Die Renaissance des Keyensianismus

Schluss mit privat, her mit dem Staat

Wer hätte bis vor kurzem ernsthaft gedacht, dass ausgerechnet George Bush jun. der US-Präsident sein wird, der mehr verstaatlicht als je einer seiner Vorgänger? Die größte Krise der Weltwirtschaft seit 80 Jahren hat einiges auf den Kopf gestellt.

Mit Paul Krugman hat 2008 ein Postkeynesianer den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen. Das letzte Mal passierte das 2001, beim Platzen der Dotcom-Blase, als Joseph Stiglitz den Wirtschaftsnobelpreis verliehen bekam. Damals wie heute erstaunlich - zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen allerdings nicht.

Die Wirtschaft war 2001 infolge des Internet-Booms, und ist heute aufgrund der Finanzkrise, alles andere als im Gleichgewicht. Das Gleichgewicht ist die Grundannahme, auf der die Mainstream-Theorien der Wirtschaftswissenschaften basieren. Und die Mainstream-Theorien haben immer dann Konjunktur, wenn alles gut läuft. Dann werden Deregulierungen und Privatisierungen gefordert. Das Motto "Mehr Privat, weniger Staat" wurde mit den Selbstheilungskräften des Marktes argumentiert.

Aufschwung für den Keynesianismus
Ist der Glaube an den perfekt funktionierenden, sich im Gleichgewicht befindlichen Markt nun erschüttert? Muss nun verstaatlicht werden, was gerade erst privatisiert wurde? Wenn man den Medien Glauben schenken darf, dann wird nun umgedacht. Wenn die Verleihung des Nobelpreises eine starke Aussage ist, dann erlebt der Keynesianismus, die Lehre des Ungleichgewichts in der Ökonomie, einen neuen Aufschwung und der Wirtschaftsliberalismus wird verabschiedet.

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, gestiftet von der Schwedischen Reichsbank, hat den Ruf, ein Instrument neoliberaler Thinktanks zu sein. Umso interessanter ist also die diesjährige Verleihung an Paul Krugman, einen Postkeynsianer, der in seinen "New York Times"-Kolumnen Georg W. Bush vehement kritisiert. In den USA wurde die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Krugman als Einmischung in den Wahlkampf empfunden. Und das, obwohl die USA sich zwar gerne rhetorisch als wirtschaftsliberal darstellen, der Staat aber stärker interveniert, als man meinen sollte. Man denke nur an die staatlichen Gelder, die unter Ronald Reagan in die Rüstungsindustrie flossen. Ökonomen nennen das Rüstungskeynesianismus: Die staatliche Schaffung von Arbeitsplätzen, in diesem Fall in der Rüstungsbranche, ermöglicht es mehr Menschen, am Konsum teilzunehmen.

Diese Form der Anregung des Konsums, die Nachfragesteuerung, kurbelt die Wirtschaft an. John Maynard Keynes, der Begründer der Keynesianismus, meinte, es sei besser, Menschen Löcher graben und wieder zuschütten zu lassen, als zu viele Arbeitslose zu haben. Aber Keynes war nicht der Meinung, wie oft fälschlich angenommen wird, dass der Staat die Wirtschaft dominieren soll.

John Maynard Keynes verstand sich als Retter des Kapitalismus. Er wollte, dass es Marktwirtschaft gibt, sah aber keine andere Möglichkeit, sie langfristig zu erhalten, als ihr von staatlicher Seite Grenzen zu setzen.

Opfer des eigenen Erfolgs?
Keynesianismus funktionierte. Das sah man im österreichischen Aufschwung, eigentlich beinahe in ganz Europa, besonders aber in den skandinavischen Ländern in den letzten Jahren. Manche Stimmen behaupten, der Keynesianismus kam aufgrund seines Erfolgs zu Fall. Denn der Wirtschaftsaufschwung aufgrund keynesianischen Handelns führte zu großen Anhäufungen von Vermögen.

Dieses Vermögen wollte tun, was es immer will, sich vermehren. Und um diese Vermehrung möglichst zu erleichtern und zu beschleunigen, wurde die Deregulierung des Finanzsystems von der Privatwirtschaft gefordert und schließlich von den Staaten umgesetzt. Die Folgen sind bekannt: Eine Bank nach der anderen ist nicht mehr liquide. Die vehementesten Vertreter des Wirtschaftsliberalismus schreien als erstes nach Hilfe.

Nun besinnt man sich auf Vater Staat: Der Papa wird's schon richten. Ist das fair, fragen sich viele zu Recht. Nein, ist es nicht, aber es ist notwendig, meint Paul Krugman. Man kann die Banken nicht krachen lassen. Zu groß wären die Auswirkungen auf die Realwirtschaft, wenn keine Kredite mehr zu bekommen sind. Die Welt hat auf einen neuen Keynes gewartet: Vielleicht hat sie ihn gefunden.

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Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 13. Dezember 2008, 17:05 Uhr