Ritchie Pettauer über ewiggestrige Medienfuzzis

"Wer nix wird, wird Blogger"

"Wer nix wird, wird Blogger". Zumindest dann, wenn es nach dem Vorsitzenden der deutschen Journalistengewerkschaft geht: Der machte in einer kürzlich gehaltenen Rede der von ihm vertretenen Berufsgruppe wenig Ehre.

Journalisten haben in demokratischen politischen Systemen nicht nur in arbeitsrechtlicher Hinsicht durchwegs eine Sonderstellung inne - manche sehen in ihnen gar die vierte Kraft im Sinne der Gewaltentrennung.

In der Tat ist die politische Informationsleistung notwendiger Bestandteil für eine differenzierte Meinungsbildung. Also sind die Angehörigen der schreibenden Zunft nachhaltig aufgerufen, ausgewogen zu berichten, Sorgfalt bei der Recherche walten zu lassen und sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Wozu das führt, ist hinlänglich bekannt: zu inszenierten, g'schobenen Geschichten am einen und zu Meisterleistungen des Aufdeckungsjournalismus am anderen Ende einer überbreiten Skala teilweise durchwegs konfligierender Interessen.

Weblogs dagegen sind häufig privat betriebene Seiten und der journalistischen Sorgfaltspflicht nur insoweit unterworfen, wie ihr jeweiliger Autor dies für richtig und zielführend hält. Viele Beiträge sind keine "Nachrichten" im Sinne des Terminus Technicus, sondern fallen ins Genre der Kommentare und Glossen: Es handelt sich um subjektive Stilformen, die keinen Anspruch auf Objektivität erheben.

Wenn Michael Konken auf der erwähnten Jahrestagung also über den Unterschied zwischen Journalismus-Profis und Hobby-Bloggern schreibt, dann hätte er auf derartige funktionale Ausdifferenzierungen des Mediensystems verweisen können, aber der Universitätsprofessor zog die grobe Keule vor:

Der Onlinebereich ist aber auch ein Bereich, den wir verstärkt unter qualitativen Kriterien werten müssen. Nicht jeder, der sich dort als Journalist bezeichnet, hat etwas damit gemeinsam. Uns steht es gut zu Gesicht, wenn wir Richtlinien finden, um Müll von Qualität zu trennen und dies den Internetkonsumenten deutlich machen. Das Internet ist eine Plattform auch für Schmierfinken ganz besonderer Art. ... Blogs sind meines Erachtens nur in ganz wenigen Ausnahmefällen journalistische Erzeugnisse. Sie sind eher der Tummelplatz für Menschen, die zu feige sind, ihre Meinung frei und unter ihrem Namen zu veröffentlichen.

Die Diskussion um die Impressumspflicht von Internetseiten führte in Deutschland dazu, dass die überwiegende Mehrheit der Blogs schon längst genaue Herausgeberinformationen veröffentlicht. Unter den Top 50 der deutschen Blogcharts etwa findet sich keine einzige Seite, bei der sich der Herausgeber nicht im Handumdrehen eruieren ließe.

Aber dies ist nur ein Detail und gar nicht der zentrale Punkt der Kritik an einer unglücklichen Rede. Denn die zeigt schlicht und ergreifend überdeutlich, dass Interessensvertretungen in der Regel schwerfälliger und starrer agieren als jene Mandanten, die sie eigentlich vertreten sollen. Und so überrascht es wenig, dass als erster Thomas Knüwer einen offenen Brief an Michael Konken verfasste. Der beim Handelsblatt tätige deutsche Journalist betreibt ein gut besuchtes Medienblog und ist selbst das beste Beispiel für die Absurdität von Konkens Argumentation: Qualität als format- oder medieninhärenten Faktor anzusprechen, zeugt von einer seltsamen Gesinnung, für die Knüwer deutliche Worte findet:

Es liegt mir in den Fingern, mal so richtig zu kontern. Von einem Ewiggestrigen Gewerkschaftsheini, der seine Führerbunkermentalität hauptberuflich auch noch an Studenten weitergeben darf an der Uni Vechta und der FH Oldenburg. Über einen, dessen intellektuelles Niveau in Sachen Mediendiskussion tiefer liegt als die Golf GTI in meiner münsterländischen Heimat.

Innerhalb der Blogosphäre führte das "feige-Blogger-Zitat" in kürzester Zeit zu zahlreichen Reaktionen: Über fünfzig Beiträge in weniger als zehn Tagen bestätigen nachdrücklich, dass Blogger dem Meta-Diskurs genauso wenig aus dem Weg gehen wie einem Impressum. Der Verursacher des Sturms im Blog-Glas allerdings bekräftigte seine Aussagen gegenüber einem Branchenblatt und erklärte, dass es "nichts zu relativieren gäbe", worauf Blogger ein neues Zeitwort vorschlugen: "konken - aus Angst ablehnen, nicht verstehen (wollen)".

Bei aller Polemik steckt auch eine kleine Moral in der Geschichte: Manche Journalisten haben eben doch menschliche Schwächen. Und manche Blogger vielleicht sogar journalistische Stärken. Und Schwächen.

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