Gesammelte Schriften des Juristen

Walther Rode Werkausgabe

Walther Rode ist in Vergessenheit geraten. Gelegentlich noch als Geheimtipp in Juristenkreisen gehandelt, wurde kein einziges seiner zahlreichen Werke, die schon den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten zum Opfer fielen, bis dato neu verlegt.

Die nun erschienene vierbändige Werkausgabe von Walter Rode verdankt sich dem privaten Interesse zweier Philanthropen: Gerd Baumgartner hat sie herausgegeben, Georg Wiesbauer finanziert.

Walther Rode war ein prominenter Verteidiger in wichtigen Prozessen der Ersten Republik. Er hielt dem System, in dem er zu agieren hatte, den Spiegel vor. Sein Stil: die Satire.

Herrschaft wird sitzend geübt. Es wird zu Gericht gesessen. Die Richtung, die die Rechtssprechung der Menschheit genommen hat, ist nur durch das sitzende Gericht zu erklären. Das Sitzen, die Ausspannung der Glutealmuskulatur, gibt den Verhandlungen vor Gericht Stil und Richtung. Vor Gericht wird Breite mehr geschätzt als Tiefe. Sogenannte breite Sachen werden von Richtern mit breitem Gesäß verhandelt. Die breiten Gesäße beherrschen die Welt, kleben mit dem Niederlassungsorgan an ihren beherrschenden Stühlen. Wie würden die Richter davonlaufen, wenn dem sitzenden Angeklagten der stehende Richter gegenüber träte. Wie würde die Elephantitis der Procedur verschwinden. Wie unwichtig würden sie nehmen, was unwichtig ist.

Mit spitzer Feder

Mit Wortgewalt trieb Rode seine spitze Feder in die Wunden einer menschenverachtenden Justiz - und bezahlte schließlich dafür mit dem Boykott seiner Wiener Kanzlei. Je größer Rodes Erfahrungsschatz wurde, desto mehr stieg sein Verdruss über die zu geringe Reichweite seines Protestes allein im Gerichtssaal.

Er schloss sich den Schriftstellern und Journalisten der Jahrhundertwende an, verkehrte mit den großen Satirikern seiner Zeit, mit Alfred Polgar, Anton Kuh, Karl Kraus. Er selbst verstand sich als bissiger Pamphletist - in einem Verständnis des Wortes, das andere für Philosophie halten würden.

Der Pamphletist, mag er sich auch des leichten Tones und der Übertreibung schuldig machen, nimmt seine Sache blutig ernst. (...) Der Pamphletist ist so töricht, die Welt verbessern zu wollen. Sein Gegenbild ist der Opportunist, der aus dieser bösartigen und verkehrten Welt, wie sie nun einmal ist, das meiste für sich herausholt. Er ist der Idealist, der wider den Stachel löckt.

Einmal Jude, immer Jude

1876 in das Großbürgertum von Czernowitz geboren, war die Identifizierung mit dem jüdischen Assimilationsprojekt bereits Selbstverständlichkeit - ein Projekt, dessen Scheitern er später am eigenen Leib erlebte. Er selbst war zum Christentum konvertiert, hatte seinen jüdischen Namen Rosenzweig abgelegt. Rode verstand sich als Deutscher im Völkergemisch der Monarchie. Schon bei seinem Studium in Wien geriet er in die antisemitischen Umtriebe der deutschnationalen Studentenschaft, die in seinesgleichen wieder den Juden entdeckten.

Mit Scharfsicht erkannte er später das Dilemma des assimilierten Judentums.

Meine Erziehung hat sich beim Judentum nicht aufgehalten, sie ist darüber hinweggegangen. (...) Man hielt das Judentum für einen Bestandteil der minderwertigen östlichen Erbmasse. Indem man sich vom Judentum entfernte, hoffte man, ein echter Sohn seiner aufgeklärten Zeit zu werden. Doch man kann dem Judentum ebenso wenig entkommen wie der japanischen Rasse.

In Opposition zu Standes- und Beamtendünkel

Walther Rodes Identität erklärt sich aus dem aufklärenden Geist, dem Bedürfnis, die Wirklichkeit nach den für alle Menschen gleichermaßen geltenden Forderungen der Moral und Vernunft zu gestalten. Dies allein brachte ihn in eine zwingende Opposition gegen Standes- und Beamtendünkel, gegen politische Beeinflussung des Justizapparates, gegen jede Art von Korruption und verlogener Doppelmoral.

Rode vertrat Menschen jedes Standes und aller Schichten, Prostituierte ebenso wie vom Staat geprellte Wissenschaftler, des Mordes beschuldigte einfache Männer und Frauen aus dem Volk. Er verteidigte auch Opfer der Militärjustiz und engagierte sich in politischen Prozessen. Nie ging es um den Fall allein, der für seinen Mandanten erfolgreich zu Ende gebracht werden sollte. Rode sah in jedem Prozess die Mängel der Gesellschaft, des Justizwesens und des Staates zutage treten.

"Immer neue Einmischungen"

Einen geradezu unbändigen Hass entwickelte der politisch Liberale gegen das österreichische Beamtenwesen in allen seinen Facetten. Beamte waren eine Spezies, der Rode alle ihre Menschlichkeiten, nur nicht ihre Existenz verzeihen konnte. Beamte porträtierte er als Parasiten des Staates, als Bollwerk gegen jeden gesellschaftlichen Fortschritt, gegen jedes Aufkeimen einer mündigen Zivilgesellschaft.

Die Beamtenmassen sind es, die die Entstehung und Entfaltung der staatsbildenden Kräfte des Volkes unterbinden. (...) Immer neue Agenden, immer neue Aufsichtsrechte, immer neue Einmischungen, immer neue Abhängigkeiten. Alles, damit die Parteiministerialien, die Couleurbrüder, damit der Schwiegersohn des Sektionschefs, der Hauslehrer des Sohnes, der Liebhaber der Köchin Unterkunft findet.

Prozess gegen Obersten Gerichtshof

Mit der Fülle seiner Erlebnisse als Verteidiger richtete Rode seinen kritischen Stachel immer wieder gegen die eigene Zunft - und legte es sich in seinem Pamphlet "Gericht über den Obersten Gerichtshof" mit dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes an. 1925 musste er sich wegen "Hass und Verachtung gegen eine Behörde" vor einem Geschworenengericht verantworten. Rode formulierte seine Verteidigungsrede zu einer Brandrede gegen die Versäumnisse des Obersten Gerichtshofes um - und gewann den Prozess. Im Kampf gegen das System scheiterte er letztlich.

Ich habe einem vielvorsitzenden Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes seine totale Unfähigkeit öffentlich nachgewiesen. Jedermann kann lesen, von was für Leuten man in letzter Instanz abgeurteilt wird. Aber das hat diesem Herrn in seiner Stellung nicht geschadet. Er judiziert noch heute in letzter Instanz und verwirft die Nichtigkeitsbeschwerden des Volkes von Wien.

Der Präsident blieb und der Widerstand der Beamten gegen Rode verdichtete sich. 1928 gab er seine Kanzlei auf und übersiedelte als Schriftsteller in die Schweiz, wo er 1934 mit 59 Jahren an einem Herzversagen starb.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Walther Rode, Werkausgabe in 4 Bänden, Band 1: Österreichs fröhliche Agonie, Band 2: Lesebuch für Angeklagte, Band 3: Pamphlet gegen Hitler, Band 4: Leben und Werk, herausgegeben von Gerd Baumgartner, Löcker Verlag