Gekaufte Diplome in Albanien

Leben Sie noch in dieser Welt?

Ein albanischer Journalist begab sich auf Recherchereise auf den Schwarzmarkt mit gefälschten Universitätsabschlüssen in Tirana. 13 Juristen kamen dadurch in Schwierigkeiten. Der Journalist Besar Limeta kam mit einem blauen Auge davon.

Wütend kehrte der Journalist Besar Likmeta von einem USA-Besuch zurück nach Albanien: Sein emigrierter albanischer Freund, den er dort besuchte, würde gern zurückkommen, aber mit einem amerikanischen Universitätsabschluss in der Tasche wird der hochqualifizierte Akademiker nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Recherche über Fälschungsmafia

"Das Anerkennungsverfahren für im Ausland gemachte Diplome dauert oft über ein Jahr und der Weg zu adäquaten Jobs in öffentlichen Institutionen ist steinig", meint Likmeta.

Für den Chefredakteur des seit 2007 existierenden albanischen Redaktionsteams der Online-Zeitung "Balkan Insight", Teil des unabhängigen Balkan Investigative Research Network (BIRN), war das der Anstoß für eine Recherche über die mafiosen Strukturen der albanischen Gesellschaft - mit frustrierenden Ergebnissen.

Gekaufte Universitätsabschlüsse

Universitätsabschlüsse sind in Albanien selten echt. Für einige hundert Euro kann man in Tirana Fälschungen der mazedonischen Universität Tetovo kaufen.

Während die Behörden das seit Jahren wissentlich ignorieren, wie es Likmeta im März in seinem Bericht auf "Balkan Insight" bewies, haben sie kein Interesse an "echten" Akademikern, die hoch motiviert aus dem Ausland wieder in ihr albanisches Heimatland zurückkehren wollen.

Brain Gain unerwünscht

Heimkehren wollen laut Bericht des UNDP mehr als 50 Prozent der Auswanderer. Und Albanien, das Land mit der höchsten Emigrationsrate Europas innerhalb der letzten 18 Jahre (über die Hälfte der Akademiker sind im Ausland), bräuchte gerade diesen "Brain Gain", damit es "nicht weiterhin den Weg der Korruption geht, sondern jenen der Demokratie einschlägt", meint auch Likmeta. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International steht das Land auf Platz 105 von 179.

Doch "die Rückkehrer werden als Bedrohung gesehen. Sie haben das nötige Wissen und wollen nach neuen, demokratischen Standards arbeiten. An hohe Positionen werden sie gerade deshalb höchst ungern gelassen: die alten, klientelistischen Strukturen werden nur ungern aufgegeben."

Ministerpräsident attackiert Journalisten

Schon seit 2005 weiß das Ministerium für Bildung über die Fälschungen Bescheid, ignorierte sie aber. Weiterhin beglaubigte man jene gefälschte Diplome: darunter die von 13 Juristen.

Die Öffentlichkeit über diese Tatsache zu informieren, gelang Likmeta nur über Umwege: Während als einzige die Tageszeitung "Squip" seinen Bericht überhaupt erwähnte, machte sich auf dem Lebenslauf des Abgeordneten und sehr reichen Geschäftsmannes Tom Doshi auf der Regierungswebseite eine kleine aber wesentliche Veränderung bemerkbar: Sein Diplomtitel verschwand von der Bildfläche.

Zu einem daraufhin verabredeten Interview mit Likmeta erschien Doshi in Begleitung eines weiteren Abgeordneten. Die Fragen stellte er selbst: "Es ist außerordentlich mutig von Ihnen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Leben Sie eigentlich noch in dieser Welt?" Mit einer zerbrochenen Brille und einem blauen Auge kehrte Likmeta zurück.

Keine unabhängigen Medien

Bei seinen Kollegen fand er wenig Rückhalt. Kein albanisches Medium berichtete über den Vorfall, im Gegensatz zu internationalen Organisationen wie dem International Press Institute (IPI). Likmeta wundert es nicht: Außer BIRN, dessen Albanien-Projekt gänzlich von USA finanziert wird, "gibt es keinen investigativen Journalismus in Albanien." Zu verstrickt seien Medien, Wirtschaft und Politik.

Laut der internationalen Organisation SEEMO sind die meisten albanischen Medien zwar offiziell unabhängig, jedoch im Besitz von Wirtschaftsbossen, die entweder enge Beziehungen mit Politikern pflegen oder selbst Politiker sind. Die Abhängigkeit von staatlich finanzierter Werbung ist hoch.

Medienboom
Die größte Reichweite hat das Fernsehen, während Zeitungen unter der schlechten Infrastruktur und großer Konkurrenz leiden: Nur in Städten funktioniert die Verteilung. 60 Prozent der Bevölkerung leben aber auf dem Land und haben kaum Möglichkeit, eine der 17 Tageszeitungen an ihrem Wohnort zu erwerben.

Insgesamt erlebt Albanien einen medialen Boom: 48 Radiostationen hatten 2005 eine Lizenz, sowie 91 terrestrische und Kabel - TV Stationen. Mehrere inländische Medienhäuser sind im Besitz von Radio, TV und Printmedien zugleich.

Amerikanischer Botschafter spricht erstmals
Konsequenzen hatte Likmetas Recherche erst ab jenem Tag, an dem der amerikanische Botschafter in Tirana sich "erstmals überhaupt persönlich zu Wort meldete, um gegen die gewalttätigen Einschüchterungen zu protestieren."

"Tags darauf war die Story in jeder Zeitung, auf jedem Fernsehsender. Die Amerikaner haben eine mächtige Stimme in diesem Land."

Welche Folgen der Vorfall für Doshi hat, ist noch unklar und interessiert Likmeta auch nur am Rande. Er hat sein Ziel erreicht: Die Bevölkerung nahm ihn zur Kenntnis.

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