Unterwegs in den Naturparks Costa Ricas

Stimmen des Regenwalds

Es verschluckt dich die Finsternis. Du verschwindest im Dunkel, löst dich förmlich auf in der Feuchtigkeit und dem satten Grün dieser Wälder, eingekreist zwischen fingerdicken Lianen. In der Luft hängt das Sirren von abertausenden von Zikaden.

Schweißnass, mit einem am Oberkörper klebenden T-Shirt, streife ich durch einen der letzten noch erhaltenen Tieflandregenwälder an der Pazifikküste Mittelamerikas, der zu den artenreichsten der Erde gehört. Auf einem Hektar Wald wurden hier 180 Baumarten gezählt und an die 3.000 Pflanzenarten. Es ist aber auch die Heimat von über 300 Vogelarten und seltenen gewordenen Tieren wie Jaguare und Ozelots.

Rund ein Viertel des zirka 146 Quadratmeter großen Esquinas-Regenwalds hat der von Michael Schnitzler - ein Enkel des Dichters Arthur Schnitzler - gegründete Verein "Regenwald der Österreicher" bisher freikaufen können. Die mit Hilfe von Spendengeldern erworbenen Grundstücke werden der Republik Costa Rica geschenkt und in den Nationalpark Piedras Blancas eingegliedert. Das Projekt "Regenwald der Österreicher" ist nur eines von vielen, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: Den Raubbau an der Natur in Grenzen zu halten und sie wieder sich selbst zu überlassen.

Heute, rund 500 Jahre nach der Entdeckung durch Christopher Kolumbus am 18. September 1502, sind die ehemals dichten Regenwälder Costa Ricas zu einem überwiegenden Teil abgeholzt und durch landwirtschaftliche Nutzflächen ersetzt: Ölpalmen-, Bananen- und Ananasplantagen prägen heute die Landschaft ebenso wie großflächige Weideflächen für Rinder. Zudem erwerben Immobilienspekulanten Grundstücke zu günstigen Konditionen, bebauen sie mit Feriensiedlungen nach amerikanischem Vorbild und verkaufen sie mit deftigem Profit.

Zaida Villalobos, die Tochter eines Kaffeebauern aus Monte Verde bringt das Problem auf den Punkt: "Für die Bauern ist es aufgrund der gestiegenen Grundstückspreise sehr attraktiv, ihr Land zu verkaufen, aber die Problematik dabei ist, dass sie es niemals zurückkaufen werden können."

Insgesamt sind zwölf Prozent der Landesfläche Costa Ricas als reine Nationalparks ausgewiesen. Mit dem boomenden und gleichzeitig ertragreichen Naturtourismus wurde glücklicherweise auch ein Umdenkprozess bei Fremden wie bei Einheimischen in Gang gebracht.

So haben etwa die Geschwister eines aus Deutschland stammenden Siedlers vor rund zehn Jahren ein einzigartiges Projekt quasi aus dem Boden gestampft: Die weitab vom Schuss gelegene "Selva Bananito Lodge" am Fuße des Cerro Muchilla in der Provinz Limón, die nur mit einem Geländewagen oder zu Fuß erreichbar ist. Sie gilt heute weltweit als eine der führenden, mit Solarenergie betriebenen Öko-Lodges, dessen Abwässer in einem Klärbecken durch Wasserhyazinten gereinigt werden.

Am eindrucksvollsten sind die Morgenstunden kurz nach Sonnenaufgang. Wer die Nacht in der Hängematte draußen vor dem Bungalow verbracht hat, wird spätestens dann von den dissonanten Rufen der Vögel geweckt, die um diese Uhrzeit besonders intensiv zu vernehmen sind. Stunden später bin ich mit Justo López zu Fuß unterwegs, der als Wanderführer für die "Selva Bananito Lodge" arbeitet und die Gegend mit ihren Schönheiten und Gefahren wie kein zweiter kennt. Er wird mich entlang eines Flusslaufes zu einem Wasserfall führen und am Rückweg bei einer kleinen Schlucht abseilen.

Während dieser acht Stunden dauernden Wanderung bleibt er immer wieder stehen, packt eine Wasserschildkröte mit bloßen Händen unter einem Stein hervor, hält eine giftgrüne aber ungiftige Schlange für ein Foto minutenlang am Schwanzende, ohne dass sie zubeißen kann, oder erklärt minutiös das erstaunliche Leben einer Zikade, die er aus dem Unterholz gefischt hat. Die Exkursion endet - was vorauszusehen war - mit einem warmen, intensiven Regenguss. Denn schließlich hat die Regenzeit bereits seit Tagen begonnen.