Klischeehaftes Wien

HeldenSterben

Die gebürtige Österreicherin Christine Grän hat die Figur der Anna Marx erfunden, eine Klatschreporterin und Privatdetektivin aus deutschen Landen, die auf sympathisch-pfiffige Weise ihre Fälle löst. Dass sie auch anders kann, beweist Grän hier.

An die zehn Anna-Marx-Krimis gibt es inzwischen und auch eine TV-Serie dazu. Neben diesen Detektivgeschichten hat die ehemalige Journalistin und Klatschreporterin Grän eine Reihe anderer Bücher geschrieben mit Titeln wie "Die Hochstaplerin", "Hurenkind" oder "Villa Freud", was ihr durchaus anerkennende Rezensionen in der Qualitätspresse – von der "Neuen Zürcher Zeitung" bis zur Hamburger "Die Zeit" – eingebracht hat. Ob die dabei angestellten Vergleiche mit Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard und gar Karl Kraus die rechten sind, bleibe dahingestellt, vielleicht sagen sie auch mehr über die fragwürdigen Kriterien so mancher Kritiker aus als über Christine Grän und ihre Bücher.

Den Begriff vom "hochliterarischen Unterhaltungsroman", den kann man aber aufnehmen. Und nichts anderes als einen Versuch in diese Richtung stellt auch Gräns neuer Roman "HeldenSterben" dar.

Mischung aus Kriminal- und Zeitroman

Um gleich zu Inhalt und Form des Buchs zu finden, ist zu sagen, dass "HeldenSterben" auf gut Österreichisch ein "Bankert" ist. Und das ist, fürs erste, gar nicht abwertend gemeint. Eine Mischung aus Kriminal- und Zeitroman, aus Sozial- und Sittenstudie, ein "Bastardl" der Trivialliteratur, angepriesen als "ultimativer" Wien- und Österreich-Roman.

Also worum geht es? Schauplatz ist das Wien der jüngsten Vergangenheit, der Gerade-nicht-mehr-Gegenwart. Die letzte Parlamentswahl mit anschließender rot-schwarzer Regierung kommt da ebenso vor, wie der "BAWAG-ÖGB-Skandal".

Der Helden und traurigen Gestalten sind viele in diesem 330 Seiten starken Buch. Eine oder zwei entwickeln sich auch zu Hauptfiguren. Unbestritten die Nase vorn hat die kleinwüchsige Lucie, eine Gelegenheitsjournalistin und angehende Schriftstellerin, mit unbeherrschbarem Faible für den Tod und die "schöne Leich". Sie schreibt Nachrufe auf Prominente im Boulevard und sammelt die traurigsten und schaurigsten Selbstmordfälle der Weltgeschichte und der Weltliteratur. Die Lucie, das ist so eine Figur wie die Zwergin Alberich in den Fernseh-"Tatort"-Folgen aus Münster, die Assistentin des nobel-skurrilen Gerichtsmediziners.

Dahinter folgt Ado Spengler, Kripo-Oberst, Verschwörungsfanatiker, Alkoholiker und Kettenraucher. Der wird - so viel kann gleich verraten werden - von allen Süchten und Manien geheilt werden, wird seinen Job bei der Polizei los und findet sich in den Armen von Lucie "Alberich" wieder.

Am Rande steht noch ein geläuterter und impotenter Porno-Produzent, der mit einem "Kunstfilm" Pleite macht und eine wilde "transsexuelle" Affäre mit seinem früheren Starlet eingeht. Das klingt einigermaßen verquer, nach einem wienerischen Käfig voller Narren, und dass die Weltmetropole der Nekroromantik auch noch von einer unerklärlichen Selbstmordserie heimgesucht wird, gibt dem ganzen Konstrukt noch ein kriminelles Zuckerhäubchen auf den literarischen Dachstuhl. Allerdings ist dieser morsch, und das Fundament des Baus ist alles andere als solid.

Jede Menge Klischees

Eigentlich ist es kaum zu glauben, wie viele Wien- und Österreich-Klischees nahezu im Zeilentakt von der Autorin da her- und vorgestellt werden - egal, ob es nun die Topographie der Stadt, die Mentalität der Bevölkerung oder die politische Verfasstheit der Nation betrifft. Die Aufzählung kann man sich ersparen, dem gelernten Österreicher ist das alles lange bekannt - vom "rosa-braunen Punschkrapferl" bis zur "Pummerin statt Muezzin".

Es muss, denkt sich der geneigte Leser des Öfteren, irgendwo ein Computer-Programm, eine Software geben, die diese Klischees und Stereotypen am laufende Band herausspuckt. Flott und in diesem Stile geht es da dahin, bis am Ende einige tatsächlich dahin sind.

Mäßig originell

Schluss und Punkt! Sollten Sie "wahre Freunde" im Ausland, insbesondere nördlich des berühmten "Weißwurstäquators" haben, die Wien nur aus dem Fernsehen kennen, dann schenken Sie denen dieses Buch! Eine lohnende Investition, denn die Freunde werden alle ihre Ahnungen und Vorahnungen hier bestätigt sehen, und damit Ihnen und sich einen Besuch vor Ort ersparen.

Für den gelernten Österreicher oder gar den "echten Wiener" ist das ganze "HeldenSterben" nicht mehr als hanebüchene Trivialität, mäßig originell und nur gelegentlich unterhaltsam. Ärgerlich - und das sei am Ende auch noch gesagt - wird es dann, wenn man sich das Glossar des Wienerischen im Anhang ansieht, in dem etwa der Sandler nicht als Obdachloser, sondern als Geizkragen erklärt wird.

Und dass die eigentlich renommierte Reihe der "Anderen Bibliothek" im Eichborn Verlag die Bücher wie Vorzugsausgaben nummeriert, die Exemplare in Schuber steckt und Satz- wie Druckqualität ausführlich hervorhebt, um am berühmten "Ende des Tages" eine Reihe von Setzfehlern im Text selbst unterzubringen, das sei nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt.

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 6. Juli 2008, 18:15 Uhr

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Buch-Tipp
Christine Grän, "HeldenSterben", Die andere Bibliothek im Eichborn Verlag