Reza Hajatpours Autobiografie

Der brennende Geschmack der Freiheit

In seiner Autobiografie erzählt Reza Hajatpour, wie er als Jugendlicher beschlossen hatte, Mullah - Geistlicher - zu werden und wie sich seine Einstellung zur Geistlichkeit im Laufe der Jahre verändert hat. 1985 musste er aus dem Iran fliehen.

In seiner Autobiografie erzählt Reza Hajatpour von seinen ersten Kontakten mit der Theologie bis hin zum Bruch. Im Schulunterricht fällt er vor allem durch kritische Bemerkungen immer wieder auf. Auch den Religionslehrer konfrontiert er mit Fragen über Gott und zur menschlichen Existenz.

Bei der Beantwortung meiner Frage, ob die Religion Gott beweisen könne, verwies er mich auf die Vorraussetzung eines absolvierten Theologiestudiums als Verständnisgrundlage. (...) Ich konterte sofort, dass dies heißen würde, dass man zuerst Mullah werden müsste, um Gott und die Welt zu begreifen.

Lernen, lernen, lernen

Neben der Schule beginnt Hajatpour eine theologische Ausbildung bei einem Geistlichen aus der Moschee seines Wohnviertels. In den kommenden Jahren lernt er nicht nur arabische Grammatik, sondern auch Fächer wie Logik und Philosophie. Nach einiger Zeit unterrichtet er selbst Theologieanfänger. Zur selben Zeit wird die Reformbewegung innerhalb des Landes gegen das Schahregime stärker.

Seine Studien hatte der junge Hajatpour mit dem Vorsatz, kein Mullah - kein Geistlicher - werden zu wollen, begonnen. Gegen Schulende ändert er seine Meinung. Hajatpour widmet seine ganze Zeit den Theologiestudien, die bescheidenen Mittel machen ihm hin und wieder Probleme.

Ohne Frau kann man nicht glücklich sein

Hajatpour selbst hatte bis zum dem Zeitpunkt zwar kein Bedürfnis nach einer Hochzeit, doch ein Gespräch mit einem jungen Geistlichen verwirrt ihn: Dieser behauptete, es wäre nicht möglich, ohne Frau glücklich zu werden und außerdem könne man so Gott näher kommen. Seine Freunde arrangieren ein Treffen mit einer potenziellen Heiratskandidatin:

Sie schoben mich zum Hauptportal, und unmittelbar darauf kam eine Frau heraus, übergab Mehry ihr Kind und ließ ein halbverschleiertes Gesicht mit einem aufgesetzten Lächeln sehen. Alles ging sehr schnell, und in meinem Gedächtnis blieb nur ein verschwommenes Lächeln haften.

Obwohl er Sadat überhaupt nicht kennt und nur wenig über sie weiß, lässt er sich auf eine Hochzeit ein. Bei der Feier stellt sich heraus, dass sie neun Jahre älter ist als der 19-jährige Hajatpour. Die Beziehung der beiden läuft nicht gut, die zwei verstehen sich nicht besonders.

Unter Khomeyni ändert sich viel, aber wenig zum Guten

Aber nicht nur im privaten Bereich des Autors gibt es einschneidende Veränderungen, sondern auch in der politischen Landschaft. Ajatollah Khomeyni kehrte 1979 aus dem Exil zurück und übernimmt die Macht. Konkurrenten bringt er zum Schweigen, indem er Hausarrest über sie verhängt. Nach dem Ausrufen der Islamischen Republik Iran durch Khomeyni ändert sich für die Bevölkerung und Geistlichkeit vieles, nur wenig zum Guten.

Fehler und Irrtümer schienen an der Tagesordnung zu sein; was sollte man glauben, oder war etwa alles falsch, was man bisher geglaubt hatte? Am Ende wusste niemand, wem er vertrauen konnte. Warum waren sich die Geistlichen nicht einig? Wieso gab es mehrere Wahrheiten, und welcher sollte man den Vorzug geben? Die Antwort lag auf der Hand: Es ging nicht um Wahrheit, es ging um Macht.

Einblick ins Leben im Iran

Spannend und pointiert geschrieben erzählt der Autor von den Veränderungen in seinem Leben, eingebettet in die politischen Ereignisse dieser Zeit. Der Leser bekommt Einblick in die Freundschaften und Beziehungen von Reza Hajatpour - er lernt den Buchhändler kennen, der zu den wichtigsten Vertrauenspersonen des Autors zählt, erlebt gemeinsam mit dem Autor einige Tage im Gefängnis und sieht dessen erste Ehe scheitern und wie er mit seiner zweiten Frau einen passenden Lebenspartner findet.

Zugleich erfährt man vieles aus der Welt der iranischen Geistlichen: Von den Lagern, die sich innerhalb dieser Gruppe bilden und der politischen Verfolgung. Und von der Einsamkeit und Verzweiflung mit der damaligen Lage, die zum Bruch mit seinem Beruf und der damit verbundenen Flucht im Jahr 1985 aus dem Iran führen. Zuletzt bleibt Reza Hajatpour nur ein Wunsch:

Frei zu sein von allem, was mich trog; von falschen Propheten, von verblendeten Geistlichen, von heilenden magischen Gebeten, von Prophezeiungen, von allen scheinbaren Heiligen, die dem unbeschriebenen Blatt der menschlichen Instinkte und der einfachen Natur des Selbst die Keuschheit raubten.

Buch-Tipp
Reza Hajatpour, "Der brennende Geschmack der Freiheit. Mein Leben als junger Mullah im Iran", Suhrkamp Verlag, ISBN 3518124099