Staatspropaganda via Historienmalerei und Co.

Habsburgische Bildpolitiken

Bilder produzieren Geschichtsbilder. Das war auch dem Kaiserhaus und dem Staat im 19. Jahrhundert bewusst. Wie nie zuvor bediente man sich der bildenden Kunst, um den kriselnden Vielvölkerstaat auf gemeinsame Geschichtsbilder einzuschwören.

Am 13. März 1849, zum ersten Jahrestag der niedergeschlagenen Revolution von 1848, lässt der Maler Leopold Kupelwieser mit einem außergewöhnlichen Vorschlag aufhorchen. Um neuerlichen revolutionären Bestrebungen künstlerisch vorzubeugen, empfiehlt Kupelwieser dem Präsidium der Wiener Akademie die Errichtung einer großen Geschichtshalle zwischen der Hofburg und dem äußeren Burgtor.

Eine Halle, "in welcher durch Kunstwerke der Malerey und Bildhauerey des Vaterlandes Geschichte zur öffentlichen Anschauung gebracht wird, um hiedurch die Bildung aller Stufen der Bevölkerung zu fördern."

Dies, so zeigt sich Kupelwieser überzeugt, "ist der Weg und das Mittel, um auf historischem Wege edlere Begriffe und Gefühle im öffentlichen Leben wie durch einen Blitz leuchten zu lassen, und hierin liegt eine Sicherstellung gegen die Ausbeutung der Massen zu anarchischen Zwecken."

Kunst als antirevolutionäres "Gegengift"

Kupelwiesers Entwurf eines "Hauses der Geschichte" scheitert zwar aus finanziellen Gründen. Sein Vorschlag ist jedoch symptomatisch für den wachsenden politischen Stellenwert, den man der Historienkunst im 19. Jahrhundert zuschreibt. "Vor allem nach dem Regierungsantritt Kaiser Franz Josephs im Jahr 1848 besinnt man sich in verschiedenen Bildmedien wieder stärker auf die eigene Geschichte", sagt der an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften arbeitende Kunsthistoriker Werner Telesko. "Und diese Rückbesinnung wird verstärkt in den Dienst dynastischer und antirevolutionärer Identitätspolitiken gestellt."

Spektakuläre monumentale Kunstprojekte wie die nicht nur von Kupelwieser sehnlich herbeigeschriebene Geschichtshalle werden zwar im 19. Jahrhundert selten verwirklicht. Dafür kommt es zu einem nie dagewesenen Boom von Historiengemälden, Denkmälern, Freskenprogrammen und grafischen Serien, die die "ruhmreiche" Geschichte des Hauses Habsburg in Szene setzen.

Neue künstlerische Techniken im Feld der Reproduktionsgrafik und später Fotografie sorgen dafür, dass diese patriotischen Darstellungen auch ein breiteres Publikum erreichen als in den Jahrhunderten zuvor.

Auf der Suche nach konfliktfreien Themen

Nur die wenigsten Bilder und Denkmäler gehen unmittelbar auf Aufträge des Hofes oder des Staates zurück, erklärt Telesko. "Viele Künstler und Machtinhaber in den Kommunen und Regionen sind in vorauseilendem Gehorsam selbst aktiv geworden."

Haarig war dabei die Wahl der Motive. Denn welche historischen Figuren, Ereignisse und Themen besaßen das Potenzial, im politisch, sozial und national zunehmend zerrissenen Vielvölkerstaat überhaupt noch so etwas wie gesamtstaatliche Loyalität zu erzeugen?

Werner Telesko ist im Rahmen seiner Forschungen zur Historienkunst des 19. Jahrhunderts auf drei wiederkehrende Motive gestoßen, die vordergründig Konsens versprachen: Die Darstellung habsburgischer Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit, die Verklärung gemeinsamer Siege über äußere "Feinde" wie das Osmanische Reich und den "Erzfeind" Frankreich sowie die Würdigung der Verdienste der Armee.

Visuelle Gegenstrategien

Die dynastischen Bildprogramme blieben allerdings nicht unwidersprochen. Tragende Gruppen der Gesellschaft, insbesondere Protagonisten aus dem liberalen Bürgertum, versuchten gegenzusteuern. Eines der prominentesten Beispiele ist die Dekoration des neuen Wiener Rathauses, das im Jahr 1883 - genau 200 Jahre nach der Belagerung Wiens durch die Türken - eröffnet wurde. Hier wurde die ursprünglich geplante Ruhmesgalerie der Habsburger durch "Typen" und Figuren aus dem Wiener Stadtleben ersetzt.

Fälle wie dieser zeigen, dass die habsburgische Bildpropaganda die unterschiedlichen nationalen und regionalen Geschichtsbilder, die in der späten Habsburgermonarchie aufeinander prallten, auf Dauer nicht kaschieren konnte. Spätestens im Ersten Weltkrieg, so Werner Telesko, schwindet auch unter den politischen Entscheidungsträgern der Glaube daran, dass ein Kanon monumentaler Historienkunst die Existenz des Staates und der Dynastie verlängern könnte. "Man war sich offensichtlich bewusst, dass diese Form von Kunst nicht mehr salonfähig war und letztlich – wenn man es sich wirklich eingestand – auch keine Zukunft mehr hatte."

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 7. August 2008, 19:05 Uhr

Buch-Tipps
Werner Telesko, "Geschichtsraum Österreich. Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts", Böhlau Verlag.

Werner Telesko, "Kulturraum Österreich. Die Identität der Regionen in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts", Böhlau Verlag.