Mundry-Erstaufführung aus Graz

Aus einer ungewöhnlichen Perspektive

Im Rahmen des Grazer "musikprotokolls" führte das "RSO Wien" als österreichische Erstaufführung Isabel Mundrys "Penelopes Atem" erfolgreich auf. In ihrem Werk erzählt die deutsche Komponistin eine berühmte Geschichte aus einer ungewöhnlichen Perspektive.

"Penelopes Atem" erzählt eine berühmte Geschichte aus einer ungewöhnlichen Perspektive: Während Odysseus jahrzehntelang unterwegs ist, erlebt Penelope die Kehrseite dieser Medaille, das Gestalten eines Lebens im Wartezustand. Die deutsche Komponistin Isabel Mundry übertrug diese Fragmente einer Geschichte in ein Stück für großes Orchester und Solo-Sopran: "Ihre Odyssee beginnt", merkt Isabel Mundry über Penelope an, "wo der eigene Resonanzraum entschwindet".

Das "RSO Wien" mit dem Dirigenten Johannes Kalitzke interpretierte diese österreichische Erstaufführung, die nicht zuletzt aus Gründen der spektakulären Orchester-Aufstellung eine Herausforderung darstellt, in der Grazer Helmut-List-Halle: Das Orchester sitzt nämlich nicht vor dem Publikum auf der Bühne, sondern rund um das Publikum.

Neue Klangraum-Möglichkeiten

Die Klänge zischen und schweben quer durch die Konzerthalle und im Sinne des zitierten Statements der Komponistin über den Resonanzraum scheinen das Orchester und die weibliche Stimme einander gegenseitig akustische Räume zu öffnen, neue klangräumliche Möglichkeiten zu entwerfen.

"Rekonstruktion als kompositorische Reflexion", sagt Johannes Kalitzke, der in diesem Konzert nicht nur als Dirigent, sondern auch als Komponist auftritt, über seinen Ansatz, ein Werk von Johannes Brahms in die Gegenwart weiterzukomponieren.

Remix, seit Jahrhunderten vorhanden

Was in anderen musikalischen Szenen heutzutage oft Remix heißt, gibt es in der komponierten Musik selbstverständlich ebenfalls - und zwar schon seit Jahrhunderten: Die produktive Auseinandersetzung mit der eigenen Musikgeschichte, mit dem Werk bewunderter Vorgänger.

Johannes Kalitzke wählte vier Gesänge von Johannes Brahms, ein Alterswerk über die zunehmend verinnerlichte Gewissheit irdischer Vergänglichkeit. Diesem intensivem Thema nähert sich der Komponist, nicht ohne in seiner eigenen Text-Collage auch Bilder von erotischer Todessehnsucht von Lord Byron zu Klang und Wort kommen zu lassen: Ein Orchesterstück des 21.Jahrhunderts, in dem ständig das 19. Jahrhundert wie ein Gespenst umgeht.

Erfolg für "RSO Wien"

Der Erfolg des Konzerts spiegelt sich auch in den Kritiken wider: "Das gut disponierte 'RSO Wien' (unter Johannes Kalitzke) umkreist das Publikum mit klugen, filigranen und sich zu dramatischer Pracht verdichtenden Strukturen von Isabel Mundry. Besonders Penelopes Atem, Teil eines entstehenden Musiktheaters, vermittelt eine sensible Handschrift, die seelische Regungen in farbenreiche Sprachmelodie transformiert", hieß es in der "Standard"-Rezension.

Und die "Kleine Zeitung" berichtete: " ... Im Teilstück List-Halle fungierte das 'Radio Symphonieorchester Wien' als brillanter Schrittmacher. Für 'Penelopes Atem' von Isabel Mundry, inspiriert von Großstadtirrläufen in Tokio und Chicago, splitete sich der Riesenapparat im Raum zur Quadrophonie. Salome Kammer, als Sängerin, Schauspielerin und Cellistin in der Avantgarde daheim, führte ihren Sopran durch dichtes Tongeflecht hinauf in Stratosphären. Danach ließ Dirigent Johannes Kalitzke in seinem Werk 'Vier Toteninseln' Klänge wie aus gläsernen Träumen aufsteigen und verwandelte sein Orchester quasi in eine musikalische Wundermaschine".