Das Eigenleben des Steins

Die Bildhauerin Ulrike Truger

Stein bedeutet für Ulrike Truger weit mehr als nur Rohmaterial für ihre Skulpturen, er wird von ihr als lebendiges Material, als etwas Organisches wahrgenommen. Sein Eigenleben wird respektiert und soll auch in der fertigen Skulptur spürbar bleiben.

Gestalten mit Hammer und Meißel

Mit kraftvollen, konzentrierten Bewegungen arbeitet Ulrike Truger an einer Skulptur. Mit Hammer und Meißel folgt sie den Spuren im Stein. "Ein Gesicht"- auf den zweiten Blick bereits sichtbar- will sie herausschälen aus dem großen weißen Marmorblock. Viele Begegnungen finden hier in ihrem Atelier im Wiener Prater statt, beeindruckende, magische Figuren und steinerne Wesen beanspruchen ihren Raum, stellen sich als greifbare, fremde Körper in den Weg.

"Man muss lernen, sich zu trauen"

1948 wurde Ulrike Truger in Hartberg in der Steiermark geboren. Als die Tochter drei Jahre alt ist, übersiedelt die Familie nach Wien. Die erste Wohnung ist so klein, dass die Möbel gestapelt werden mussten, erinnert sich Ulrike Truger. Der Vater ist überzeugter Kommunist, die Tochter geht in politisch engagierte Jugendgruppen. Eine Zeit, die Ulrike als prägend erlebt - bis heute:

"Als Mädchen wollte ich brav sein und allem aus dem Weg gehen. Als Bildhauerin möchte ich anderen Steine in den Weg stellen. Das freilich bedeutet Ungehorsam. Man muss langsam lernen, sich das zu trauen, es ist ein mühsamer, aber wichtiger Lernprozess", sagt Ulrike Truger über ihr - auch politisches - Verständnis als Künstlerin.

Die Wächterin
Im März 2000 gestaltete sie eine drei Meter hohe und fünf Tonnen schwere Marmorskulptur, "Die Wächterin", mit der sie Stellung zum damals aktuellen politischen Geschehen - dem Beginn einer schwarz-blauen Regierung in Österreich - bezog. Diese "Wächterin" – ohne Genehmigung vor dem Wiener Burgtheater aufgestellt - sah sie als "Sinnbild für den Schutz der Menschenwürde und für die Wachsamkeit der kulturellen Kräfte gegenüber den politischen Veränderungen in Österreich".

Im Oktober 2003 stellte sie einen von ihr bearbeiteten fünf Tonnen schweren schwarzen Steinblock aus afrikanischem Granit vor der Wiener Staatsoper auf - dieser "Marcus-Omofuma-Stein" sollte an den gewaltsamen Tod des afrikanischen Asylanten Marcus Omofuma bei der Abschiebung aus Österreich erinnern und die Praxis der österreichischen Asyl-Politik neu zur Diskussion stellen. Heute steht dieser Stein am Beginn der Wiener Mariahilferstraße.

Angehen gegen Widerstand
"Der Weg zur Steinbildhauerei war nicht vorgezeichnet", sagt Ulrike Truger im Rückblick. "Ich musste den Weg zum Stein erst über Umwege finden." Von 1971 bis 1975 studierte Ulrike Truger Bildhauerei an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, bei Prof. Wander Bertoni. Vom Stein war da - zu Beginn - noch keine Rede. Die Arbeit am Stein verlangt ein Angehen gegen einen Widerstand, gegen ein hartes Material, dem es etwas abzutrotzen gilt. Die Steinbildhauerei als eine lebenslange Einübung, Widerstand zu leisten, sich Widerständen zu stellen.

"Der Stein ist ein lebendiges Material, etwas Organisches, dessen innere Form man enthüllen möchte", sagt Ulrike Truger. Das Eigenleben des Steins wird respektiert, die naturgegebene Oberflächenstruktur, die Bruchflächen sind oft Ausgangspunkt der Bearbeitung.

Immer gegenwärtiger Raumbezug
Ein wichtiges Thema ihrer Arbeit ist der Körper. Einer besonderen Bedeutung bei der Darstellung ihrer Körper, dem Festhalten und Zeigen von Bewegungen und Haltungen kommt dem Fragmentarischen zu, dem Unvollendeten.

Intensiv beschäftigt sich Ulrike Truger auch mit Räumen, ist doch der Raumbezug in der Bildhauerei immer gegenwärtig. "Bei jeder Platzgestaltung muss man erspüren, wie hier Architektur, Menschen, Licht, Bewegung in Beziehung zueinander stehen", sagt Ulrike Truger, "man muss sehen, welche Energie den Raum bestimmt." Ein Beispiel für so eine gelungene Raumgestaltung ist der "Steinerne Fluss", den sie für ihre Heimatgemeinde Hartberg geschaffen hat.

Wunsch nach mehr Weertschätzung
"Natürlich wünsche ich mir - für mich selbst - mehr Aufgaben und spannende Herausforderungen, auch im öffentlichen Raum, natürlich wünsche ich mir Aufträge", sagt Ulrike Truger. Schließlich sei die finanzielle Lage für Bildhauer in Österreich alles andere als rosig, auch für das "Staatsatelier" müsse schließlich Miete gezahlt werden. Und auch die Materialkosten für eine große Skulptur seien oft nur schwer finanzierbar.

Vor allem aber wünsche sie sich wieder mehr Wertschätzung für die Bildhauerei in Österreich an sich, so Ulrike Truger zum Abschluss.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 13. Jänner 2008, 14:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Stein", Arbeiten von Ulrike Truger, 18 Jänner bis 13. Februar 2008, Künstlerhaus,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (30 Prozent).

Links
Ulrike Truger
Künstlerhaus - Stein