Ein musikalischer Streifzug für echte Österreicher
Die heimlichen Hymnen der Republik
Kaum ist musikalisch etwas bekannter in unserem Land, als unsere heimlichen Hymnen. Ein musikalischer Streifzug am 50. Geburtstag der Republik - beginnend mit der alten Kaiserhymne und endend mit dem Donauwalzer - beweist dies nur allzu deutlich.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt "An der schönen, blauen Donau"
Lieben Sie Musik? Lieben Sie auch jene "heimlichen Hymnen", die oft und oft im Gedächtnis eines patriotischen Österreichers auftauchen? Dann sind Sie hier richtig! Anlässlich des 50. Geburtstages der Republik unternehmen wir nämlich an diesem Nationalfeiertag eine musikalische Reise der etwas anderen Art.
Genießen Sie dabei Populärkulturelles zwischen rotzfrech und kreuzbieder, von Qualtinger über Falco zu Fendrich, folgen Sie dem geliebten oder auch gehassten identitätsstiftenden Blick von außen auf Österreich, von "The Sound of Music" zum "Harry Lime Theme", und schwelgen Sie unvermeidlicherweise im Offensichtlichen, vom Radetzkymarsch zum Donauwalzer: "Schifoan mit dem Dritten Mann an der schönen, blauen Donau" ist angesagt.
"Klassischste" Klassik
Als man nach einer Hymne für die Zweite Republik suchte, da war das dezidiert das Ausgleichen eines Defizits, nämlich jenes als Verlust erlebten Faktums, die von Joseph Haydn für die Habsburger komponierte Hymne nicht mehr verwenden zu können. Haydns Hymne wiederum hatte auch ein dezidiertes Vorbild, nämlich "God Save the Queen. Der Komponist war davon zutiefst beeindruckt; und als er von einer seiner erfolgreichen Tourneen aus England zurückkehrte, beschloss er, seinem Kaiserhaus eine ähnliche und ähnlich schöne Hymne zu widmen. Er schrieb die Hymne selbst als Lied, aber sogleich auch eine Klavierfassung, in der das Hymnen-Thema die Vorlage für Variationen abgab.
Wie sich das Thema von Variation zu Variation sozusagen mehr in die Höhe schraubt, himmelwärts entfleucht und dabei immer inbrünstiger wird, um dann mit ein Paar abgründigen Akkorden auf den Boden der Realität zurückzukehren, das ist die reinste Apotheose. Die Rede ist natürlich von unserer Kaiserhymne "Gott erhalte Franz den Kaiser" - unter den heimlichen Hymnen der Republik bei aller eigentlichen politischen Unverträglichkeit nach wie vor gern gehört, obwohl sie im Nachbarland fröhliche Urständ feiert.
Weltweites Marsch-Blasen
Ebenfalls knallhart auf Seiten der Restauration stand selbstverständlich jener militärische Befehlshaber im Dienste der Habsburger, dem von Johann Strauss Vater ein Marsch gewidmet wurde - Feldmarschall Johann Josef Wenzel Graf Radetzky. Dieser Marsch verfolgt uns Österreicher geradezu beim alljährlichen, weltweit ausgestrahlten Neujahrskonzert - hoffentlich nicht auch Außenstehende ...
Ein wenig in Vergessenheit geraten ist vielleicht ebenfalls ein Marsch, der einst aber - in Ermangelung einer schon re-inthronisierten Hymne - 1946 beim Fußballländerspiel gegen Frankreich als Ersatzhymne ertönte: " O du mein Österreich" - ein typisch österreichischer Militärmarsch, von einem gewissen Ferdinand Preis im Jahr 1852 unter Verwendung des gleichnamigen patriotischen Liedes von Franz von Suppé komponiert.
Wiener Perspektiven
Es geht aber auch anders, wenn man beispielsweise österreichweite Rundumschläge austeilen will, wenn man Österreich - natürlich aus Wiener Perspektive - als "gschertes Jodelland" auf den Begriff bringt. Wenn sich verquälter Selbsthass mit einer Grandezza der Selbstironie trifft und das Ganze als Blues verkleidet ist, dann - a geh wusch, a geh wui - erklingt die geniale Interpretation von Helmut Qualtinger des von Gerhard Bronner getexteten und komponierten Bundesbahn-Blues. Solange Österreicher über ein Mindestmaß an Selbstironie verfügen, steht ihnen diese heimliche Hymne aus den späten 1950er Jahren zu.
Man könnte natürlich auch alternativ mit Heinz Conrads "Servus, die Madln, servus, die Buam" singen oder aber die neue Medienwirklichkeit mit der neuen Mobilitätssucht zusammendenken, also sich an eine der legendärsten Radiosendungen überhaupt erinnern - jene amerikanisierte Version von österreichischer Mittagszeit-Haushaltsküchen-Radiounterhaltungs-Signation von "Autofahrer unterwegs". Sie ist - zumindest damals - so etwas wie eine heimliche Hymne gewesen.
