Kein gemeinsames Projekt mit dem Filmarchiv

Häupl verspricht Geld für Filmkulturzentrum

Nach dem Aus für das geplante Filmkulturzentrum im Wiener Augarten hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) erneut Hilfe bei der Suche nach einem Alternativstandort angekündigt. Auch eine "entsprechende finanzielle Unterstützung" werde es geben.

Die Wiener Sängerknaben dürfen ihr geplantes Konzertsaal-Projekt im Wiener Augarten verwirklichen. Ein gemeinsames Bauvorhaben mit dem Filmarchiv wird es nicht geben. Das hat Burghauptmann Wolfgang Beer am Montag mitgeteilt. Die vom Wirtschaftsministerium initiierten Gespräche zwischen Sängerknaben und Filmarchiv sind demnach erfolglos verlaufen.

Die Wiener Sängerknaben wollen am sogenannten Augartenspitz eine Proben- und Aufführungsstätte errichten. Der geplante Bau - genannt "Konzertkristall" - soll aber auch die Abhaltung von Workshops ermöglichen und für das Wiener Kindertheater zur Verfügung stehen. Das Filmarchiv hatte ein Filmkulturzentrum geplant, das unter anderem zwei Kinosäle mit insgesamt 240 Plätzen, Ausstellungsflächen sowie eine Freiluftkino-Tribüne für das Sommerkino umfasst hätte.

Baubeginn des Projektes soll bereits im kommenden Frühjahr sein.

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Häupl verspricht Geld für Filmkulturzentrum
Nach dem Aus für das geplante Filmkulturzentrum im Wiener Augarten hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Dienstag erneut Hilfe bei der Suche nach einem Alternativstandort angekündigt. Auch eine "entsprechende finanzielle Unterstützung" werde es geben, sagte er in seinem wöchentlichen Pressegespräch. Das Projekt des Filmarchiv Austria sei "zweifellos ein sehr gutes und begrüßenswertes".

Dass nun die Sängerknaben ihren Konzertsaal am Augartenspitz errichten dürfen, sei Sache des Eigentümers, somit der Burghauptmannschaft und in weiterer Folge des zuständigen Wirtschaftsministeriums. Die Stadt habe daran keinen Anteil. Die Entrüstung der enttäuschten Proponenten des Filmprojekts sei nachvollziehbar. Aufgabe der Stadt sei es nun, dem Filmkulturzentrum zu einem Standort zu verhelfen.

Vertrag wurde unterzeichnet

"Das ist erledigt, es wird kein gemeinsames Projekt geben", erklärte Beer im Gespräch mit der APA. Die Wiener Sängerknaben dürfen nun von ihrem Nutzungsrecht für die Bebauung des - öffentlich bisher nicht zugänglichen - Grundstücks an der Ecke Castellezgasse/Obere Augartenstraße Gebrauch machen. Ein entsprechender Vertrag sei unterzeichnet worden.

Bei den Sängerknaben wurde stets betont, dass der Neubau notwendig sei, weil es im Stammsitz - dem benachbarten Augarten-Palais - keine entsprechende Aufführungsstätte gebe. Laut Beer können die Sängerknaben jetzt einen Einreichplan erstellen. Dieser ist Basis für eine Baubewilligung durch die Gemeinde Wien. Laut bisherigen Plänen soll der zentrale Saal rund 430 Zuschauern Platz bieten.

Finanzierung durch Privatstiftung
Der "Konzertkristall" darf eine Grundfläche von 1.200 Quadratmeter in Anspruch nehmen. Finanziert wird der Bau von der Pühringer Privatstiftung, zuletzt wurden elf Millionen Euro dafür veranschlagt. Das betreffende Grundstück befindet sich, so wie der gesamte Augarten, im Besitz des Bundes.

Das Areal stand zuletzt im Mittelpunkt eines Monate dauernden Streits: Das Filmarchiv wollte gemeinsam mit der Viennale dort auch ein Filmkulturzentrum errichten. Im Frühjahr wurde sogar ein Sponsor dafür präsentiert: Das Ehepaar Ingrid und Christian Reder wollten mit ihrer Stiftung Orion den Bau des Projekts zur Gänze finanzieren - was rund sechs Millionen Euro kosten sollte.

Kurze Zeit später stoppte der Bund die Sängerknaben-Pläne zumindest vorübergehend. Es solle geprüft werden, ob nicht ein gemeinsames Projekt kommen könne, hatte es geheißen. Das ist nun gescheitert. Laut Burghauptmann Beer habe sich unter anderem gezeigt, dass der vorhandene Platz dazu nicht ausgereicht hätte.

Ministerin Schmied nicht informiert

Das Kulturministerium hielt fest, "nicht über das Vorgehen des Wirtschaftsministeriums informiert" gewesen zu sein. Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) habe vor kurzem in einem Brief darauf hingewiesen, dass ihr Ministerium weitere intensive Gespräche auch mit der Stadt Wien in dieser Angelegenheit befürworten würde. Denn aus ihrer Sicht liege die "kulturpolitische Priorität eher beim Filmprojekt", sagte ein Sprecher zur APA.

"Drastischer lässt sich kulturpolitisches Versagen eigentlich kaum darstellen", meinte der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, in einer Aussendung zur Entscheidung für das Sängerknaben-Projekt. "Wirtschaftsminister Bartenstein lässt bauen, und Kulturministerin Schmied unternimmt nicht einmal den Versuch, hier gegenzusteuern. Wieder einmal lässt sich die SPÖ von der ÖVP etwas aufs Aug' drücken und zwar auf Kosten der Anrainer und Anrainerinnen, der österreichischen Filmkultur und des Kulturlebens in Wien." Zinggl weiter: "Wer permanent Evaluierungskommissionen und Arbeitsgruppen einrichtet, ohne jemals Entscheidungen zu fällen, darf sich nicht wundern, wenn er von den Ereignissen überrollt wird."

Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny nahm in einer Aussendung "die Entscheidung von Wirtschaftsminister Bartenstein zur Kenntnis", er bedauere allerdings, "dass sich nicht beide Projekte verwirklichen lassen. Auch wir haben uns eigentlich noch weitere Gespräche erwartet, nicht zuletzt angesichts unseres Angebotes einer anteiligen Finanzierung der Betriebskosten eines Filmkulturzentrums", so Mailath-Pokorny.

Widerstand angekündigt
Eine "Verhöhnung der Bevölkerung" sieht die Planungssprecherin der Wiener Grünen, Sabine Gretner. "Man kann nicht einerseits konstruktive Zusammenarbeit in einem Leitbildprozess einfordern und gleichzeitig vollendete Tatsachen in einem der Hauptkonfliktpunkte schaffen", hieß es in einer Aussendung. Gretner fordert, dass "keine weiteren Schritte, wie etwa Baugenehmigungen, Baumfällungen oder ähnliche vorbereitende Maßnahmen unternommen werden", andernfalls würde es "massiven Widerstand in der Bevölkerung geben".

Der Verein "Freunde des Augartens" findet keine freundlichen Worte für das Vorhaben. "Das ist eine Katastrophe. Es wird sicher massive Proteste geben", erklärte Vereins-Sprecherin Daniela Kraus. Die Entscheidung sei "total undemokratisch" gefallen. "Hier Fakten zu schaffen, ist eine Verarschung", so Kraus. Am Augartenspitz werde nun ein massiver Klotz geschaffen. Abgesehen davon, dass laut Kraus eine Parkbebauung ohnehin ein "Schwachsinn" sei, sei das Projekt auch nicht auf regionale Bedürfnisse ausgelegt. Auf die Frage, welche Art von Protestmaßnahmen geplant sind, meinte Kraus: "Alles, was wir ausschöpfen können."

Hurch "sprachlos"
"Total enttäuscht und eigentlich sprachlos" hat Viennale-Direktor Hans Hurch auf die Entscheidung gegen das Filmkulturzentrum und für den Konzertsaal der Sängerknaben im Wiener Augarten reagiert. "Wir haben gewusst, dass die Entscheidung vor Weihnachten fallen soll", meinte Hurch, "aber mit so einer Kaltschnäuzigkeit haben wir nicht gerechnet."

Er bewertete die Entscheidung als "Endpunkt der politischen Unkultur, die zu diesem Projekt geführt hat". Wirtschaftsminister Martin Bartenstein habe lieber ein "Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" forciert - "das ist die alte 'Speed kills'-Mentalität." Filmarchiv-Leiter Ernst Kieninger ergänzte: "Es kann doch nicht sein, dass eine kulturpolitische Entscheidung nur im Wirtschaftsministerium getroffen wird."

Lange Auseinandersetzung

Der Streit um den Bau hat es bis in die Wochenzeitung "Die Zeit" geschafft, wo man titelte: "Kulturkrieg im Augarten". Die Grundfrage des Konflikts, in dem nun eine Entscheidung für die Sängerknaben gefallen ist: Soll man in den barocken Landschaftspark einen über 1.200 Quadratmeter großen Neubau für die Wiener Sängerknaben stellen? Dagegen wehrten sich die Wiener Grünen und unter anderem eine Bürgerinitiative.

Der Augarten, diese ganz eigene Mischung aus barockem Park und Stadtwäldchen, wird auch kulturell genutzt. Filmarchiv, sommerliches "Kino unter Sternen", der Sitz der Wiener Sängerknaben, das Augarten-Atelier der Österreichischen Galerie mit seinen zeitgenössischen Kunstschauen - das alles ergibt schon eine kleine Kulturmeile. Nur die Sängerknaben hatten dort bis jetzt noch kein Publikumsangebot. Durch den neuen Konzertsaal - ganz nah beim Internat - will sich die abgeschottete Institution nach außen öffnen. Der Saal soll aber mehr sein als eine Bühne für den Knabenchor. Sängerknaben-Präsident Eugen Jesser meinte Anfang des Jahres in einem Gespräch mit dem Ö1 Kulturjournal, dass es nie im Sinne der Wiener Sängerknaben gewesen sei, den Konzertsaal mit eigenen Konzerten auszulasten; das sei unmöglich und das wolle man auch nicht. Es sollen hingegen auch Orchester- und Klavierkonzerte stattfinden.

Umstrittener Standort

Gegen das Sängerknaben-Projekt an sich hatte niemand etwas - aber der Standort am so genannten Augartenspitz erregte die Gemüter. Der östliche Parkzipfel zur Oberen Augartenstrasse ist zwar schon lang als Bauland gewidmet. Auf dieser Fläche habe es schon einmal eine Tankstelle gegeben, so Sängerknaben-Präsident Jesser.

Strittig war auch die Abtragung eines kleinen barocken Wirtschaftsgebäudes zu Gunsten eines Neubausund die Frage, ob sich die zu befürchtende Verkehrbelastung durch Autos und Touristenbusse in den Griff bekommen lässt. Die Grünen nannten den Sängerknaben-Plan eine "Tourismusfalle" und schlugen einen weiter entfernten Standort vor - am Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof. Dann würde der neue Saal aber seinen Sinn verlieren, hatte man bei den Sängerknaben gekontert.