Die zwei Mariazellermessen

Mariazell

Haydn schreibt längere Zeit nach seiner Wallfahrt nach Mariazell eine Messe für die Heilige Jungfrau Maria, die als erste Mariazellermesse bezeichnet werden kann. Es folgt dann eine zweite, die genauso monumental wie ihre Vorgängerin ausfällt.

Haydn örtlich - Teil 39

"An scheanan Gruaß aus Mariazell". Wer zur Pilgerreise sich aufmacht, der bringt etwas mit vom Gnadenort - und nicht nur Grüße. Ein handfestes Andenken wird gerne nach Hause mitgenommen, oder ein flüssiges - Wallfahrtsorte sind oft berühmt für "Geistiges", destilliert aus den Kräutern der Gegend und daher etwas Besonderes. Aber in erster Linie soll der geistliche Trost, die daraus gewonnene Kraft mitgebracht werden und hoffentlich auch anhalten und weiterwirken auf die Zuhausegebliebenen. Die einfachen Menschen fangen in ihren Liedern all das ein, was ihnen an Beglückendem widerfahren ist am heiligen Ort, bringen es auf diese Weise mit in die Heimat.

Die erste Mariazellermesse

Haydn muss es wohl auch empfunden haben, dass seine Wallfahrt nach Mariazell von langanhaltender Wirkung ist. Dabei geht es nicht darum, wie oft der Meister im steirischen Marienheiligtum war, sondern was seine Wallfahrt im Jahre 1750 für spätere Folgen hat. 1766 schreibt er seine bisher größte Komposition und vermerkt auf dem Titelblatt: "Missa Cellensis in honorem Beatissimae Virginis Mariae. In nomine Domini - del Giuseppe Haydn". Soll dieses Riesenwerk im strahlenden C-Dur - es wird die umfangreichste unter allen seinen Messen sein - der Dank des in diesem Schicksalsjahr zum Ober-Kapellmeister Aufgestiegenen an die Muttergottes von Mariazell sein? Später wird das Werk noch mit der heiligen Patronin der Musik, Caecilia, in Beziehung gebracht und unter deren Namen bekannt bleiben.

Haydn zeigt in dieser ersten Mariazellermesse alles, was er kann: Demütig und schlicht fleht er, mit der Freude an artifizieller Koloratur lobt er Gott, und dankt ihm und bittet ihn in grandios-leidenschaftlichen Fugen. Damit hat er der Zeller Gottesmutter aber noch nicht genüge getan. Anton Lieber von Kreutzner, ein pensionierter Militärangehöriger, der mit Haydn in freundschaftlichen Kontakt kommt, regt ihn an, eine Messe für Mariazell zu komponieren. Die soll nun tatsächlich im Heiligtum in der Steiermark aufgeführt werden, also ein gleichermaßen geistiges wie handfestes Geschenk an die Wallfahrtskirche sein.

Die zweite Mariazellermesse

Nochmals schreibt Haydn ein Werk in C-Dur, wieder erfindet er schlicht-demütige und große, erhabene Melodien. Im "Sanctus" zitiert er beziehungsvoll jenes Volkslied, mit dem die Pilgerinnen und Pilger für ihre Lieben daheim Grüße vom Gnadenort mitbringen. Und er scheut sich nicht, aus einer Arie seiner Oper "Il mondo della luna", welche er für eine Hochzeit in der fürstlichen Familie komponiert hat, das "Benedictus" zu gestalten - er hält die Musik wohl für so gut, dass sie zu schade für die tagesaktuelle Komödie und erst als Lob Gottes und Mariens richtig am Platz ist. Wie in der ersten "Mariazellermesse" gestaltet Haydn auch in dieser zweiten, die sich diesen Namen behält und unter ihm berühmt wird, das abschließende "Dona nobis pacem" als monumentale Fuge, in welcher gemäß strengster Regel und in deren freiester Handhabung, wie sie nur einem Großmeister möglich ist, Gott um den Frieden gebeten wird.

Auf die erste Seite seiner Partitur schreibt Haydn: "Missa Cellensis Fatta per il Signor Liebe de Kreutzner e composta di me Giuseppe Haydn manu propria 1782." Der Komponist dokumentiert es schriftlich, dass hier nochmals ein Werk für Mariazell aus seinem Geist und seiner Feder vorliegt. Auf der vorletzten - sonst nicht beschriebenen - Seite vermerkt er noch: "Laus Deo et Beatae Virgini Mariae".

Ein Schicksalsjahr auch für Mariazell

1782 - das Entstehungsjahr dieser Messe ist ein schicksalhaftes in der österreichischen Geistesgeschichte. Kaiser Joseph II. wird die Wallfahrten verbieten und auch die große Kirchenmusik. Der Monarch wird bei einem späteren Lokalaugenschein in Mariazell entsetzt sein über den raschen Verfall des dortigen Gotteshauses und sich veranlasst sehen, dafür zu sorgen, dass dieses nicht einstürzt. Erst unter seinen Nachfolgern können sich Wallfahrtswesen und Kirchenmusik wieder entwickeln. Die überzogenen Maßnahmen im Dienste der "Aufklärung" werden schneller wirkungslos sein als die besondere Art der Frömmigkeit, welche in Haydns Mariazellermessen klingend zur Evidenz kommt.

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Hör-Tipp
Haydn örtlich, jeden Montag, Mittwoch und Freitag bis einschließlich 22. Mai 2009, jeweils 15:06 Uhr

Links
austria.info - Joseph Haydn
Haydn 2009

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