Auf den Spuren von Jacques Offenbach

Der Kuhhandel

Kurt Weill wollte eine "Offenbach-Operette" schreiben, als er auf dem Weg ins amerikanische Exil war. Herausgekommen ist "Der Kuhhandel", eine melodienreiche, Weltpolitik-kritische Farce, die an der Volksoper Wien zur Wiener Erstaufführung kommt.

Auftrittslied des Generals

Der idyllische Schauplatz: eine imaginäre Insel in der Karibik. Zwei benachbarte Staaten, die in Frieden und in Eintracht leben - bis ein amerikanischer Waffenhändler auf den Plan tritt und ein beispielloses Wettrüsten an anstachelt. Die Anführer dies- und jenseits der Grenze: militärklamottig; die Staatskassen da und dort: leer. Ergebnis: neue Steuern werden ersonnen - und Juan und Juanita, das heiratswillige, doch zahlungsunfähige Liebespaar, muss zusehen, wie ihr einziges Hab und Gut konfisziert wird, eine Kuh.

Das und die sich weiter ergebenden Verwicklungen hat Kurt Weill unmittelbar nach seiner erzwungenen Emigration aus Deutschland 1933/34 zu einer bissigen, zeitkritischen Offenbachiade verarbeitet, die den heute üblichen Titel "Der Kuhhandel" aber erst später verpasst bekommen sollte.

Kurt Weill in Paris

März 1933: Kurt Weill flieht aus Deutschland. Caspar und Erika Neher, Freunde und gemeinsam mit Weill Brecht-Mitarbeiter der ersten Stunde, chauffieren ihn zur deutschen Westgrenze, wenig später trifft Weill in Paris ein. Paris wird zur ersten Station seiner Emigrations-Odyssee, die erst in den USA beendet sein wird: Nicht Musik zu Bertold Brechts "epischem Theater" wird dort gefragt sein, sondern melodienreiches und dennoch geistvolles Musical - doch ist Kurt Weill nicht innerlich schon längst künstlerisch am Weg "zu neuen Ufern"?

Zwar entsteht in Paris noch das ballet chanté "Die sieben Todsünden" als ein Nachzügler der jahrelangen Kollaboration mit Brecht zwischen "Dreigroschenoper" und "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", aber das andere Pariser Projekt ist zukunftsweisender. Das andere Projekt: die Keimzelle des "Kuhhandels".

"Die beste Tradition der Operette"

Mit Robert Vambery, dem früheren Dramaturgen am Berliner Theater am Schiffbauerdamm, dem Uraufführungshaus der "Dreigroschenoper", will Weill eine Operette "weit weg vom Operetten-Schund" zuwege bringen - "Die Verlobung von Santa Maria" lautet der Arbeitstitel.

"Die großen Vorteile des Stückes liegen darin, dass es an die beste Tradition der Operette, die seit Jahrzehnten verschüttet war, endlich wieder anknüpft und die aktuellsten Dinge (Dinge, die viel aktueller sind als das Dritte Reich) in liebenswürdiger, komischer Weise zeigen", schwärmt Weill. Die "beste Tradition der Operette" - gerade in Paris bedeutet das natürlich: Jacques Offenbach.

Von der verlorenen Kuh

Offenbachs Ironie, Offenbachs Tempo - ganz oft erinnert, was Kurt Weill an Musik bald zu Papier bringt, daran. Nicht, dass es nicht weiter den typischen deklamatorischen Weill-Balladenton gäbe, wie man ihn seit "Happy End" kennt. Sehr raffiniert kommt er diesmal daher in der reichhaltigeren und manchmal sogar pariserisch angehauchten Orchestereinkleidung.

Man findet viele elanreiche kurze Nummern, die am ehesten "offenbachisch" klingen, dazu zwei ausgedehnte Operetten-Finali, und wenn in einem davon Juan und Juanita parodistisch schmelzend von der verlorenen Kuh singen, dann ist das eine satirische Facette mehr.

Vom "Kingdom for a Cow" zum "Kuhhandel"

Trotz allem gelingt es Weill und Vambery nicht, "Die Verlobung von Santa Maria" in Paris auf eine Bühne zu bringen. Weills Emigration geht weiter, weiter westwärts, und in London wird das Stück schließlich uraufgeführt, 1934, rasch umgearbeitet zu einem "musical play" "A Kingdom for a Cow", aber immer noch sehr politisch. Der Londoner Presse gefällt's, das Publikum bleibt fort.

Weill nimmt die Partitur mit in die USA, bringt die besten Nummern aus ihr auch in einigen seiner Musicals unter - und als der Komponist 1950 stirbt, stehen die Nachlassverwalter vor einem wirren Haufen musikalischer Fragmente. Erst in den 1970er Jahren unternimmt es Lys Symonette, vormals Weills Korrepetitorin, daraus die ursprüngliche, in Paris geschriebene Operette zu rekonstruieren.

Wiener Erstaufführung am 5. Mai

Kurt Weill zwischen Schiffbauerdamm und Champs-Elysées, zwischen Fandango und Militärmarsch: 2004 war "Der Kuhhandel" in dieser Fassung bei den Bregenzer Festspielen in der Inszenierung von David Pountney ein durchschlagender Erfolg, am 5. Mai 2007 übersiedelt die dort gezeigte Produktion für die Wiener Erstaufführung nun an die Volksoper Wien.

Hör-Tipps
Apropos Oper, Donnerstag, 3. Mai 2007, 15:06 Uhr

Intrada, Freitag, 18. Mai 2007, 10:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Kurt Weill", "Der Kuhhandel", Samstag, 5. Mai 2007, 19:00 Uhr, Volksoper Wien

Link
Volksoper Wien