Die Rückstellung entzogener Werte

Brigitte Bailer-Galanda im Gespräch

Die Historikerin Brigitte Bailer-Galanda gilt als exzellente Kennerin in Fragen der Entschädigung für NS-Opfer und über Rechtsextremismus. Im Dezember 2004 übernahm sie die Leitung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes.

Das Jahr 2005 bietet ausreichend Möglichkeiten zu historischen Reflexionen über die jüngere Zeitgeschichte. So hat die wiedererstandene Republik Österreich lange Jahre - ausgehend von der so genannten “Opferthese“ - jegliche Mitverantwortung für die NS-Verbrechen und der Folgen bis zum Anfang der neunziger Jahre konsequent abgelehnt.

Nach anfänglichen Widerständen vor allem der Sozialdemokratie, schreibt die Historikerin Brigitte Bailer-Galanda, entschloss sich die Bundesregierung in der ersten Hälfte der 50er Jahre nicht zuletzt aufgrund alliierten Drucks und angesichts der Entwürfe zum Staatsvertrag zur Rückstellung jener entzogenen Werte, die noch vorhanden und auffindbar waren.

Mitverantwortung

Eine darüber hinaus gehende Entschädigung wurde jedoch abgelehnt, da man befürchtete, damit ein indirektes Eingeständnis von Mitverantwortung abzulegen, ein Eingeständnis, das auch aus außenpolitischen Gründen um jeden Preis vermieden werden sollte. Aufgrund einer Intervention der westlichen Signatarstaaten musste sich Österreich in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zu Entschädigungsleistungen verpflichten, die deutlich über die Rückstellungen hinausgingen.

Bailers Resümee: “Im Lichte der historischen Forschung muss festgestellt werden, dass es meist eines Anstoßes von außen oder sogar außenpolitischen Drucks bedurfte, dass der Gesetzgeber zugunsten der NS-Opfer, insbesondere der Jüdinnen und Juden, tätig wurde.“

Historikerkommission

Nicht wesentlich anders liest sich die Schlussfolgerung, die die Historikerkommission vor zwei Jahren in ihrem Endbericht ziehen musste. Die Austria Presse Agentur berichtete: "Oft nur halbherzig und teilweise recht zögerlich" hat die Republik Österreich nach 1945 bei der Entschädigung der Nazi-Opfer agiert. Allerdings ist der Vorwurf unzutreffend, dass die Republik Österreich nichts unternommen habe, um Vermögenswerte zu restituieren oder Leiden zu mildern.

Wahr ist aber auch, dass Maßnahmen zur Rückstellung und Entschädigung oft nur halbherzig und teilweise recht zögerlich - allzu oft nur aufgrund äußeren Drucks, besonders durch die Westalliierten - getroffen wurden und dass die Probleme vor allem im Detail aufgetreten sind.

Wurzel des Übels sei oftmals der "Missbrauch der “Opferthese“", nach der die Republik Österreich 1938 überfallen worden war und ihr die Untaten des NS-Regimes daher nicht zugeschrieben werden konnten. Diese Leugnung der Mitverantwortung habe dann auch dazu geführt, dass eine notwendige "freimütige Großzügigkeit" gefehlt habe. Die Historikerkommission - eingesetzt am 1. Oktober 1998 - wurde von Clemens Jabloner, dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes geleitet, die Historikerin Brigitte Bailer-Galanda war seine Stellvertreterin.

Geschichtsbild

Sie hat sich über mehrere Jahrzehnte den Ruf eine exzellente Kennerin in Fragen der Entschädigung für NS-Opfer und über Rechtsextremismus erworben. Sie ist seit langem als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes tätig, dessen Leitung sie Anfang Dezember vergangenen Jahres übernommen hat.

Michael Kerbler und Claus Philipp sprechen mit der Historikerin über die Arbeit der Historikerkommission, die noch nicht abgeschlossen ist, sowie über die Phänomene Antisemitismus und Rechtsextremismus und darüber, welches Geschichtsbild über das Österreich des 20.Jahrhunderts hierzulande im Gedächtnis gegenwärtig ist.

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Bundeskanzleramt (Hg.), "Österreich 2005 - Das Lesebuch zum Jubiläumsjahr", Residenz, ISBN 370171407X

Friedrich Stadler (Hg.), "Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus - die Folgen für die naturwissenschaftliche und humanistische Lehre", Springer, ISBN 3211215379

Hannes Heer, Walter Manoschek, Alexander Pollak und Ruth Wodak (Hg.), "Wie Geschichte gemacht wird - Zur Konstruktion von Erinnerung an Wehrmacht und Zweiten Weltkrieg“, Czernin, ISBN 3707601617

Martin Pollack, "Der Tote im Bunker - Bericht über meinen Vater", Zsolnay, ISBN 3552053182

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Historikerkommission