Neue Wege beschreiten
Alfred Treiber
Der gegenwärtige Ö1-Chef Alfred Treiber sagt was er denkt und denkt, was er sagt. Schon als Radio-Jungredakteur bot er Neuem eine Plattform. Später bestritt er mit der Gründung der Feature-Redaktion neue Wege. Als Ö1-Chef lotet er die Möglichkeiten des Radios immer wieder neu aus.
8. April 2017, 21:58
Alfred Treiber
Alfred Treiber wurde im Jahre 1944 in Wien geboren und begann schon früh mit dem Journalismus. Er verfasste Theater- und Buchkritiken und studierte nebenher Germanistik, Philosophie, Geschichte, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft.
Seine Studien hat er jedoch nicht abgeschlossen, dafür ist Treiber als Radiojournalist seit jeher ganz in seinem Element.
Plattform für literarische Avantgarde
Begonnen hat er seine ORF-Karriere als einer der kreativen Köpfe der damaligen Radio-Jugendredaktion. Zu Treibers Berufs-Kollegen zählten Richard Goll, Erhard Busek, Heide Pils, Wolfgang Schüssel, Andre Heller, Anton Pelinka und andere mehr. Treiber spezialisierte sich auf die Literatur, die bis heute eine seiner großen Leidenschaften geblieben ist.
Für eine Sendung mit Ernst Jandls "Laut und Luise" setzte es mehr als 800 empörte Anrufe. Doch der Jung-Journalist ließ sich nicht entmutigen und bot der damals jungen österreichischen literarischen Avantgarde weiterhin eine Plattform im Radio. Dabei stellte Treiber dem Ö3 und Ö1 Publikum heute so bekannte Autoren wie Elfriede Jelinek, Werner Kofler, Reinhard Prießnitz, Gert Jonke erstmals vor. Treiber produzierte auch das erste Peter Handke Hörspiel im ORF.
Gründung der Feature-Redaktion
Anfang der Siebziger Jahre beteiligte sich Alfred Treiber als Programm-Berater bei Radio Afghanistan und am Aufbau eines Schulfunks im Rahmen eines UNESCO-Projekts. Nach seiner Rückkehr zum ORF beschritt der Journalist zusammen mit Richard Goll neue Wege: er gründete die Feature-Redaktion.
Die Feature-Produktion Ein treuer Diener seines Herrn und der Herr" von Reinhard Schlögl und Alfred Treiber gewann 1983 den Prix Futura. Der Sonnenzug", eine Sozialreportage Behinderter quer durch Österreich, von Richard Goll und Alfred Treiber wurde 1978 mit dem Prix Italia ausgezeichnet.
Ö1-Chef seit 1987
Goll und Treiber loteten die Möglichkeiten des Radios neu aus. In ihren Produktionen wurde das Mikrophon gleichsam zur Kamera des Radio-Journalisten. Ihre liebvollen, oft auch sanft-spöttischen stereophonen Originalton-Reportagen sind heute mehrfach preisgekrönte Radiogeschichte.
Im Jahre 1987 wurde Alfred Treiber zum Leiter der Hauptabteilung "Literatur und Feature" bestellt. Der Kunst- und Büchermensch Treiber ist seit 1995 Kultur- und Programmchef von Ö1. Seit diesem Zeitpunkt ist die Beliebtheit des Kultursenders Ö1 stetig gewachsen. Die Tages-Reichweite stieg von 4,9 Prozent im Jahre 1994 auf mittlerweile fast acht Prozent an. Ö1 liegt damit weit vor vergleichbaren Stationen wie Bayern 4 Klassik, France Culture oder BBC 3.
Eine Standortbestimmung
Österreich 1 ist ein Kind der Rundfunk-Reform von 1967. Vor 35 Jahren nahm der Sender seinen Betrieb zum ersten Mal auf. Ö1 war als Kultur-Sender für Information, Musik und Wortprogramme zuständig und bot damit ein gemischtes Programm.
Als die Signation des Mittagsjournals zum ersten Mal ertönte, wurden die Hörer aus dem Dämmerschlaf der bisherigen Nachrichtenlitanei gerissen. Ab nun war man etwa beim Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei, der ersten Mondlandung, der Ausrufung des Palästinenser-Staates oder der Verkündigung des Endes der Apartheid dabei.
Gerd Bachers Struktur-Programme
Nach der Rundfunk-Reform von 1967 kam die Einführung der Struktur-Programme durch Gerd Bacher. Nach dem Vorbild der BBC wurden Ö1 als Kultur-Sender, Ö3 als Unterhaltungs-Sender und Ö2 als Sender für Regional-Programme mit speziellen Aufgaben eingerichtet.
Alfred Treiber meint dazu: "Ganz entscheidend für Ö1 war dabei die Informations-Explosion, die Informations-Kompetenz eines Kultur-Senders, weil ein allgemein interessierter Kulturmensch sich auch für die Zeichen der Zeit und für die Politik interessiert." Ob Ö1 d e r Kultursender für Information, Musik und Wort-Programme sein kann, wurde Anfang der 90er Jahre in Frage gestellt.
Neupositionierung mit "Ö1 gehört gehört"
"Wir wollten ein generalistisches Kulturprogramm bleiben, und der Erfolg scheint uns recht zu geben, " meint Treiber. Die Neupositionierung von Ö1 im Sinne eines multimedialen Dienstleistungs-Unternehmens begann 1995 mit der Werbekampagne Ö1 gehört gehört.
In diese Zeit fallen, als Zeichen der Öffnung gegenüber dem Publikum, auch die Gründung des Ö1 Clubs, die ersten CD-Produktionen und das RadioKulturhaus.
Grandioser Erfolg: 600.000 Ö1-Hörer
All diese Aktivitäten führten zum Erfolg, denn die Ö1-Hörerzahl stieg mit derzeit 600.000 Hörern, auf mehr als das Doppelte. Man arbeite ständig an "schrittweisen Verbesserungen", betont Treiber. Dabei stütze man sich auf die Radio-Forschung und "unser Bauchgefühl". "Wir bemühen uns sicher mehr als so mancher anderer Sender herauszufinden, was unser Publikum will." Denn abrupte Programm-Änderungen goutiert der "klassische" Ö1-Hörer gar nicht.
Ein weiteres Ziel des Ö1-Programms soll eine Forcierung der Wirtschafts-Berichterstattung mit einer "Wirtschaftssendung mit Hintergrund", sowie eine "weitere Erhöhung unserer Informationskompetenz" sein.