Gleichstellung durch geschlechtsspezifische Steuern?

Gender-based-Taxation

Der Ökonom Alberto Alesina hat gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Ichino ein Plädoyer für eine Senkung der Lohnsteuer für Frauen und eine gleichzeitige Erhöhung der Lohnsteuer für Männer verfasst und damit großes Aufsehen erregt.

Der Ökonom Alberto Alesina regt gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Ichino eine Senkung der Lohnsteuer für Frauen und eine gleichzeitige Erhöhung der Lohnsteuer für Männer an.

Ist der Vorschlag der beiden italienischen Ökonomen die umfassende Lösung, um Frauendiskriminierung zu bekämpfen? Ist eine einzige steuerliche Maßnahme wirksamer, als Quoten, gut ausgebaute Kinderbetreuungseinrichtungen und Antidiskriminierungsgesetze?

Alles andere muss weg

Mit der Einführung der Gender-based-Taxation sollen alle anderen Maßnahmen abgeschafft werden, die Gleichstellung im Sinne haben: Quoten, die staatliche Finanzierung oder Subventionierung von Kinderbetreuungseinrichtungen, das Karenz- oder Kindergeld.

"Meiner Meinung nach sind das alles sehr kostspielige Maßnahmen", so Alberto Alesina. "Wenn eine Frau ihr Kind bei ihrer Großmutter lässt, sollte sie nicht über die Steuern, die sie abführt, für Kinderbetreuungseinrichtungen bezahlen müssen. Man sollte besser Menschen Geld geben und sie selbst entscheiden lassen, was sie damit tun möchten, anstatt sie dazu irgendetwas zu verpflichten."

Alberto Alesinas und Andrea Ichinos Vorschlag ist wirtschaftsliberal. Das Credo lautet: je weniger Staat desto besser. Langfristig soll Gender Based Taxation sich selbst überflüssig machen. Denn, wenn Frauen ebenso stark in den Arbeitsmarkt integriert sind und ebenso gut verdienen wie Männer, haben sie zu Hause auch eine bessere Verhandlungsmacht.

Männer würden nicht zu Hause bei den Kindern bleiben

Die Kinderbetreuung und die Arbeit im Haushalt würden gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt. Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin am österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut, hält dieses Szenario für äußerst unwahrscheinlich. "Denn wenn sich nur die Steuereinnahmen ändern, verdienen Männer immer noch mehr als Frauen. Daher bleiben auch die Frauen zu Hause bei den Kindern, weil die Einkommenseinbußen schlicht und einfach zu hoch wären."

Auch Gabriele Michalitsch, Ökonomin und Politikwissenschafterin an der Universität und der Wirtschaftsuniversität Wien, zweifelt daran, dass höhere Steuern für Männer und niedrigere für Frauen den versprochenen Erfolg liefern würden. "Die gering verdienenden Frauen haben von der Maßnahme gar nichts, weil sie jetzt schon keine Lohn- oder Einkommenssteuern zahlen. Theoretisch könnte das oberste Segment am meisten profitieren. Aber diejenigen Frauen, die es am dringendsten bräuchten, die Niedrigverdienerinnen, die würden von der niedrigeren Steuer nicht profitieren. Daher halte ich diese Maßnahme für ungeeignet, um Gleichstellung herzustellen."

Das falsche Ziel

Mit dem Gender-based-Taxation-Modell wird das falsche Ziel angestrebt, erklärt Diane Perrons, Leiterin des Gender Institutes an der London School of Economics. Ein hoher Prozentsatz der Frauen geht in den meisten Ländern schließlich jetzt schon arbeiten. "Es gibt kein Problem der Partizipation. Es ist vielmehr ein Problem der Art der Partizipation."

Die Problematik, die heute besteht, ist der so genannte Gender Pay Gap, also die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen. Es gibt Lohndifferenzen, weil Frauen öfter in Teilzeitjobs oder sogar in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten, und, weil sie eher in Branchen tätig sind, die schlechter bezahlt sind, als jene, in denen mehr Männer arbeiten.

Luise Gubitzer, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien, bezweifelt, dass mit einer niedrigeren Besteuerung von Frauen die gewünschten Effekte eintreten. "Denn wie gehen Unternehmen denn mit Steuern im Allgemeinen um? Sie umgehen sie wo es nur geht. Und sie tendieren dazu Lohnkosten zu senken. Wahrscheinlich würde Gender Based Taxation dazu führen, dass diese Tendenzen sich verstärken."

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 21. Juli 2008, 19:05 Uhr