Der Königsberger Denker

Der Kant-Hype

Kant boomt. Im Feuilleton, in Bucherveröffentlichungen, auf Kongressen und das 200 Jahre nach seinem Tod. Nur zum Jubiläum, befürchten die einen. Was der Philosoph geschaffen hat ist und bleibt einzigartig. Auch nach dem Hype, sagen die anderen.

Das "kleine Manelchen", so wurde Kant von seiner Mutter wegen seiner schmächtigen, schwächlichen Körper-Statur genannt - er wurde nur ein Meter 57 groß - wird nun als Geistestitan wieder entdeckt.

Nur zum Jubiläum, befürchten die einen. Was der Königsberger Denker geschaffen hat an enzyklopädisch Universalistischem - ob in der Erkenntnistheorie, der Moralphilosophie, dem Recht oder der Religion - das ist einzigartig und bleibt. Auch nach dem Hype, sagen die anderen.

Das Kant-Klischee

Für den profunden Kant-Kenner Otfried Höffe von der Universität Tübingen ist der am 12. Feber 1804 verstorbene Königsberger brisant, weil er ein Vordenker der Globalisierung war.

Kant der Pedant, heißt es oft. Um 5:00 Uhr früh ließ er sich täglich wecken, um Vorlesungen vorzubereiten und abzuhalten - wobei er als einer der ersten Professoren seine Hörer mehr zum Philosophieren anregte als zum Auswendiglernen antrieb.

Um Punkt 13:00 Uhr traf sich bei ihm eine bunt gemischte Tischgesellschaft zum Mittagessen und Diskutieren. Der Spaziergang um 17:00 Uhr mit seinem Freund, dem englischen Kaufmann Joseph Green, war so pünktlich, dass die Königsberger ihre Uhren danach stellen konnten, sagt man. Am Abend war Zeit für Lektüre.

Um 22:00 Uhr war Kant im Bett. Für Otfried Höffe ist das Klischee Kants als pflichtbesessener asketischer Prinzipienreiter eine Karikatur. Kant sei - intellektuell - ein Weltbürger gewesen, der Humanität mit Geselligkeit zu verbinden versucht hat.

Kant der Moralapostel

In die Geschichte ist Kant vor allem als Moralapostel eingegangen. Und: seine Moralphilosophie ist zur Zeit wieder en vogue. Einer der Gründe: die beängstigenden Fortschritte zum Beispiel in der Biotechnologie. Da sucht man nach festem moralischem Halt. Da hätten nun die Postmodernisten mit ihrem "anything goes", "Jeder wie er will" ausgedient, meint der Berliner Philosoph Volker Gerhardt.

Der kategorische Imperativ

"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte". Der kategorische Imperativ Kants - aus der "Kritik der praktischen Vernunft" - ist zum geflügelten Wort geworden.

Der Ausspruch vom "bestirnten Himmel über mir und dem moralischen Gesetz in mir", die - so Kant - ihn "mit immer neuer Bewunderung und Ehrfurcht" erfüllen, ist weltbekannt. Gerade weil Kant sich voll bewusst war, dass "aus so krummem Holze als woraus der Mensch gemacht ist, nichts ganz Gerades gezimmert werden kann", war er ein Moralphilosoph mit Leib und Seele.

Der freie Wille

Mit dem Begriff des moralischen Gesetzes untrennbar verbunden sind bei Kant die Begriffe der Autonomie (der Selbstgesetzgebung) und der Freiheit. Wenn Menschen nicht frei entscheiden können, ist das Sittengesetz nichts wert. Gibt es nun den freien Willen, wie ihn Kant postuliert, oder nicht?

Daran scheiden sich die Geister. Der Münchner Psychoanalytiker und Autor Wolfgang Schmidbauer teilt Kants Ansatz. Der freie Wille bei Kant sei eine Metapher dafür, wie wir Dinge individuell erleben: jeder Mensch fühlt sich frei, auch wenn er in seinem Tun - von außen betrachtet - durch Triebe, Kindheitserfahrungen oder Stimmungen bestimmt ist.

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