechen gesagt hätten, nach dem Krieg, Niederösterreich bis zur Donau gehört uns. Und daher betrachteten wir das ja als Freiheitskampf und nicht als Terrorismus. Der Fritz Molden hat ja auch auf eigene Kasse vom angesehensten demoskopischen Institut des deutschsprachigen Raumes, von der Noelle-Neumann eine Untersuchung angestellt, wie es ausschaut mit der Rückkehr nach Österreich, mit der Autonomie und eventuell sogar Krieg, schaute es unendlich positiv aus, sowohl das eine wie das andere. Und was uns am allermeisten ermunterte: Wenn alle Stricke reißen, dann sogar der Aufstand. Also wir haben ja hier nicht losgelegt, dass 200 Wahnsinnige Politik für sich machen, sondern nachdem Kreisky, den ich ja überhaupt für den verdienstvollsten Südtirolkämpfer unter den Politikern erachte, x Mal vergeblich versuchte, auch bei der UNO, die Italiener zu einer substantiellen Autonomie zu bringen, hat eben dieser Befreiungsausschuss Südtirol BAS gesagt: So, jetzt müssen wir das tun, was es leider in jeder Freiheitssache geht, jetzt muss eben zu ärgeren Mitteln gegriffen werden. Nie hatten sie vor - mit Ausnahme dieses zuerst schon erwähnten unglückseligen Straßenarbeiters - dass es Tote gibt. Später dann schon. Aber dafür haben Leute verantwortlich gezeichnet, die nicht in Mailand vor Gericht standen, weil man ihrer ja nicht habhaft wurde.

Und was natürlich für uns die Bestätigung der Richtigkeit dieses Weges war, ist die Tatsache, dass sowohl Gruber wie der Landeshauptmann Magnago beide gesagt haben: Ohne die Bumser hätte es die heute mustergültigste Autonomie weltweit - das is ja net nur eine österreichisch-italienische Sache, sondern eine Muster-Autonomie, wie sie im Buch steht - nie gegeben.