Gewachsene Fankultur

Die Freuden und Leiden eines Fußballfans

Fußballfans gibt es viele, aber auch viele sehr verschiedene. Die wirklich treuen Fans, die bei jedem Heimspiel im Sektor dabei sind und auch zu möglichst vielen Auswärtsspielen mitfahren, die sind noch etwas "echter" als alle anderen.

Stephan Kraft, Chefredakteur des Fußballmagazins "Ballesterer fm", ist selbst bekennender Rapidfan und Stammgast im Westsektor des Hannappi-Stadions, der Heimstätte des SK Rapid. Der Sektor ist seit zwei Jahren durch Abonnements ausverkauft, jeder kennt jeden, die Mitglieder der verschiedensten Fanklubs machen unter der Leitung der Gruppe "Ultras Rapid" während der gesamten Spielzeit Stimmung für ihre Mannschaft.

2.500 Menschen befolgen die Anweisungen der zwei bis drei mit Megafonen ausgestatteten Vorsänger, schwenken Fahnen nach genau vorgeschriebenen Bewegungen, singen im Rhythmus der Trommelgruppe ihre Anfeuerungslieder für die eigene Mannschaft oder Schmähgesänge in Richtung Fanblock. Höhepunkt der Inszenierung sind riesige Fahnen oder Transparente, die über den gesamten Sektor ausgerollt werden, oder Choreografien mit pyrotechnischen Gegenständen.

"Was zählt, ist die Stimmung, das Gefühl, dabei zu sein, es geht nicht darum, ein gutes Spiel zu sehen", sagt Stephan Kraft, "wichtig ist der Support, die bedingungslose Unterstützung, für die Mannschaft." Im Gegensatz zur englischen Fankultur mit ihren spontanen Gesängen kommt diese hierarchisch organisierte Form, aufbauend auf eine jahrelang gewachsene Struktur, aus Italien. Dort bildeten sich Ende der 1960er Jahre die ersten Ultra-Gruppierungen. Die Hilfsmittel politische orientierter Protestbewegungen, Transparente, Fahnen, Megafone usw., fanden Einzug in die Stadien. In der Folge kam es bei vielen Gruppen auch zu Gewaltbereitschaft und Übergriffen. Im Jahr 1995 fand eine wesentliche Zäsur statt: Der Tod eines italienischen Fans führte zu einem entscheidenden Umdenken, weg von der Gewalt.

Block West und Kurve Süd

1988 wurden nach italienischem Vorbild die grün-weißen Rapid Ultras gegründet, und führten den Block West mit ihren aufwendig und fantasievoll gestalteten Choreografien zu einer europaweit viel beachteten Fanszene. Die Rapid Ultras geben kein Interview, ein Beschluss eines kleinen Kreises von Entscheidungsträgern innerhalb der Gruppe folgend, zu oft wurden ihre Äußerungen in den Medien falsch dargestellt, sagen sie. Vieles hat sich seit den 1980er Jahren verändert, wo sich Hooligans und rechtsextremes Gedankengut in der Fußballszene zu etablieren versuchte. Heute sprechen sich Ultras gegen Gewalt aus, und gegen jede politische Ausrichtung, nur die Mannschaft zählt, die geliebten Spieler, schon zu der Vereinsführung geht man vorsichtshalber auf Distanz.

Österreichische Ultra-Gruppen gibt es auch in Innsbruck und Salzburg. Thomas Kössler von der Union 99 Ultra Salzburg kann sich keinen anderen Verein vorstellen als seine violett-weiße Austria Salzburg. Für ihn gilt die Devise, 365 Tage im Jahr für den Verein da zu sein.

Die Frage ist, ob das vom Verein überhaupt erwünscht ist, denn mit der Übernahme durch Red-Bull-Chef Dieter Mateschitz wurde der Name des Klubs geändert, wurden die Farben gewechselt und ein neues Marketingkonzept installiert, das ein völlig anderes Publikum ansprechen will, als die aufopfernden Supporter. Party statt Mitleiden. Eventkultur ersetzt Fankultur, das forderte traditionsbewusste Fans zum Widerspruch auf, die Initiative Violett-Weiß, eine Interessensgemeinschaft von nicht organisierten Fans und Anhänger-Klubs, wurde gegründet. In mehreren Gesprächen mit Vereinsvertretern wurden die dringenden Anliegen vorgebracht, mit wenig Erfolg. Stephan Huber der Sprecher der Gruppe präzisiert:

"Uns liegt daran, dass der violetten Geschichte des 1933 gegründeten Vereins 'Austria Salzburg' Respekt entgegen gebracht wird. 'Red Bull Salzburg' spielt seit der Neugründung in Rot. Eine Konstellation, die wohl schwer von gegenseitiger Zuneigung erfüllt sein kann, denn der Interessenskonflikt ist offensichtlich. Plausibel die Strategien des Fußballunternehmens Red Bull Salzburg, gefühlsmäßig nachvollziehbar die Befürchtungen und Enttäuschungen der Fans. Die Initiative möchte in den Dialog mit dem Verein treten."

"Dazu ist der Verein jederzeit bereit", meint Kurt Wiebach, Geschäftsführer von Red Bull Salzburg, doch die Standpunkte haben sich verhärtet. Minizugeständnisse, wie die Erwähnung der Vereinsgeschichte auf der Homepage oder violette Einsprengsel auf den Stutzen, genügen allerdings den Fans nicht. Der Verein wiederum möchte sich von der protestierenden Fangruppe nicht unter Druck setzen lassen. "Wenn unser Angebot nicht angenommen wird", resümiert Kurt Wiebach, "müssen wir auf diesen Teil der Fans verzichten."

Eine traurige Zukunft für Tomas Kössler und Stephan Huber.

Letzte Hoffnung sind die am 17. und 18. September stattfindenden Aktionstage, wo die Fans noch einmal ihre Anliegen vorbringen wollen. Solidaritätskundgebungen gibt es von der Fanszene aus ganz Europa. Die Angst, ihre Eigenständigkeit und die identifikationsstiftenden Symbole im Zuge einer zunehmenden Kommerzialisierung zu verlieren, lässt selbst die Gegensätze und Rivalitäten konkurrierender Gruppen vergessen.

Download-Tipp
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Links
Initiative Violett-Weiß
Ultras Rapid 1988
Ultras Salzburg
SK Rapid
Red Bull Salzburg