Der Friedhof der Nicht-Katholiken in Rom
Die Ewige Ruhe am Fuße der Pyramide
Menschen, die nicht katholisch waren und die in Rom starben, durften über Jahrhunderte nicht innerhalb der Stadtmauern bestattet werden. Dieses Verbot ist der Grundstein für die Entstehung eines der schönsten Friedhöfe der Welt: des Cimitero Acattolico.
8. April 2017, 21:58
In Rom, einer Stadt, die mit monumentalen Bauwerken gar nicht geizt, ragt die viertgrößte Pyramide der Welt aus einer verkehrsumtosten Kreuzung an der Porta Ostiense empor. Am Fuße der vierzig Meter hohen, mit weiß glänzendem Carrara-Marmor verkleideten Pyramide, die sich Gaius Cestius wenige Jahre vor Christi Geburt errichten ließ, wurde im Lauf der Jahre und Jahrhunderte eine illustre Schar Reisender mit letzter Destination Rom zu Grabe getragen.
Der Friedhof der Nichtkatholiken
"Cimitero Acattolico" heißt der märchenhafte Friedhof, dessen Pate der romantische Kult um Tod und Schönheit ist. Eines der meist besuchten Gräber am "Friedhof der Nichtkatholiken" ist das des britischen Dichters John Keats, der 1821 in Rom starb und sich für seinen Grabstein die Worte "Here lies one whose name was writ (sic!) in water" ausbat.
Steinerne Hunde, Kinder, Engel, Frauen und Männer bevölkern die Grabstätten der Nicht-Katholiken. Dazwischen streifen Flaneure aus aller Herren Länder umher und entziffern die gemeißelten Grabbotschaften. Letzte Grüße auf Schwedisch, Norwegisch, Russisch, Französisch, Italienisch und immer wieder Englisch tun Kunde von der internationalen Begeisterung für das Leben in Rom.
Am Grab seines Vaters sinniert in Gedanken versunken der britische Kunsthistoriker Frank Dabell. Am Rom-Campus der Temple University, einer in Philadelphia beheimateten Universität, die ihren Studenten eine Bildungs-Grand-Tour nach Rom ermöglicht, macht Frank Dabell junge Amerikaner mit den Werken von Piero della Francesca und anderen Kunst-Ikonen der italienischen Renaissance bekannt.
Der Kunsthistoriker ist in Rom aufgewachsen, sein Vater war Diplomat bei der Welternährungsorganisation FAO, die ihren Sitz unweit der Pyramide des Gaius Cestius hat. Der letzte Wunsch des Vaters: am Cimitero Acattolico bestattet zu werden. Frank Dabell, dessen früh verstorbene Mutter am Friedhof Montparnasse in Paris begraben liegt, kommt gerne auf den Friedhof bei der Pyramide: "Die Römer sind schrecklich abergläubisch, sie fürchten sich vor Friedhöfen. Wenn ich zu einem befreundeten Römer sage: ich gehe auf den Friedhof, dann fragt er: "Wozu?" - und ich sage: "Weil es ein wunderschöner Ort voller Geschichte ist."
Eine Liebesbeziehung mit der Vergangenheit
Wer in Rom lebt, der lebt auch eine Liebesbeziehung mit der Vergangenheit, meint Frank Dabell und zitiert den Dichter Percy Bysshe Shelley, dessen Grab ebenfalls am Cimitero Acattolico zu finden ist: "Beim Gedanken, an einem so lieblichen Platz begraben zu sein, verliebt man sich in den Tod."
Es wird eng am Cimitero Acattolico, die stilvollen Gräber unter Zypressen und Schirmpinien sind heiß begehrt. Der Cimitero Acattolico entstand zu einer Zeit, als das Regime der Päpste in Rom äußerst strikt war. Nicht-katholische Verstorbene durften nicht innerhalb der Stadtmauern beigesetzt werden, mitunter mussten sie bei Nacht und Nebel zu Grabe getragen werden. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es jedoch zu einem Privileg, am Cimitero Acattolico bestattet zu werden, und inzwischen liegen die Katholiken im Clinch mit der Friedhofsdirektion, weil auch sie Parzellen am exklusiven Gräberfeld besiedeln wollen.
Gefährdetes Kulturgut
Rechtlich gesehen ist der Friedhof als ein privater Verein aus 14 Mitgliedsstaaten konstituiert. Turnusmäßig wird der Botschafter eines der Staaten Präsident: "Um am Cimitero Acattolico bestattet zu werden, muss man einem der Mitgliedsstaat des Vereins angehören", erzählt Bruno Spinner, Schweizer Botschafter in Rom und derzeitiger Präsident des Friedhofs-Vereins. Österreicher finden also nur am Fuße der Pyramide ihre ewige Ruhe, falls sie eine Doppelstaatsbürgerschaft haben.
Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 1. November 2009, 10:06 Uhr
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