"Leiwande" Hymnen
Nicht gleich, aber nach und nach umso mehr ist 1977 ein Song geschrieben worden, der quasi zur Mitsing- und Mitgröhlhymne der Österreicher avancierte. Auch dieses Lied - so alpin auch die Originalversion instrumentiert und arrangiert ist - handelt natürlich von städtischer Sicht auf berglichen Tourismus: "Am Freitag auf'd Nocht montier' i die Schi", heißt da die erste Zeile. Mitgegrölte Live-Versionen gibt's davon jede Menge. Die Rede ist vom "Schifoan", der Hymne von und mit Wolfgang Ambros.
Nationalbewusstsein zu schüren, geht natürlich auch noch viel direkter: "Wiar a Kinderl sei Muatter, a Hünderl sein Herrn", so heißen die patriotischen Liebesmetaphern bei Franz Stelzhammers oberösterreichischen Hymne, "und i und die Bachquelln san Vetter und Moahm" - also so etwas wie Onkel und Tante, "und dein Sunn hat mi trückat, wann mi gnetzt hat dein Regn" ...
"I bin dei Apfel, rock me"
Die Metaphernlust in patriotischer Hinsicht hat sich bis zu Reinhard Fendrich nicht sehr gewandelt. Jetzt heißt es "I bin dei Apfel, du mei Stamm", nur dass die schlussendliche Liebeserklärung gar nicht mehr auf Österreichisch funktionieren kann und soll - "I am from Austria" - ein Song, den die Österreicher inzwischen sogar halboffiziell zu ihrer Hymne erklärt beziehungsweise ervotet haben.
Auch Falco und Mozart darf natürlich bei den heimlichen Hymnen der Österreicher nicht fehlen. Eigentlich ist Grandmaster Flash an allem schuld: Auf "The Message" 1983 hieß es in gerapptem Sprechgesang "Don't push me, 'cause I'm close to the edge. Es war die Sternstunde Falcos und/oder seines Teams, zu verstehen, dass cooler und zugleich exaltierter Sprechgesang das Gebot der Stunde ist: Rap auf Österreichisch, nicht Schnulzen, das verstanden auch Amerikaner, und so wurde "Rock Me Amadeus" zu einer Hymne.
Hymnen für Nicht-Österreicher
Da die Musik von Amadeus nicht von Falco und nicht in Österreich urheberrechtlich geschützt ist, ist der bis heute letzte wahre Welterfolg mit österreichischem Urheber älter, viel älter: Veröffentlicht 1949 als Filmmusik lässt er vermutlich ähnlich schnell und ähnlich präzise ein Millionenpublikum around the world an Österreich und Wien denken wie so mancher Marsch, wenn auch weniger an Goldene Säle, denn an gespenstische, städtische Nachtsichten und letztendlich ausweglose Kanalfluchten. Gefunden bei einem Heurigenbesuch des britischen Filmteams und für immer im Olymp der unausweichlichen Ohrwurmproduzenten: Anton Karas' "The Harry Lime Theme" - der Dritte Mann mit Anton Karas, eines jener Stücke, das auch bei Nicht-Österreichern locker als heimliche Hymne durchgeht.
In diese Kategorie - vielleicht eine Spur berechnender - fällt auch "The Sound of Music" - Music by Richard Rodgers, Lyrics by Oscar Hammerstein II, so lauten hier die credits. Und diese Musik könnte doch wirklich die heimliche Hymne schlechthin sein: "Edelweiß" singt die ganze Familie zur Gitarre, inklusive neu gewonnenem Pater Familias; das Ganze ein gesungenes Ablenkungsmanöver vor dem Zugriff durch die Nazis, denen man sich schlussendlich mit einer Flucht über die Edelweiß-Berge endgültig entzieht.
Wiener seid froh! Oho! Wieso?
Unter dem Motto "das Beste zum Schluss" darf auf unserer musikalischen Wanderschaft natürlich die wahre, echte, heimliche Hymne unserer Heimat nicht fehlen: der so genannte "Donauwalzer". Nichts führt daran vorbei. Dabei ist seine Entstehungsgeschichte richtiggehend subversiv ...
Entstanden ist das gute Stück 1867 auf Wunsch eines Männergesangsvereins, und zwar in einer Zeit militärischer Niederlagen des Habsburger Reiches und daraus folgender Finanznöte. Man war aber nicht verzweifelt, sondern sarkastisch, und in diesem Sinn war der Walzer damals als eine Art Persiflage gedacht. Der erste, von Josef Weyl unterlegte Text machte dies auch deutlich: "Wiener seid froh! Oho! Wieso?": Das war eine eindeutige Parodie auf die Stimmung der Zeit.
Dem Walzer blieb damals auch Popularität vorerst versagt. Bis zum Erfolg dauerte es lange, und es bedurfte erstens des Marketing-Genies von Johann Strauss Sohn und schlussendlich auch eines neuen Textes. Die Umtextierung auf "Donau, so blau, durch Tal und Au ...", die auch zum Titel "An der schönen blauen Donau" führte, erfolgte erst 23 Jahre nach der Uraufführung, und zwar 1890 durch Franz von Gernerth. Dann erst begann der Siegeszug des Donauwalzers, und er wurde, was er heute ist - die ultimative Hymne der Österreicher.
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