Publizist, Erzähler, Satiriker und Kritiker

Unbeugsamer Friedrich Torberg

Der Publizist Friedrich Torberg hat niemandem Konzessionen gemacht - weder künstlerisch noch politisch. Und der Künstler Torberg fühlte sich erst recht einem sittlichen Fundament verpflichtet - zu einem erheblichen Teil jenem der jüdischen Kultur.

Dass er schon während des Ersten Weltkrieges in seiner Eigenschaft als vaterländisch gesinnter Volksschüler wacker gesinnte Reime verfasste, hat, wie so viele Kinderkrankheiten, sicherlich zu einer lebenslangen Immunität beigetragen: Friedrich Torberg reagierte sein Lebtag lang sehr empfindlich auf Verlogenheiten und Schwulst, nicht nur lyrischer Art.

Hingegen dass er, schon mit zehn Jahren, kaum der Volksschule entwachsen, Anhänger und dann Mitglied des jüdischen Sportklubs "Hakoah" ("Die Kraft") und dort hervorragender Wasserballer wurde - nachmals, in Prag, bei "Hagibor" ("Der Held") -, das war das Fundament einer für ihn selbstverständlichen jüdischen Haltung, die viel mehr mit moralischem und kulturellem Bewusstsein als mit Religiosität zu tun hatte und ihn fortan zu scharfen Polemiken gegen diesbezügliche Unsauberkeiten reizte, gegen opportunistisches Assimilantentum und Selbstverleugnung ebenso wie gegen jene gedanken- und gesinnungslose Liebedienerei vor allem (wirklich oder vermeintlich) Jüdischen, die er, nicht nur im Zusammenhang mit Literatur und Theater, das "philosemitische Missverständnis" nannte.

"Second things first"

Jüdischkeit und Judentum blieben lebensbestimmende Instanzen für ihn, obzwar Torberg, wie schon angedeutet, nicht eigentlich religiös war; er war es allenfalls in dem Sinn einer an Überzeugung grenzenden "Hoffnung, dass das Leben einen zeitlosen Sinn" habe (so formuliert es der vorzügliche Torberg-Biograf David Axmann). Sich selbst sah er am Ende einer historisch beispiellosen deutsch-, vor allem aber österreichisch-jüdischen Symbiose, als deren erste Galionsfigur ihn (wiederum: schon von Gymnasiastenbeinen an) die Figur des jüdischen Minnesängers Süßkind von Trimberg faszinierte.

Dass er seinen "Süßkind"-Roman erst mit mehr als vierzigjähriger Verspätung, als letzten seiner zehn Romane und Novellen, auch wirklich fertigbrachte (nicht zuletzt wegen der ihm selbst oft hinderlichen Vielfalt an Begabungen, die ihn das ironische Lebensmotto "second things first" formulieren ließ) - diesem Umstand dankt das literarische Publikum (und nicht nur dieses) die ungeheure Vielfalt erstklassiger Torberg'scher "second things": die zwölf bedeutenden Jahrgänge der kulturpolitischen Monatsschrift "FORVM", Theater- und Literaturkritiken von jedenfalls überzeitlicher Gültigkeit, geradezu epochale Übersetzungen (Ephraim Kishon), politische Aufsätze, Vorträge, Glossen, Essays, Pamphlete, Polemiken, glänzende Parodien, journalistische Qualitätsarbeiten für den gesamten deutschen Sprachraum - und, natürlich, literarhistorische Entdeckungen und Erstausgaben (Herzmanovsky, Hammerschlag), die ihrerseits mehr oder minder helle Scharen von Kritikern des Herausgebers Torberg überhaupt erst in den Stand setzten, dazu imstande zu sein.

"Beharrlicher" Schreiber

Im Übrigen wurde Torberg nicht müde (jedenfalls meist später als seine Widerredner), Haltungen und Standpunkte sorgfältig und argumentativ eingängig darzulegen. Das - wie auch seine umfassende Bildung und sein unglaublich gutes Gedächtnis - machte ihn zu einem unangenehmen Gegner für ideologisch trainierte Schwätzer - umso unangenehmer, als er viele von denen (vor allem, wenn sie sich "Intellektuelle" nannten) für besonders gefährlich hielt.

Er wusste fast immer Bescheid und hat sich selten geirrt. In seiner Meinung zuweilen, in seiner Haltung nie.

Es sei, so sagte er 1979, als man ihm den Österreichischen Staatspreis verlieh, nur seine Beharrlichkeit, die er sich zugutehalte: "Ich habe fünfzig Jahre lang 'beharrlich' geschrieben. Ich habe auf meiner persönlichen Haltung beharrt, ich bin von meinem literarischen Standort nie abgewichen, meine politische Überzeugung hat niemandem Konzessionen gemacht." Dass Friedrich Torberg das alles auch noch mit Esprit, mit Charme, Sprachwitz und Humor zu tun in der Lage war - als Redner, Vorleser und Diskutant in auch rhetorisch wohlgesetzten Worten - lässt sich, um endlich doch auch noch auf die Tante zu kommen, nötigenfalls in den beiden "Jolesch"-Bänden nachlesen. Oder in seinen (zu Recht) Bücher gewordenen Briefwechseln.

Überraschungserfolg "Schüler Gerber"

Der Prager Schriftsteller Max Brod, als Kafka-Herausgeber berühmt, hatte Ende 1929 das Erstlings-Romanmanuskript des jungen Torberg (der beim "Prager Tagblatt" mitarbeitete) ohne dessen Wissen an den Zsolnay-Verlag geschickt. Und damit den Überraschungserfolg des "Schüler Gerber", den Karrierestart als Schriftsteller ermöglicht.

Ein (weiß Gott schauriges) Vierteljahrhundert später kam Torberg in einem Brief an Brod auf das Ende zu sprechen; ihm, Torberg, falle die Aufgabe zu, sein öffentliches Wirken so zu gestalten, dass möglichst viele Nichtjuden den Tod des letzten deutsch-jüdischen Schriftstellers dereinst als Verlust empfinden würden: "Ob trauernd oder aufatmend, ist mir gleichgültig, sie sollen nur merken, dass etwas zu Ende gegangen ist, wofür sie keinen Ersatz haben."

Hör-Tipp
Literatur am Feiertag, Samstag, 1. November 2008, 14:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Die Gefahren der Vielseitigkeit", Friedrich Torberg zum 100. Geburtstag, bis 1. Februar 2009, Jüdisches Museum Wien,
Ö1 Clubmitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (40 Prozent).

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Link
Jüdisches Museum Wien