Die Kunst der Übersetzung
Utta Roy-Seifert
Die Übersetzerin Utta Roy-Seifert ist eine der Mitbegründerin der "Österreichischen Übersetzergemeinschaft". Zeit ihres Lebens hat sie sich für mehr Beachtung für die Arbeit ihrer Zunft eingesetzt, denn: Erst in der Übersetzung entsteht Weltliteratur.
8. April 2017, 21:58
Die "Kunst der Übersetzung" hieß eine Ausstellung, die bis Mitte November 2008 in Wien zu sehen war. "Eine neue Sprache lernen, heißt einen neuen Kontinent betreten", sagt die Übersetzerin Utta Roy-Seifert. Erst das Über-Setzen von einem anderen Sprach-Ufer zum anderen ermöglicht das Kennenlernen einer anderen Literatur, eines anderen "Kontinents", erst die Übersetzung macht Literatur zur Weltliteratur.
Utta Roy-Seifert hat sich stets dafür eingesetzt, dass die so wichtige Kunst der Übersetzung anerkannt und gewürdigt wird. 1981 wurde sie zur Mitbegründerin der "Österreichischen Übersetzergemeinschaft", einer Interessensgemeinschaft von Übersetzerinnen und Übersetzern literarischer und wissenschaftlicher Werke.
Utta Roy-Seifert hat selbst zahlreiche Bücher aus dem Englischen übersetzt: Erzählungen, Romane, Gedichte. 1992 wurde sie mit dem "Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung" ausgezeichnet.
"Ich habe eher die leisen Bücher übersetzt", sagt sie beim Gespräch in ihrer gemütlichen Wohnung in Wien. "Bestseller waren keine dabei, aber ich habe durch meine Arbeit viele wunderbare Menschen und spannende Texte kennen gelernt."
Eine Kindheit in Schlesien
Utta Roy-Seifert stammt aus Breslau. Die kleine Utta verbringt viel Zeit bei der Familie der Freundin, sie fühlt sich dort gut aufgehoben. Die Literatur, das Lesen, wird früh wichtig für sie, die Welt der Bücher fasziniert sie, und die Musik spielt bald eine besondere Rolle.
Als die Tochter elf Jahre alt ist, verlässt die Familie Breslau und übersiedelt nach Berlin. "Kurz vor meinem 13. Geburtstag brach der Krieg aus", erinnert sich Utta Roy-Seifert an die frühen Jahre in Berlin. Der "Webfehler" in der Familie wie sich ihr Vater ausdrückte, die jüdische Abstammung ihrer Mutter, wird so gut wie möglich verheimlicht, die lebhafte Utta wird von den Eltern aufgefordert, sich in der Schule möglichst unauffällig und brav zu benehmen was ihr freilich - wie sie selbst sagt - kaum gelang.
Im Herbst 1943 wird in Berlin die Evakuierung der Stadt angeordnet, viele Familien übersiedeln aufs Land. Die Klasse von Utta Roy-Seifert - sie gehört inzwischen zur Oberstufe - wird nach Cottbus geschickt.
1944 beschließen die Eltern Deutschland zu verlassen, sie ziehen nach Wien. Der Bruder wird mitgenommen, Utta kommt in die Obhut der Familie einer befreundeten Mitschülerin und übersiedelt für einige Monate nach Bad Ischl, bevor sie nachkommt.
Neues Leben in Österreich
Die Familie beschließt, auch nach dem Kriegsende in Österreich zu bleiben, Wien wird zur neuen Heimat. Utta Roy-Seifert studiert Anglistik und Kunstgeschichte, sie engagiert sich beim Sozialistischen Studentenverband, sie schreibt Theaterkritiken für die Zeitschrift "Der Strom", sie findet Zugang zu evangelischen Studentenkreisen und lernt die junge Schriftstellerin Ilse Aichinger kennen, die gerade an einem Manuskript arbeitet - am Roman "Die größere Hoffnung", der 1948 erscheint und ihren Ruf als Autorin begründet.
Um Geld zu verdienen arbeitet Utta Roy-Seifert bei einer Textilfirma, später ist sie als Dolmetscherin aus dem Englischen tätig, schließlich kommen vom Wiener Zsolnay-Verlag die ersten Anfragen für literarische Übersetzungen. Über den Verlag lernt sie auch ihren Mann, den Chemiker Hans Seifert, kennen. Ihr vor fünf Jahren verstorbener Mann wird zum ersten kritischen Leser, wenn sie wieder einmal stundenlang an einer Übersetzung arbeitet.
Politisches Engagement
Utta Roy-Seifert kommt durch Zufall in eine Frauenrunde, die sich regelmäßig in der Wohnung der Schauspielerin, Regisseurin und späteren Theaterdirektorin Emmy Werner trifft, sie erinnert sich an nächtelange Diskussionen mit der Sängerin Marie-Therese Escribano und vielen anderen engagierten Frauen, die etwas bewegen wollen.
Enttäuscht über die geringen Honorare, die österreichische Verlage bieten und verärgert über die fehlende Wertschätzung für literarische Übersetzer wird sie 1981 zur Mitbegründerin der "Österreichischen Übersetzergemeinschaft", die bis heute - mit Sitz im Wiener Literaturhaus - überaus aktiv ist.
Ein wichtiges Ziel der Übersetzergemeinschaft ist die Vertretung der Literaturübersetzerinnen und Übersetzer im In- und Ausland. Mit zahlreichen Projekten und Publikationen hat die Übersetzergemeinschaft längst eine wichtige Drehscheibenfunktion für den Literaturbetrieb - mit Schwerpunkt Übersetzung - übernommen.
Workshops und Seminare werden abgehalten, Rechtsberatung wird angeboten, ein "Translators Companion", eine dreisprachige Zusammenstellung von detaillierten Informationen über Literaturübersetzerverbände, Förderungsmöglichkeiten und Fortbildungsangebote für Übersetzer wurde erstellt.
"Der Autor schafft mit seiner Sprache nationale Literatur. Die Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht." Dieses Zitat des portugiesischen Nobelpreisträgers Jose Saramago. Die Anerkennung und Wertschätzung von literarischen Übersetzungen - sie waren stets ein Hauptanliegen von Utta Roy-Seifert.
Beschaulicher Lebensabend
Seit dem Tod ihres Mannes lebt Utta Roy-Seifert allein. Übersetzt wird nur noch gelegentlich, sagt sie, und wenn, dann sind es meist kurze Texte, kleine Prosastücke oder Gedichte.
Den täglichen Einsatz für die Rechte der Übersetzer haben inzwischen andere übernommen, die in der "Übersetzergemeinschaft" wichtige Arbeit leisten damit die "Kunst der Übersetzung" ansprechend honoriert und gewürdigt wird.
Hör-Tipps
Alle Sendungen des Ö1 Dossier Sprache in oe1.ORF.at
Menschenbilder, Sonntag, 12. Oktober 2008, 14:05 Uhr
Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung, Die Kunst der Übersetzung, bis 14. November 2008,
Galerie Artpoint
Links
Österreichische Gemeinschaft von Übersetzer/innen
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