Ein frontenübergreifender Hit

Mit einem Lied zum Weltstar

Lale Andersen war einer der wenigen deutschen Weltstars des 20. Jahrhunderts - dank eines einzigen Liedes. Mit der Einspielung vom "Lied eines jungen Wachtpostens" brach der Erfolg völlig unvermutet über Liese-Lotte Bunnenberg herein.

Als Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg wurde sie 1905 in der Nähe von Bremerhaven geboren. Und sie sollte einer der wenigen deutschen Weltstars des 20. Jahrhunderts werden, dank eines einzigen Liedes, das eigentlich nicht dem sonst von ihr zeitlebens kultivierten Image der Seemannsbraut entsprach. Sie war die Nordsee persönlich, romantisierte ihren Vater, einen Schiffs-Steward, zum Seemann, spielte Akkordeon. Die Vossische Zeitung bezeichnete sie als herbe und schwerblütige "Liselott von der Wasserkante".

Lale Andersen, diesen Namen hat sie sich erst in der ersten Hälfte der 1930er Jahre zugelegt, heiratet mit 16 und bringt mit 24 das dritte Kind zur Welt. Damit reicht es ihr: Sie verlässt die Familie, geht nach Berlin und will Sängerin und Schauspielerin werden. Sie beschäftigt sich mit Texten von Ringelnatz, Tucholsky und Brecht.

Tingeln durch die Provinz

1932 tingelt Lale Andersen durch die deutsche Provinz - Bielefeld, Chemnitz, Breslau -, sie kommt mit Friedrich Hollaenders Revue "Höchste Eisenbahn" aber auch nach Zürich, wo sie Rolf Liebermann kennen und lieben lernt. Es ist der Neffe des Malers Liebermann, und später in den 60er-Jahren wird er die Hamburger Staatsoper, in den 70ern die Pariser Opernhäuser leiten.

Doch diese Liaison gefällt der schweizerischen Fremdenpolizei gar nicht, für sie - Zitat Amtsschwyzerisch - "macht es den Anschein, wie wenn sich die Petentin in hier als Maitresse oder dergl. einrichten möchte." Also Einreisesperre für die Schweiz. Nach 1933 ist in Deutschland mit Brecht und Kollegen auch kein Staat mehr zu machen, also wird wieder mit Seemannsliedern getingelt.

Dem Nazi-Stil angepasst

Doch der freche Matrosenanzug, mit dem die emanzipierte Sängerin aufs Klavier gesprungen ist, passt bald nicht mehr für eine Künstlerin, die im Nationalsozialismus überleben will. Zunehmend passt sich Lale Andersen dem nationalsozialistischen Stil an und wird zur braven, weiblich-mütterlichen nordischen Sängerin, die im weiten, weißen Norwegerkleid mit Dauerwellen im blonden Haar dem herrschenden Frauenbild entspricht.

Schon 1915, während des Ersten Weltkriegs, hat ein damals 21-jähriger Soldat namens Hans Leip ein Gedicht geschrieben, das allerdings erst 22 Jahre später, 1937, gedruckt erscheint. 1939 vertont es der Pianist Norbert Schulze. Später wird Schulze noch etliche Filmmusiken für NS-Propagandafilme komponieren und Durchhaltelieder wie "Bomben auf Engelland" und "Führer befiehl".

Von Belgrad aus ein Hit

1939 singt Lale Andersen dieses "Lied eines jungen Wachsoldaten", so der Titel, es erscheint auf Electrola und wird weiter nicht beachtet. Im April 1941 soll der deutsche Soldatensender Belgrad auf Sendung gehen, aber er hat nur wenige Schallplatten. Vom Reichssender Wien bekommt er deshalb einige Kisten mit ausgemusterten Platten, darunter das Lied des Wachsoldaten.

Von Belgrad aus wird "Lili Marleen" ein Hit, frontenübergreifend. 40 Jahre später zeigt Rainer Werner Fassbinder in seinem gleichnamigen Film, wie die allabendliche Ausstrahlung von "Lili Marleen" die Waffen für die Dauer des Liedes schweigen lässt, drei Minuten und 17 Sekunden lang. Das Lied wird in achtzig Sprachen übersetzt, und ist von mittlerweile über 300 Interpreten gesungen worden.

Auftrittsverbot in Nazideutschland
Lili Marleen verströmte für Propagandaminister Joseph Goebbels "Leichengeruch". Und Lale Andersen bekam ja dann auch noch Schwierigkeiten mit den Nazis, fast ein Jahr Auftrittsverbot, vielleicht weil Lili Marleen bald als Antikriegslied angesehen wurde, vielleicht weil Andersen dem zudringlichen SS-Gruppenführer Hinkel eine geschmiert hatte oder wegen ihrer Briefkontakte zu jüdischen Freunden in der Schweiz.

Dem Schlager treu geblieben
Nach Kriegsende blieb sie vielbeschäftigt im deutschen Schlagerbusiness mit Titeln wie "Schau mich bitte nicht so an" oder "Sing Nachtigall sing", aber auch mit dem "Theodor im Fußballtor".

Lale Andersen hat 1961 Deutschland beim Eurovisions Song Contest vertreten. Wurde aber nur 13. von 16 Teilnehmern. 1972 ist sie in Wien verstorben.