Arroganz mit Hirn gepaart

Der Star als Reporter

Heinz Fischer-Karwin, aus Linz gebürtig, gelernter Schauspieler, arbeitete im Aktuellen Dienst des Radios, bevor er als "Star-Reporter" mit Sendungen wie "Aus Burg und Oper" und "Ihr Auftritt, bitte!" selbst zum Star wurde.

Heinz Fischer-Karwin am 15. Mai 1955

Eine Szene aus den frühen 1960er Jahren wurde rasch berühmt: Aus der Ausfahrt des damals noch vom Fernsehen bespielten, "Affenhaus" genannten Studios in Wien-Schönbrunn, in der vielbefahrenen Maxingstraße, glitt ein weißes Sportcoupé und wurde, ohne etwa wegen des Nachranges anzuhalten, von einem daherkommenden Vorrangbesitzer demoliert. Dem weißen Coupé entstieg, sichtlich degoutiert, aber unverletzt, ein hochgewachsener, schlanker "Herr in den besten Jahren", wie man damals noch sagte, zupfte sich indigniert den Trenchcoat zurecht, prüfte den Zug seiner Pfeife, rief den ob des Krachs herausgeeilten Kollegen zu, sie mögen gefälligst den unschönen Anblick vom Straßenrand entfernen lassen, ließ die verdutzte Gruppe mit zwei Blechschäden stehen, winkte einem soeben vorüberfahrenden Taxi und verschwand.

Heinz Fischer-Karwin hatte freilich schon vorher den Ruf, arrogant zu sein. Er hatte ihn ungern, weil er dieses Ondit auf seine zuweilen kaum verhohlene "Abneigung gegen dumme, unverlässliche und humorlose Menschen" zurückführte.

Bildung und Fachkönnen

Tatsächlich war Heinz Fischer-Karwins Arroganz - sie bestand auch darin, dass er sich, obwohl Star bei Radio und Fernsehen, beharrlich "Reporter" nannte und augenfunkelnd darauf wartete, wie sein jeweiliger Gesprächspartner mit solchem Understatement fertig würde - tatsächlich war seine Arroganz so unnachahmlich gepflegt wie sein Äußeres und auch seine Bildung und sein Fachkönnen: "HFK" war ausgebildeter Schauspieler, ein vorzüglicher Rhetoriker, sprach- und sprechgewandt, auch schon als Autor von Bühnenstücken und Hörspielen nicht ganz erfolglos, als er, Jahrgang 1915, zu Hitlers Wehrmacht eingezogen wurde. 1945 stand er da, inzwischen 30 Jahre alt, ambitioniert, aber von - nicht nur materiellen - Ruinen umgeben.

Er ging zum Radio, als hinter dem Wiener Funkhaus, im vormaligen und auch jetzigen Parkareal des Theresianischen Gymnasiums, Schießübungen der sowjetischen Soldaten stattfanden. Er ging bei erstbester Gelegenheit weg, zur Londoner BBC, und danach für gut acht Jahre als Korrespondent nach Paris. Fischer-Karwin, Sohn aus alter, wenn auch nicht glorreicher Offiziersfamilie, gebürtig aus Linz, blieb Zeit seines Lebens britischer Disziplin und Vernunft ebenso wie französischer Lebensart verbunden.

Von der Großreportage zum Prominentengespräch

Ab 1955 leitete er, wieder in Wien, den Aktuellen Dienst, machte alle Großreportagen von Staatsvertrag bis Burgtheater- und Operneröffnung. Von großkoalitionären Krampfpolitikern aus seiner so souverän scheinenden Position verscheucht, startete er eine zunächst als Belangsendung gedachte Interviewreihe, die eigentlich nur dem damaligen Kult um Filmstars (!) paroli bieten sollte. Sie wurde selbst Kultprogramm und Heinz Fischer-Karwins Markenzeichen bis zum Schluss: "Aus Burg und Oper".

Natürlich hieß "Prominenz" das Zauberwort, mit dem das Publikum gelockt wurde, aber Fischer-Karwin wusste auch mit diesem seinem "Humankapital" überaus geschickt umzugehen, war mit sprachlicher wie sprecherischer Kompetenz seinen Gesprächspartnern zumindest nicht krass unterlegen, bot nicht selten die Stirn (und auch Einiges dahinter) und pflegte seine Subjektivität, manchmal penetrant, aber mit subtiler Eleganz und auf verlässlich hohem Niveau. Man war, prominenterseits, gern eingeladen von "HFK".

Schauspieler ohne Text

Fischer-Karwin blieb, auch wegen seiner starken Sprachbeziehung, dem analytischen Medium Radio treu - trotz allerlei Fernseharbeit, von mehreren Quiz-Reihen bis zum Theatermagazin "Ihr Auftritt, bitte".

Seinen selbstbewussten Erinnerungen, knapp nach seinem 50. Geburtstag veröffentlicht, gab der "Reporter" den Titel "Ein Schauspieler ohne Text". Den machte er sich selber.

Er war ein souveräner Solist - vielleicht auch darin einzigartig, dass das Gros seiner Arbeit heute noch bestehen könnte, ohne antiquiert oder sonstwie befremdlich zu wirken. Heinz Fischer-Karwin starb zwei Wochen nach seinem letzten großen Interview, am 27. Oktober 1987.

Hör-Tipp
Patina, Sonntag, 11. November 2007, 9:05 Uhr