Wie vorbildlich ist die Integration?

Der Islam in Österreich

In Österreich leben etwa 400.000 Muslime. Das ist prozentuell einer der höchsten Anteile in ganz Europa. Das offizielle Österreich präsentiert sich gerne als Vorbild. In den letzten Monaten ist die Kritik an der Vertretung der Muslime gewachsen.

Droht in Österreich Gefahr durch islamistischen Terror? Droht die Entwicklung einer islamischen Parallelgesellschaft, in der die Scharia gilt, Frauen mit Kopftuch zwangsverheiratet werden und die von konservativen Geheimgesellschaften unterwandert ist? Oder wird ein europaweit vorbildliches Modell der Integration von Muslimen von Querulanten und Wichtigtuern schlecht geredet?

Vor diesem Hintergrund wird seit Ende Dezember über die Muslime in Österreich diskutiert, speziell über ihre offizielle Vertretung, die islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs.

Ausgelöst wurde die Debatte durch eine Anzeige, die es bis auf die Titelseite der Kronenzeitung geschafft hat "Hassprediger in Wien!" Gemeint war Scheich Adnan Ibrahim. Seine Predigten waren bis zur Anzeige im Internet verfügbar und wurden außerdem als Kassetten verkauft. Zu hören war so etwa:

Abu Hanud, Gott habe ihn selig, Abu Hanud ist 500 israelischen Soldaten begegnet und hat 19 von ihnen umgebracht und zahlreiche verwundet. Das ist das arabische islamische Heldentum, das Blut der freien Muslime, das Blut des Märtyrertums.

Adnan Ibrahim ist nicht irgendjemand. Er ist Imam an der Schura-Moschee in Wien, der Vorzeige-Moschee der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Der Öffentlichkeit wurde er lange als liberaler Vorzeigeprediger präsentiert.

Ö1 liegen mehrere seiner Predigten vor, übersetzt von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher. Darin findet sich nichts, was mit dem Strafrecht in Konflikt kommt, auch zu Terror-Anschlägen ruft Adnan Ibrahim nicht auf. Von liberaler Geisteshaltung oder dem Willen zur Integration zeugen die Predigten aber ebenfalls nicht, wenn es darin beispielsweise heißt:

Der Westen zeichnet sich dadurch aus, dass er das übelste Erbe aller Nationen in Bezug auf moralischen Verfall und sexuelle Freiheit übernommen hat.

In den Predigten geht es fast ausschließlich um Politik, und zwar Politik des Nahen Ostens: Etwa um die Rolle der herrschenden Regime in den arabischen Staaten:

Sie haben vom Nationalismus Inhalt und Form übernommen und den Islam als Feind betrachtet. Wir sprechen über Nationalismus und Islam. Aber wie können wir Nationalismus und Islam gleich stellen? Das geht nicht! Ich bin Araber, Muslim und Islamist. Sind wir denn verrückt geworden? Der Nationalismus hat uns nur Katastrophen, Schande und Unehre gebracht. Und weil er auf allen Ebenen versagt hat, ist der Nationalismus verdrängt worden. Jetzt ist die Epoche der Völker im Rahmen des islamischen Glaubens gekommen.

Scheich Adnan ist eine umstrittene Persönlichkeit - leider war im Rahmen dieser Recherchen kein Gespräch mit ihm möglich. Im persönlichen Gespräch soll er sehr aufgeschlossen, liberal, ja sogar progressiv sein. In seinen Predigten soll sein Temperament aber immer wieder mit ihm durch gehen. Er beschimpft auch den Papst:

Deine beleidigenden dumme Äußerung ist nicht einmal einen Nagel am Fuß unseres edlen Propheten wert.

Er sagt - im übertragenen Sinn -, dass Muslime die Frauen in Europa wie Kriegsbeute behandeln dürfen, und dass die Ehe mit ihnen ein soziales Verbrechen für das Blut der Muslime sei.

In einer Erklärung vom Jänner betont Adnan Ibrahim, dass viele Zitate aus dem Zusammenhang gerissen seien, er engagiere sich für die Gleichberechtigung von Frauen und wende sich gegen Gewalt und Terror.

Die Anzeige gegen Adnan Ibrahim wurde inzwischen zurückgelegt. Sie hat aber eine Frage aufgeworfen: Was passiert in den österreichischen Moscheen und Gebetsräumen? Und was geht in den Köpfen der hier lebenden Muslime vor? Das Problem: Auch mehrmonatige Recherchen reichen nicht aus, diese Fragen abschließend zu beantworten. Für Außenstehende ist nicht nachvollziehbar, wie Muslime organisiert sind, für wen und welche Inhalte diese Organisationen stehen.

Nur ein Bruchteil derer, die Kritik an muslimischen Organisationen äußern, will das auch öffentlich tun. Drohungen, bis hin zu Morddrohungen, sind keine Seltenheit. Die Grenzen zwischen berechtigtem Vorwurf, Verschwörungstheorie und persönlichen Abrechnungen sind daher kaum zu ziehen.

Droht in Österreich islamistischer Terror?
Diese Frage dürfte am einfachsten zu beantworten sein: Das Risiko für einen Anschlag ist gering. Und - das gestehen auch Kritiker ein: Sollte eine solche Gefahr bestehen, könnte die Islamische Glaubensgemeinschaft eine mäßigende Wirkung ausüben.

Der Verfassungsschutzbericht zählt einige Organisationen auf, die in internationale Netzwerke eingebunden sind und zur Radikalisierung neigen, ein junger Wiener prahlt damit, Kämpfer der Al Kaida im Irak gewesen sein zu wollen. Journalistische Methoden reichen aber nicht aus, um diese Frage zu beantworten. Daher die offizielle Auskunft des Amtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Es besteht keine akute Terrorgefahr.

Mehr zum Thema Islam in Österreich in oe1.ORF.at
Islamische Parallelgesellschaft
Geheime Unterwanderung
Wer hat das Sagen?
Wie gut ist die Integration?

Links
Islamische Glaubensgemeinschaft
iidz - Islamisches Informations- und Dokumentationszentrum
Islamisches Religionspädagogisches Institut
alevi.at - Föderation Alevitischer Gemeinden in Österreich
Dokumentationsarchiv für Islamophobie
ZARA - Zivilcourage und Antirassismusarbeit
Muslimischer Lehrverein - Linkliste Islam in Europa