Demokratischere Web-Kataloge

Ordnung ohne Ideologie

Einige Webseiten ermöglichen ihren Nutzern das Organisieren von Daten über ein System freier Verstichwortung. Diese auch Tagging genannte Methode gilt einigen Experten als Schlüssel für einen demokratischeren Umgang mit Wissensressourcen.

Als Joshua Schachter mit der Arbeit an der Website Del.icio.us begann, wollte er eigentlich nur Ordnung in seine eigene Link-Sammlung bringen. Dabei stellte er schnell fest, dass herkömmliche Kategorien nicht der richtige Weg waren, um mit Tausenden von Links umzugehen. Stattdessen setzte er auf eine Datenbank, die er ganz ohne formale Vorgaben mit Stichworten fütterte.

Wegweiser für die Zukunft

Dann entschied sich Schachter dafür, das System auch für andere Surfer zu öffnen und die Stichworte aller Nutzer miteinander zu verbinden. So können Nutzer Links mit dem Stichwort "Rezept" kennzeichnen und dann mit einem Mausklick nachschauen, welche Webseiten von anderen Teilnehmern mit dem gleichen Begriff versehen wurden.

"Delicious-Nutzer, die Sachen für sich selbst archivieren, können schauen, was andere so finden - ohne gezwungen zu sein, sich miteinander zu koordinieren", erklärt der Netz-Experte Clay Shirky. Shirky glaubt, dass Del.icio.us und sein System der freien Verstichwortung wegweisend für die Zukunft der Wissensverwaltung im Netz sind.

Kein Platz für Ideologien

Shirky ist einer der engagiertesten Verfechter neuer, von Del.icio.us beeinflusster Ordnungsprinzipien. Er glaubt, dass alte Ordnungssysteme sich im Netz überlebt haben. Professionelle Katalogisierung sei nicht nur viel zu teuer für große Datenmengen wie das World Wide Web - sie würde ihre Nutzer auch durch ihren ideologischen Ballast einschränken.

"Wenn die Library of Congress etwas kategorisiert, tut sie dies nach binären Regeln: Etwas ist entweder A oder B", erklärt Shirky. "Und wenn ich eine andere Weltsicht besitze, bleibe ich außen vor."

Webseiten wie Del.icio.us seien dagegen nicht auf eine einzige Sichtweise der Welt eingeschränkt. Damit würden dort auch Minderheiten zu Wort kommen, die in offiziellen Katalogisierungen unter den Tisch fielen.

Modellfall Foto-Website

Ein besonders populäres Beispiel für Tagging ist die Foto-Website Flickr.com. Flickr erlaubt seinen Nutzer das Organisieren der eigenen Bildersammlung über freie Stichwörter. Dabei entstehen oftmals spontane, lose vernetzte Nutzergruppen, die sich einem mehr oder weniger obskuren Thema verschrieben haben.

"Es gibt eine Menge Communities zu Fotos von Graffiti, Street Art oder verfallenen Innenstädten", weiß Flickr-Präsident Stewart Butterfield zu berichten. "Zu traditionelleren Motiven, Blumen oder Landschaften, aber auch bizarren und ungewöhnlichen Dingen wie Tiernasen."

Schlagzeilen machte Flickr im März 2005, nachdem bekannt wurde, dass Yahoo die Website für geschätzte 50 Millionen Dollar gekauft hat. Einige Netzexperten gehen davon aus, dass Tagging-Methoden damit auch auf größeren Webseiten zum Einsatz kommen werden. So könnte Yahoo die Technologie einsetzen, um seinem angestaubten Web-Katalog neues Leben einzuhauchen.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 13. August 2006, 22:30 Uhr

Download-Tipp
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Links
shirky.com - Clay Shirky
Del.icio.us
Flickr.com

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