Volksmusik-Spuren in der Klassik

Der kroatische Haydn

Die Volksmusik der verschiedenen Volksgruppen des Burgenlands hat nicht unbeträchtliche Spuren im Werk von Joseph Haydn hinterlassen. Sogar die alte österreichische Kaiserhymne hat es als Melodie schon vor Haydn gegeben: als kroatisches Volkslied.

Zwar hat Joseph Haydn schon mit sechs das heimische Rohrau verlassen, aber die Volksmusik der verschiedenen Volksgruppen des Burgenlands hat nicht unbeträchtliche Spuren in seinem Werk hinterlassen - nicht nur die alte österreichische Kaiserhymne, die es als Melodie schon vor Haydn gegeben hat: als kroatisches Volkslied.

Haydn ist in eine multiethnische Landschaft hineingeboren, immer wieder hat er die Gelegenheit ergriffen, in den kroatischen Dörfern rund um Eisenstadt in Buschenschanken etwa (einen guten Wein hat er gern getrunken), den kroatischen Bauern beim Singen zuzuhören.

Wo ist das Liedel hingekommen?

Behäbiger, distanziert-aristokratischer, weniger musikantisch-volksnah als die Amsterdamer ist die Live-Aufnahme des zweiten Satzes aus Joseph Haydns Symphonie Es-Dur, mit dem Paukenwirbel, die Wiener Symphoniker unter Lovro von Matacic, sie stammt aus dem Jahr 1984, zu hören im letzten Teil unseres Audios.

Haydn ist so raffiniert, dass wir die Melodien gar nicht als Zitat wahrnehmen, weil er sie so fabelhaft in seinen eigenen Stil integriert. Bemerkenswert ist, wie es in den beiden letzten Londoner Symphonien Haydns, der 103 und der 104, geradezu wimmelt an folkloristischen Bezügen. Weit weg ist er in London und holt sich seine Landschaft, die unterschiedlichen Ethnien, in denen er aufgewachsen ist, nahe her.

"Eroica"-Trauermarsch von Haydn inspiriert?

Manche Wissenschafter glauben, dass Beethovens Trauermarsch in der "Eroica" vom zweiten Satz der Symphonie in Es-Dur, "The drum roll", der "mit dem Paukenwirbel", inspiriert sei. Sicher ist: Während die 103er mit großem Erfolg am 2. März 1795 im Kings Theatre in London aufgeführt wurde, hatte zur gleichen Zeit ein junger Pianist im Palais Lobkowitz seinen ersten solistischen Auftritt als Pianist in Wien: Ludwig van Beethoven.

Inspirationsquelle für den zweiten Satz, Andante più tosto allegretto, aus der Paukenwirbel-Symphonie war das kroatische Volkslied: "Zena j’muza", zu hören am Beginn unseres Audios.

Gradiscanski Hrvati

Die Volksgruppe der Burgenlandkroaten, der Gradiscanski Hrvati, wurde im 16. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Burgenlandes, Teilen Westungarns, der Südwestslowakei und im südöstlichen Niederösterreich angesiedelt, als kroatische Bauern vor den herannahenden Türken flüchteten und von adeligen Grundherren aufgenommen wurden. Teilweise fanden auch organisierte Umsiedlungen statt.

Sie sprachen und sprechen verschiedene archaische kroatische Dialekte, sodass die Umgangssprache oft von Ort zu Ort beträchtliche Unterschiede aufweist. Aber genauso, wie ein Wiener einen Tiroler verstehen kann, ist es auch für einen Eisenstädter kein Problem, sich mit einem Güssinger auf kroatisch zu verständigen, trotz der Dialektunterschiede.

Will man im nördlichen oder mittleren Burgenland etwas wissen, lautet das Zauberwort (so kann man im Beiheft zur ORF-CD "Hausgemacht. Hausmusik der österreichischen Volksgruppen" nachlesen) "èa?". Im südlichen Burgenland fragt man "sto?". Die Schriftsprache, das im 19. Jahrhundert vereinheitlichte Burgenlandkroatisch, unterscheidet sich beträchtlich von der modernen Schriftsprache der Republik Kroatien.

Haydn und die Volksmusik

"Im Gegensatz etwa zum jüngeren Mozart, dem schon von frühester Kindheit an eine konsequent musikalische Ausbildung zuteil wurde, erfolgte Haydns Einübung in die musikalischen Schrifttraditionen schrittweise und zum Teil autodidaktisch", so Gerhard Winkler, Musikreferent des Burgenländischen Landesmuseums und wissenschaftlicher Leiter des Joseph Haydn-Hauses Eisenstadt in seinem Aufsatz "Notizen zum Thema: Haydn und die 'Volksmusik'". "Auch während seines Berufsalltags hatte Haydn in diesem Punkt einen wesentlichen Standortvorteil gegenüber seinen Zeitgenossen: Die Residenzen seines langjährigen Dienstgebers, des Fürsten Esterházy, waren in ländlicher Umgebung gelegen, überdies auf einem Territorium von multiethnischer Besiedelung, Deutschsprachige, Ungarn, Kroaten. Haydn war also auf Schritt und Tritt sowohl mit ländlicher Lebens- und Arbeitswelt als auch mit volksmusikalischen Ausdrucksformen verschiedenster ethnischer Prägung konfrontiert."

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