Viel sagende Inschriften

Russendenkmal feiert "Geburtstag"

Die Aufschrift auf dem Sockel des so genannten Russendenkmals am Wiener Schwarzenbergplatz hat nicht nur rein militärischen Charakter: Da ist von Kriegsbeute die Rede, sowjetische Offiziere werden belobigt, eine Reihe von Soldaten post mortem ausgezeichnet.

Die monumentale Denkmalanlage mit dem auf hohen Säulen stehenden, Banner, Maschinenpistole und Schild tragenden Rotarmisten, einer weit auslaufenden, an beiden Enden von Kampfgruppen gekrönten Kollonade symbolisiert nicht nur das Kriegsende in Wien, das sozialistisch-realistische Kuriosum stellt auch das erste Großbauwerk der Zweiten Republik dar. Die Anlage sollte vor dem Einzug der westlichen Alliierten als Ausdruck sowjetischer Organisations- und Leistungsfähigkeit fertig gestellt werden; ausgeführt wurden die Bauarbeiten im Wesentlichen von deutschen Kriegsgefangenen.

Die Skulptur des Rotarmisten stammt vom armenischen Bildhauer Michail Intisarjan, der als einfacher Soldat den Krieg in Österreich beendet hatte. Zwar hatte Intisarjan als Student am Zusammenbau der für die Pariser Weltausstellung des Jahres 1937 geschaffenen monumentalen Plastik "Arbeiter und Kolchosbäurin" mitgearbeitet, grundsätzlich schien er aber für das prestigereiche Denkmalprojekt in Wien noch zu unerfahren. Sein noch im Schützengraben aufgrund von Mangel an besserem Material aus Brot und Speck über einer leeren Flasche modellierter Entwurf des Rotarmisten wurde dennoch ausgewählt.

Der Volksmund findet einen eigenen Namen

Den Standort dieser atheistischen Himmelfahrt ausgewählt hat Dmitrij Schepilow, Kriegsrat der 4. Gardearmee, die Wien befreit hatte. Für den Schwarzenbergplatz hatte sich der spätere Prawda-Chefredakteur, ZK-Sekretär und kurzzeitige Außenminister der UdSSR nicht zufällig entschieden: Der österreichische General Schwarzenberg hatte in Koalition mit dem Zaren gegen Napoleon gekämpft, seit dem Vorabend des Kriegs standen in der Sowjetunion russische Geschichte und russische Ruhmestaten wieder hoch im Kurs. Die Befreiung Österreichs war gleichsam eine Wiederbelebung einer historischen Allianz.

Es war auch Dmitrij Schepilow, der für die Denkmal-Inschriften den Dichter Sergej Michalkow gewann. Von dem mit zahlreichen Stalin-Preisen dekorierten Kinderbuchautor stammen die Stalingrad und die Befreiung Wiens beschwörenden Gedichte, vor allem aber die im Sockel eingemeißelten Worte der damals neuen Sowjethymne, jener Hymne, die auch bei der Eröffnung des Denkmals gespielt wurde.

Während die Vertreter der provisorischen österreichischen Staatsregierung, Renner, Figl und Fischer, das gebotene Lob auf die Befreiungsarmee sangen, hatte der Wiener Volksmund schon eine weniger freundliche Bezeichnung für das Denkmal gefunden: "Denkmal des unbekannten Plünderers".

Kleiner ideologischer Kriegsschauplatz

Die Geschichte des Russendenkmals war und ist nicht nur ein Spiegel der österreichischen Nachkriegsgeschichte - es stellte immer auch einen kleinen ideologischen Kriegsschauplatz, an dem Krieg und Befreiung diskutiert oder vergessen wurden, dar.

Ende der 1970er Jahre erfolgte ein wesentlicher Eingriff in das Denkmal: die kyrllische Inschrift auf der Kollonade - Ewiger Ruhm den sowjetischen Soldaten, die im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Besatzer für die Befreiung der Völker Europas gefallen sind - wurde übersetzt. Der Umstand, dass sie nur jemand des Russischen Mächtiger lesen konnte, was Österreicher in der Mehrzahl nicht tun, hatte immer wieder zu Spekulation über eine beabsichtigte Sowjetisierung Österreichs geführt. Erst wenn alle Russisch können, verstünden sie auch den Sinn der Befreiung, wurde gemutmaßt. In der unmittelbar vor dem Denkmal angebrachten neuen Übersetzung wurde die Botschaft entschärft: Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee, die für die Befreiung Österreichs vom Faschismus gefallen sind.

"Verpflichtung für alle Zeiten"

Diskussionen über den Abbruch des "stalinistische" Mahnmals und kunsthistorischen Kuriosums gab es immer wieder; sie verstummten ebenso rasch, wie sie aufgeflackert waren. Bemerkenswert ist dabei nur jene Wiederbelebung des Denkmals in jüngster Zeit: Als rechtsgerichtete Studenten vor etlichen Jahren begannen, am Grabmal des Unbekannten Soldaten im Äußeren Burgtor den 8. Mai, den Tag des Kriegsendes, zu einem Tag der Heldenverehrung zu erklären, folgte umgehend die Reaktion von links: Das Denkmal der Roten Armee wurde zum Ort der Befreiung hochstilisiert, voller Emphase, antifaschistisch und ein wenig naiv. Derartige Naivität könnte man dem Staatssekretär Leopold Figl, dem ersten, frei gewählten Bundeskanzler der Zweiten Republik, nicht vorwerfen: Er hatte bei der Eröffnung des Denkmals auf vieldeutige, an die Adresse der Sowjets nicht unprovokante Weise praktisch einen Staatsvertrag verlangt: Figl damals wörtlich:

"Dieses Denkmal bedeutet uns Verpflichtung für alle Zeiten. Es ist und wird uns Rufer und Mahner sein gegenüber den Befreiern, nichts unversucht zu lassen und bis zum letzten für die Freiheit einzustehen (...) Die Verpflichtung heißt: ein freies, unabhängiges, demokratisches Österreich."

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