Die Privatisierung der Kultur

Serbiens Weg in die Marktwirtschaft

Serbien beginnt zehn Jahre später als andere post-kommunistische Staaten mit dem Umbau seiner Staatswirtschaft. Doch wer geglaubt hat, dass man aus den Fehlern der anderen gelernt hat, irrt. Verlage und Kinos kämpfen ums nackte Überleben.

"Die Privatisierung der Kultur oder die Unkultur der Privatisierung". Unter diesem Titel kommentierte die Journalistin Ivana Matijević in der serbischen Zeitung "Danas" ("Heute") aus Novi Sad den Privatisierungsprozess im Hinblick auf den Kultursektor in Serbien.

Serbien hat die erste Welle der Privatisierung, die andere ex-sozialistische Länder nach der Wende am Ende des 20. Jahrhunderts durchlebt haben, verpasst. Wegen der Kriege, die zum Zerfall Jugoslawiens führten, und wegen des damit zusammen hängenden Embargos hat sich Serbien mit fast zehnjähriger Verspätung aus den realsozialistischen Verhältnissen auf den Weg in die kapitalistische Welt gemacht.

Kinderkrankheiten des Übergangs

Man konnte naiv hoffen, dass Serbien so eine Chance bekommen hätte, um von den "Kinderkrankheiten" des Übergangs verschont zu bleiben. Manche dachten, dass man die Nachbarn und andere ehemalige sozialistische Länder nur beobachten müsste, um, aus ihren Fehlern zu lernen, um es besser zu machen als jene, die die ganze Geschichte schon hinter sich hatten.

Aus der Geschichte lernen?

Nun, es scheint, dass man von anderen, also aus der Geschichte doch nichts lernen kann. Man wiederholt hartnäckig alles, was bei den Vorgängern schief gegangen ist. "Das Chaos ist der eigentliche Zustand der Dinge", schrieb etwa zur gleichen Zeit wie Ivana Matijević der serbische Aphoristiker Aleksandar Baljak in der Belgrader Tageszeitung "Politika" über die Privatisierung.

"Politika" schreibt in dieser Ausgabe über den Verkauf des bekannten Belgrader Verlags "Prosveta" ("Die Bildung"). "Jemand, der diesen Verlag kauft, wird dazu Buchhandlungen an den lukrativsten Orten der Stadt bekommen. Dazu wird er Autoren- und Verlagsrechte von renommierten Editionen erhalten", steht im Text.

Die Zukunft des Betriebs beschäftigt die Menschen. Die schon erwähnte Erfahrung aus anderen ex-kommunistischen Ländern lehrt, dass man solche Betriebe wegen der Verkaufsstandorte übernimmt, um dann anstelle von Buchhandlungen Luxusboutiquen oder Casinos zu errichten, erklärt Dragan Minincic, Direktor von "Proseveta". Er appelliert an die serbische Regierung, eine kulturwürdige Privatisierung durchzuführen.

Die Hilferufe

Ob die serbische Regierung imstande sei, diesen Hilferuf zu hören und etwas gegen die zerstörerische Privatisierung zu unternehmen, bleibt offen. Im oben erwähnten Text diagnostiziert Ivana Matijevic den Stand der Entwicklung. Sie schreibt, dass schon allen bekannt sei, dass in Serbien die Privatisierung sehr schlecht, in manchen Fällen sogar katastrophal und gesetzlich äußerst suspekt durchgeführt werde. Sie wird nicht eher an sein Ende kommen, als bis alles, was früher in staatlichen Händen gewesen war, privatisiert sein wird. Auf diese Art und Weise wird alles sehr schnell in den Händen von sogenannten businessmen landen, die nur auf der Suche nach raschem und leichtem Profit sind.

Der kalte Kinosaal

Eine in dieser Hinsicht symptomatische Nachricht konnte man dieser Tage lesen. In der zweitgrößten serbischen Stadt, Novi Sad, in der Vojvodina, wird der Kinosaal "Arena" wegen "hoher Schulden" beim örtlichen Wärmekraftwerk gesperrt - im Kino gibt es keine Heizung mehr. Die Zahl der Kinos in Serbien ist mittlerweile so gering, dass man sich fragt, ob man überhaupt noch heimische Filme produzieren solle.

Der Verlust der Vernunft

Gesperrte Kinos, kommerzialisierte Verlage und ihre Umwandlung in Einkaufszentren sowie eine allgemeine "Festivalisierung" der Kultur, das sind tägliche Erscheinungen unseres heutigen Lebens und das nicht nur in den Ländern des Übergangs. Die Naiven unter uns überrascht nur, dass man aus den negativen Erfahrungen der anderen in Serbien nichts gelernt hat. Es scheint tatsächlich so, dass alle die gleichen Fehler selbst Machen müssen.

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