Politische Verfolgung oder viel Lärm um nichts?

Anwälte unter Beschuss

Die Ermittlungen des Bundeskriminalamts gegen zwei Menschenrechts-Anwälte haben hohe Wellen geschlagen. Die Verdachtsmomente für "Schlepperei" waren aber unbegründet, ließen jedoch den Verdacht der politischen Einschüchterung laut werden.

Resumee von Heinz Patzelt von Amnesty International

Vorweg: Die Anzeigen des Bundeskriminalamts gegen die Anwälte Georg Bürstmayr und Nadja Lorenz wurden innerhalb von 48 Stunden fallen gelassen. Die Verdachtsmomente für "Schlepperei“ und "Aufruf zum Ungehorsam gegen Gesetze“ waren unbegründet.

Viel Lärm also um nichts? Oder begründete Zweifel, ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ob da nicht - wie Amnesty International anprangert - "klassische politische Verfolgung im Spiel gewesen ist“? Das Timing der Strafanzeigen war jedenfalls auffallend gut gewählt, denn just zu diesem Zeitpunkt sollten ein paar Mitarbeiter der Kommission des Menschenrechtsbeirats im Innenministerium neu bestellt werden ...

Die Fakten

"Im Bereich der Bezirkshauptmannschaft Gmünd werden laufend illegale Grenzgänger nach Österreich geschleppt. Im Zuge der fremdenpolizeilichen Verfahren wurde festgestellt, dass die geschleppten Personen bereits in der Tschechischen Republik umfassende Rechtsberatung über die Möglichkeiten im Asylverfahren in Österreich erhalten. Der russische Asylwerber M. beschreibt, dass er in Tschechien eine Visitenkarte des Rechtsanwaltes Bürstmayr erhalten habe und ihm mitgeteilt wurde, dass er sich an diesen wenden solle, wenn er Probleme habe,“

steht u. a. in der Strafanzeige gegen Georg Bürstmayr, die von vornherein auf wackeligen Füßen stand. Denn dass Anwälte Rechtsberatung erteilen, ist natürlich nicht strafbar. Das Fremdengesetz bestraft nämlich nur jene, die sich einen Vermögensvorteil aus einer Schleusung verschaffen.

Hintergrund der Ermittlungen gegen Nadja Lorenz war ein heuer in Kraft getretenes Gesetz, wonach Asylwerber noch vor der Beendigung ihres rechtlichen Verfahrens aus Österreich abgeschoben werden können. Dieses Gesetz wurde jedoch einige Zeit später vom österreichischen Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Die Flüchtlingsorganisation "SOS Mitmensch", deren Vorsitzende Lorenz ist, hatte in einer Aussendung dazu aufgerufen, Asylwerber, die unrechtmäßig abgeschoben werden sollen, zu schützen, indem man ihnen privat Unterschlupf gewährt: "Wenn schwer traumatisierte Menschen von Abschiebung bedroht sind, muss man ihnen helfen", bekannte sich Lorenz in einem Zeitungsinterview zu diesem Aufruf und wurde wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze" angezeigt.

Reaktionen der Betroffenen

"Ich will Menschen mit den Mitteln des Rechtsstaates vor verfassungsrechtswidrigen Abschiebungen schützen. Davon lasse ich mich sicher nicht abbringen. Ich finde es bedenklich, dass der Innenminister gegen Mitglieder des Menschenrechtsbeirats vorgeht, die ihn in menschenrechtlichen Angelegenheiten beraten sollten,“

meint die Rechtsanwältin. Auch Bürstmayrs Sorge gilt mehr seinen Mandanten als "perfiden und dummen Anzeigen", die auf ihn wirkten, "als ob sie von 17-jährigen Lehrlingen der Stasi verfasst worden wären".

Politische Verfolgung?

Zu diesem Schluss kommt die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International", die den Fall nach ihren strengen Evaluierungskriterien untersucht hat. Zum ersten Mal müsse man hier von klassischer politischer Verfolgung sprechen - so ihr Befund - vielleicht, weil die beiden Rechtsanwälte Innenministeriumspläne, das Asylrecht zu beschränken, immer wieder durchkreuzt hätten.

"Georg Bürstmayr hat erst kürzlich wichtige Teile des neuen Asylgesetzes von Innenminister Strasser durch eine Verfassungsgerichtshofsklage zu Fall gebracht, und Nadja Lorenz hat immer wieder in Polizeiübergriffsverfahren vertreten,"

erläutert auch "Falter“-Journalist Florian Klenk, der als erster in dieser Affäre rund um die beiden Anwälte recherchierte. Auch Harald Bisanz, Leiter der Wiener Rechtsanwaltskammer, äußerte sich in der "Wiener Zeitung" äußerst besorgt und meinte, würden solche Anzeigen von einem (österreichischen) Rechtsanwalt derart, nämlich ohne Prüfung der Tragfähigkeit, verfasst und eingebracht, so würde sich dieser Kollege wohl rasch mit dem Disziplinarrat konfrontiert sehen.

Die Reaktion des Innenministers

Innenminister Strasser, der für das "Journal-Panorama“ zu keinem Interview bereit war, stand für das Vorgehen der Behörden am 10. November im Nationalrat Rede und Antwort, als die Grünen an ihn eine dringliche Anfrage zu dieser Affäre richteten. Er bestritt vehement jedweden politischen Hintergrund. Dass Beamte laut Artikel vom "Falter“ angewiesen wurden, akribisch nach nur irgendeinem, möglicherweise belastenden oder kompromittierenden Material gegen die beiden unbequemen Menschenrechtsanwälte zu suchen, sei böswillige Verleumdung. Die Causa sei jedenfalls keine Angelegenheit seines Büros gewesen, sondern eine Sache des Bundeskriminalamtes, "wie in Dutzenden anderen Fällen auch. Das Kabinett war nie involviert.“

Fahler Nachgeschmack

Wie immer man diese Affäre beurteilen mag, es bleibt ein fahler Nachgeschmack hängen. Georg Bürstmayr hätte sie beinahe seinen Posten gekostet. Durch den wachsenden Druck in der Öffentlichkeit wurde der Rechtsanwalt aber nun doch wieder von Minister Strasser in seinem Amt als Kommissionsleiter im Menschenrechtsbeirat bestätigt. Dennoch bleibt die Frage bestehen: Müssen künftig engagierte Menschenrechtsvertreter in Österreich mit polizeilichen Maßnahmen rechnen? Die Leiterin der österreichischen Richtervereinigung, Barbara Helige, verweist jedenfalls auf die Wichtigkeit einer starken Anwaltschaft als wesentlichen Pfeiler des Rechtsstaates hin, wenn sie im Sinne wohl aller meint:

"Anwälte dürften im Sinne der Menschenrechte bei ihrer Tätigkeit weder behindert noch eingeschüchtert werden."

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Links
Amnesty International Österreich
Operation Schmutzkübel - "Falter"-Artikel
Hendl-Diebe in U-Haft - Artikel in "Wiener Zeitung"
volksgruppen.ORF.at
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